Standortentwicklungsgesetz: Bundesregierung nach wie vor uninformiert

Kein Fall einschlägig – Ober-Zeitsünder rufen: “Haltet den Dieb”

Wien (OTS) – Angesichts der dem heutigen Ministerrat vorgelegten
Neuauflage eines Standortentwicklungsgesetzes zeigt sich die
Umweltorganisation VIRUS verwundert über die Uninformiertheit der
Bundesregierung betreffend Umweltverfahren. UVP-Experte Wolfgang Rehm
“Keiner der vier von Ministerin Schramböck genannten Anwendungsfälle
ist dafür auch nur annähernd geeignet. Und wir nehmen Bundeskanzler
Kurz beim Wort, wenn er sagt es gehe nicht darum, jedes Projekt zu
genehmigen sondern rasch Klarheit zu erlangen. So sollte es sein,
dies ist aber fern der derzeitigen Verfahrensrealität”.

So seien Behörden, die es nicht wagen dürfen ein Projekt
abzuweisen einer der beiden Hauptgründe warum Verfahren so lange
dauern. “Die Flughafenpanik des Jahres 2017 hat gezeigt, wie
hysterisch die Politik reagiert, wenn bei einem vorgeblich wichtigen
Projekt eine Entscheidung nicht in gewünschter Weise ausfällt”, so
Rehm. Das Standortentwicklungsgesetz sei nur auf UVP-Projekte
ausgerichtet. Insofern verwundere es, wenn
Wirtschaftsstandortministerin Schramböck eine Stromleitung im Bereich
Villach-Süd als Musteranwendungsfall präsentiere, die gar nicht
UVP-pflichtig sei. Beim Stadttunnel Feldkirch laufe dieser Tage die
fortgesetzte Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht, die Projekte
Kraftwerk Kühtai und S1 (mit Lobautunnel) seien beim
Verwaltungsgerichtshof bzw. Verfassungsgerichtshof und somit bereits
bei den Höchstgerichten anhängig. “Kein einziges der genannten
Beispiele ist noch im bzw. vor dem erstinstanzlichen Verfahren und
damit in irgendeiner Weise einschlägig, es ist bedenklich mit welchem
Grad an Uninformiertheit die Bundesregierung auch nach Monaten der
Verfahrensdauerdiskussion aufzutreten in der Lage ist”, kritisiert
Rehm.

Zweiter Haupt- Zeitfresser seien laut der Umweltorganisation
schlecht gemachte und unvollständige Projekte, die, statt der
gesetzlich gebotenen Zurückweisung, jahrelang im laufenden Verfahren
überarbeitet werden würden. Hier sei es besonders grotesk, dass mit
jenen Staatsfirmen, die gestern in einer Pressekonferenz als
Unterstützer der Bundesregierung aufgetreten sind, die
“Haupt-Zeitsünder” nun “haltet den Dieb” schreien würden. So habe der
Verbund den zweiten Teil der 380-kV-“Salzburgleitung” erst nach
Baufertigstellungsanzeige des ersten Teils überhaupt eingereicht,
eine unverzeihliche Zeitlücke. Dazu geselle sich der Flughafen Wien,
der Parteien und Behörde im Laufe des Verfahrens zur dritten Piste
gleich fünf Überarbeitungen seines Projektes vorsetzte. Schließlich
würde die Asfinag, die von der Papierform her die größte
Einreicherfahrung aufweisen sollte, systematisch unvollständige
Projekte einreichen. “Das dauert dann im Schnitt 21 Monate mit einem
Spitzenwert von 36 Monaten bis nach Einreichung überhaupt das Projekt
öffentlich aufgelegt werden, kann und der Verkehrsminister als
Behörde deckt diese Missstände “kritisiert Rehm. Beim Lobautunnel
hätte dies über beide Instanzen gerechnet fünf Jahre in Anspruch
genommen. “Ich kann nicht einerseits in fortgesetztem
Planungsversagen laufend um Fristverlängerungen betteln und
gleichzeitig großspurig verlangen, dass alles schnell gehen soll”,
ermahnt Rehm Asfinag-Vorstand Schierhackl. Zu begrüßen sei hingegen
die Forderung von Verbund-Vorstand Anzengruber nach einem
Bundessachverständigendienst.

VIRUS weist darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht derzeit
lediglich über vier Senate für UVP-Verfahren, die aber noch andere
Verfahrensarten zu bearbeiten hätten und bereits jetzt überlastet
seien, wie man am Beispiel der Salzburgleitung sehen könne, wo
eineinhalb Jahren nach Schluss des Ermittlungsverfahrens und der
Verhandlung immer noch keine Entscheidung getroffen worden sei. “Und
dieses Gericht soll nun alles aufarbeiten was zehn Behörden vorher
versemmelt haben, wenn das Standortentwicklungsgesetz-Neu ihm alle
Fälle nach Zeitablauf automatisch überträgt? Das dann entstehende
Chaos möchte ich mir lieber nicht vorstellen”, warnt Rehm.

VIRUS trete für rasche wie qualitätsvolle Verfahren ein. Mit
seiner Aussage gegenüber der Presse, dass es darum gehe bei negativen
Entscheidungen Mittel freizubekommen und umwidmen zu können habe
Bundeskanzler Kurz in einem wichtigen Teilbereich den Nagel auf den
Kopf getroffen. Es gebe eine beträchtliche Liste von Projekten wo
dies versäumt worden sei, aktuell würden gerade das
Pumpspeicherkraftwerk Koralm und die S8- Marchfeldschnellstraße von
der jeweiligen Behörde verschleppt werden. “Kurz soll daher den
Worten Taten folgen lassen und dafür Sorge tragen, dass nicht
umweltverträgliche Projekte auch einen negativen Bescheid erhalten
dürfen, das bringt viel mehr, als zum Scheitern verurteilte
Standortentwicklungsgesetz-Experimente und in der Praxis unwirksame
Staatszielbestimmungen an denen die Bundesregierung verbissen
festhalten will”, empfiehlt Rehm abschließend.

Wolfgang Rehm, 0699/12419913, virus.umweltbureau@wuk.at

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