Sozialausschuss: Kassenreform hat erste parlamentarische Hürdegenommen
Abänderungsantrag nimmt die umstrittene generelle Ermächtigung für die Ministerin zurück
Wien (PK) – Die von der Regierung vorgeschlagene
Sozialversicherungsreform, über deren Inhalte in den vergangenen
Wochen bereits sehr ausführlich diskutiert wurde, hat nun die erste
parlamentarische Hürde genommen. ÖVP und FPÖ stimmten heute im
Sozialausschuss für die umfangreiche Sammelnovelle, die unter anderem
eine Reduktion der Sozialversicherungsträger von 21 auf auf 5 sowie
die Einrichtung einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) bringt.
Mittels Abänderungsantrag wieder aus dem ASVG eliminiert haben die
Koalitionsparteien die erst vor kurzem vom Nationalrat beschlossene
und von der Opposition heftig kritisierte Bestimmung, wonach die
Ministerin notwendige „Vorbereitungshandlungen“ für jedwedes
Gesetzesvorhaben im Bereich der Sozialversicherungsgesetze setzen
darf, sofern ein entsprechender Entwurf bereits in parlamentarischer
Handlung steht. Eine generelle Ermächtigung sei zu keinem Zeitpunkt
beabsichtigt gewesen, unterstrich August Wöginger (ÖVP), vielmehr sei
es um die rechtzeitige Meldung der Anzahl der Versicherten in den
jeweiligen Trägern gegangen; dies werde nun klargestellt. Gelten soll
die neue Organisationsstruktur der Kassen ab 2020, im Sinne eines
geordneten Übergangs werden etliche Bestimmungen aber bereits 2019 in
Kraft treten. Ein Entschließungsantrag der SPÖ ( 305/A(E) betreffend
die Harmonisierung der Leistungen aller Krankenversicherungsträger
wurde vertagt.
Auf dem Weg ins Plenum ist darüber hinaus eine weitere ASVG-Novelle (
338 d.B.), die, ebenso wie ein zugehöriger Ausschussantrag auf
Änderung des GSVG, des BSVG und des Beamten-Kranken- und
Unfallversicherungsgesetzes, mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, NEOS und
JETZT angenommen wurde. Mit ihr wird ausdrücklich festgeschrieben,
dass Telerehabilitation, als Teil der ambulanten Rehabilitation, zur
medizinischen Rehabilitation zählt. Die SPÖ lehnte das Vorhaben ab,
da es noch viele offene Fragen gebe und ein eigenes Gesetz für die
Telerehabilitation aus ihrer Sicht gar nicht notwendig sei.
Opposition beurteilt Sozialversicherungsreform weiter kritisch
Dem Beschluss der Sozialversicherungsreform im Ausschuss war ein
mehrstündiges Expertenhearing Mitte November (siehe
Parlamentskorrespondenz Nr. 1273/2019 ) sowie eine weitere
Diskussionsrunde im Rahmen der heutigen Sitzung vorangegangen, die
jedoch zu keiner Annäherung der Standpunkte zwischen den Fraktionen
führte.
Es handle sich um keine Gesundheitsreform, sondern um eine
Verschlankung der Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen, betonte
ÖVP-Abgeordneter Georg Strasser. Als Beispiel nannte er die
Zusammenführung der Sozialversicherungsträger der gewerblichen
Wirtschaft und der Bauern, wo man bereits auf einem sehr guten Weg
sei. Auch August Wöginger (ÖVP) sprach von einem ganz wichtigen
ersten Schritt in Richtung einer umfassenden Strukturreform. Weiters
räumte er ein, dass die vor einer Woche beschlossene
Ermächtigungsbestimmung zu Verunsicherungen geführt hat. Der von ihm
eingebrachte Abänderungsantrag sehe daher nur mehr die Verpflichtung
der Sozialversicherungsträger vor, dem Sozialministerium als
Aufsichtsbehörde innerhalb von 14 Tagen die Zahl der
pflichtversicherten DienstnehmerInnen zu einem bestimmten Stichtag
und in einer bestimmten Form bekanntzugeben. Diese Regelung trete
rückwirkend in Kraft.
Das Expertenhearing habe gezeigt, dass die Meinungen zur Kassenreform
weit auseinander gehen, zeigte Abgeordnete Daniela
Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) auf. Es wurden nicht nur
verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, Kritik gab es etwa auch am
Rotationsprinzip und am Eingriff in die Selbstverwaltung. Der von den
Koalitionsparteien im Zuge der Beratungen eingebrachte
Abänderungsantrag, der den Abgeordneten wieder einmal sehr spät
übermittelt wurde, enthalte ihrer Meinung nach nicht nur kleine
Korrekturen, sondern auch substanzielle Änderungen. Im Zusammenhang
mit dem erforderlichen Nachweis der fachlichen Eignung der
VersicherungsvertreterInnen im Verwaltungskörper sei sogar von einer
möglichen Enthebung die Rede.
Abgeordneter Gerald Loacker (NEOS) zeigte sich erfreut darüber, dass
die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der
Ermächtigungsklausel ernst genommen und die Bestimmung zurückgenommen
wurde. Für begrüßenswert hielt er auch die Korrektur in Bezug auf den
Nachweis der fachlichen Eignung der VersicherungsvertreterInnen, weil
zuvor die FunktionärInnen der Wirtschaftskammer bevorzugt wurden. Nun
komme es darauf an, was die Ministerin am Verordnungsweg festlegen
wird.
Die Vorgehensweise der Regierung bei diesem Gesetzespaket habe
gezeigt, dass man eine derartige Riesenreform nicht im Eilzugstempo
durchziehen könne, stellte Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ)
kritisch fest. Die ständig notwendigen Abänderungsanträge würden dies
auch klar beweisen. Er wiederholte die zentralen Kritikpunkte an der
Reform und wies vor allem auf die nicht bezifferten Fusionskosten
sowie auf die vermeintliche Patientenmilliarde hin. Verwundert zeigte
Muchitsch sich auch darüber, dass einerseits immer von
Einsparungspotenzialen gesprochen wird, andererseits aber teure
Inserate in den Medien geschaltet werden, um das Vorhaben der
Regierung zu bewerben.
Bei diesem Thema lohne sich ein Blick in die Geschichte, meinte
Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ), der darauf hinwies, dass erstmals
Jörg Haider im Jahr 1988 eine Zusammenlegung der
Sozialversicherungsträger gefordert habe. Dieser Vorschlag wurde im
Laufe der Zeit von Politikern aus allen Lager unterstützt, aber eben
nie umgesetzt. Nach 30 Jahren sei es nun der aktuellen Regierung
gelungen, dieses wichtige Vorhaben zu realisieren, das eine
Leistungsharmonisierung für 90% aller BürgerInnen bringt, hob auch
Dagmar Belakowitsch (FPÖ) hervor. Sie sei überzeugt davon, dass sich
die Reform auch in der Praxis beweisen und funktionieren wird.
Gleiche Beiträge für gleiche Leistungen – dieses Prinzip gelte nun
für sieben Millionen Versicherte, unterstrich Bundesministerin Beate
Hartinger-Klein. Sie sei froh darüber, dass es in Hinkunft zu keiner
unterschiedlichen Behandlung der PatientInnen in den einzelnen
Bundesländern mehr kommt, was etwa die chefärztlichen Genehmigungen
oder die medizinischen Leistungen betrifft. Maßgebliche ExpertInnen,
wie etwa Wirtschaftsrechtsprofessor Werner Hoffmann, hätten
bestätigt, dass die angepeilten Ziele auch realisierbar sind.
Hartinger-Klein: Telerehabilitation ist eine ergänzende und keine
ersetzende Maßnahme
Mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, JETZT und NEOS wurde sodann eine
weitere ASVG-Novelle ( 338 d.B.) in der Fassung eines
Abänderungsantrags angenommen, mit der der Anwendungsbereich der
Telerehabilitation geregelt wird. Das Sozialministerium erwartet sich
von einem verstärkten Einsatz von Informations- und
Kommunikationstechnologien in der Rehabilitation nicht zuletzt eine
bessere Motivation von PatientInnen zur regelmäßigen Durchführung von
Übungen und damit auch längerfristige Therapieerfolge. In Frage kommt
Telerehabilitation gemäß den Erläuterungen zum Gesetzentwurf
insbesondere im Anschluss an eine stationäre oder ganztägige
ambulante Rehabilitation. Mit einem Abänderungsantrag wurden in diese
Novelle außerdem Klarstellungen hinsichtlich der Überlassung von
Arbeitskräften zur Ausübung einer Organfunktion innerhalb von
Unternehmensverbünden sowie zur Vermeidung von Verzugszinsen in
Zusammenhang mit der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung an die
Sozialversicherung eingebaut.
Abgeordneter Gerhard Kaniak (FPÖ) lobte den Entwurf, weil damit die
Versicherten von den neuen technische Möglichkeiten profitieren
können. Gleichzeitig betonte er, dass digitale Instrumente natürlich
nie den direkten Kontakt mit Menschen ersetzen können, sondern nur
eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Für ihn stehe grundsätzlich das
Prinzip „Rehabilitation vor Pension“ im Vordergrund, erklärte
Abgeordneter Michael Hammer (ÖVP), Telerehabilitation sei dabei ein
Element von vielen.
Grundsätzlich positiv wurde das zusätzliche Angebot an Maßnahmen der
Telerehabilitation von Seiten der Abgeordneten Daniela
Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) und Gerald Loacker (NEOS) beurteilt.
Er könne dem Gesetz nicht zustimmen, da zu viele Fragen noch offen
seien, beklagte Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ). So sei etwa nicht
klar, ob es eine Mitwirkungspflicht an der Telerehabilitation gibt,
wie es mit dem Datenschutz ausschaut und ob die Qualität der
Rehab-Maßnahmen weiterhin gewährleistet ist. Er brachte daher einen
Vertagungsantrag ein, der aber keine Mehrheit fand. Sein
Fraktionskollege Alois Stöger war überhaupt der Auffassung, dass die
Regierungsvorlage nicht notwendig war, da Telerehabilitation unter
dem Begriff Rehabilitation subsumiert sei. Außerdem sei das Gesetz
sehr schlecht formuliert.
Mit dem vorliegenden Entwurf baue man auf diversen Pilotprojekten
auf, die sehr erfolgreich waren, informierte Sozialministerin Beate
Hartinger-Klein. Telerehabilitation fand z.B. Anwendung im Rahmen
eines Herzmonitorings oder bei der Begleitung von
Diabetes-PatientInnen. Es handle sich ganz klar um eine ergänzende
Maßnahme auf freiwilliger Basis, unterstrich die Ressortchefin. Es
brauche auch keine eigenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen, da es
ohnehin eine Datenschutz-Verordnung gebe. (Fortsetzung
Sozialausschuss) sue
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