Direkte Demokratie – Chancen und Risken
Hochkarätig besetztes Symposion im Justizpalast
Wien (OTS) – Die neue Bundesregierung hat nicht nur die Entrümpelung unserer Gesetze im Programm, sondern strebt auch die Stärkung der direkten Demokratie in der Verfassung an. Zum letztgenannten Thema baten der Juridisch-politische Leseverein und die Rechtsanwaltskammer Wien mit Unterstützung der Universität Wien zu einem hochkarätig besetzten Symposion „Direkte Demokratie – Chancen und Risken“ in den Festsaal des Wiener Justizpalastes.
Im Symposion wurde ein Thema von großer rechtspolitischer Tragweite auf wissenschaftlicher Grundlage und ergebnisoffen abgehandelt.
Mit dem Thema „Grundlagen zur Politischen Ökonomie“ gab Prof. Dr. Stefan Voigt aus Hamburg einen empirischen Überblick über die Gründe, Ausprägungen und Wirkungen der direkten Demokratie. Prof. Dr. Reiner Eichenberger (Uni Fribourg)erläuterte dazu die Stimmungslage und die daraus gewonnenen Erfahrungen zur direkten Demokratie in der Schweiz. Univ.-Prof. Dr. Harald Eberhard (WU), Dr. Florian Herbst (Justizministerium) und Univ.-Prof. Dr. Franz Merli (Uni Wien) referierten über die bestehenden direkt demokratischen Einrichtungen des Volksbegehrens und der Volksabstimmung, deren Bewertung und die Möglichkeiten und Gefahren eines Ausbaus.
Dr. Franz Merli sieht die wesentlichen Gesichtspunkte für eine Reform in Österreich so: „Wer die direkte Demokratie stärken will, sollte bedenken, dass sie sich wegen ihrer Eigenheiten auch gut für einen illiberalen Gebrauch eignet: zum Nachteil von Minderheiten und zur Überspielung von Machtbeschränkungen. Als rechtliche Vorkehrungen dagegen kommen Themenbeschränkungen, Verfahrensregeln und Wirkungsabfederungen in Betracht. Zudem muss man die Vor- und Nachteile dieser Instrumente am Beispiel des Volksbegehrens mit nachfolgender Volksabstimmung erörtern.“
Ziel des Symposions war es, die Grundlagen für eine verfassungspolitische Diskussion in diesem Bereich aufzuarbeiten. So machte dieses Symposium deutlich, dass die Instrumente der direkten Demokratie vielfältig sind und völlig offen bleibt, welche Reformen welche Resultate zulassen. Bevor jedoch über einen Ausbau der direkten Demokratie in Österreich gesprochen werden kann, gilt es den Rechtsrahmen auszuloten sowie die institutionellen Verbesserungsmöglichkeiten zu konkretisieren. Offen bleibt da auch die Frage, ob es sich – gemessen an der Kerngröße staatlichen Handelns in Österreich – um ein relevantes Thema handelt oder man gar von „Single Issue Politics“, also dem alleinstehenden Handeln der Politik, oder gar Folklore sprechen muss. Die Regierung hat sich einen Zeitrahmen von fünf Jahren vorgenommen, was im Hinblick auch auf die verfassungsrelevante notwendige zwei Drittel Mehrheit im Parlament, ein realistischer Zeitrahmen ist.
Österreich als repräsentative Demokratie kennt Volksbegehren und Volksabstimmung als plebiszitäre Elemente. Deren Verstärkung bedarf der Erörterung und Lösung zahlreicher Grundsatzfragen.
Vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung angestoßenen Entwicklung zeigt sich, wie schwierig und vielschichtig das Thema auch in der aktuellen Diskussion über Rauchervolksbegehren und Frauenvolksbegehren ist. Die Diskussion spaltet nicht nur Befürworter und Gegner, sondern auch Parteien und Politik. Der Ausgang ist durchaus ungewiss, weil bis Oktober jedenfalls keine neuen und anderen Mittel der direkten Demokratie zur Verfügung stehen werden.
Skeptisch sieht mit Univ.-Prof. Dr. Michael Enzinger der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer die Ausweitung der direkten Demokratie: „Die repräsentative Demokratie hat sich seit 100 Jahren in Österreich bewährt. Ich sehe keine Notwendigkeit, hier große Retuschen zu machen. Denn direkte Demokratie kann leicht zum Nährboden populistischer Strömungen werden.“
Juridisch-politischer Leseverein
Gegründet 1841 in den Zeiten des Vormärz führt der Verein die seit damals geübte Tradition fort. Er befasst sich mit der juristisch-wissenschaftlichen Forschung – und möchte wie bisher – rechtsgestaltend zur Fortentwicklung der Rechtsordnung auf der Basis des bestehenden Rechtes unserer demokratischen Republik Österreich beitragen. Dr. Gerhard Benn-Ibler, Ehrenpräsident der Österreichischen Rechtsanwaltskammer, sieht eine Zielsetzung des Vereins in der Aufbereitung aktueller rechtspolitischer Themen auf wissenschaftlicher Basis.
Über die RAK Wien
Die Rechtsanwaltskammer (RAK) Wien ist die Standesvertretung der in Wien niedergelassenen Rechtsanwälte. Aufgabe der RAK Wien ist neben der Vertretung der Interessen der mehr als 4000 Mitglieder auch die Begutachtung von Gesetzen und das Erstellen von Gutachten sowie die Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten im Wege des Disziplinarrechts. Dachorganisation der neun Rechtsanwaltskammern ist der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK).
Mag. Julia Kent
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