Spitalswesen am Scheideweg

Leistungen raus aus dem Krankenhaus – aber wie? Auf Einladung der Östereichischen Ordensspitäler diskutieren Gesundheitsexperten der Parteien.

Wien (OTS) – Das Gesundheitswesen in Österreich steht mitten in einem
großen Veränderungsprozess. Die Aufgaben von Spitälern und dem
niedergelassenem Bereich werden gerade neu geordnet. „Wir müssen im
System die Verteilung der Aufgaben diskutieren“, forderte Univ.Prof.
Dr. Gottfried Haber, Ökonom und Universitätsprofessor an der
Donau-Universität Krems gestern, Mittwoch, in seinem Vortrag „Ist die
Österreichische Spitalslandschaft für die Herausforderung des 21.
Jahrhunderts gewappnet?“

„Rund 80 Prozent der Patienten in den Ambulanzen gehören nicht
dort hin“, erklärt Haber. Patienten sollten dort behandelt werden, wo
man ihnen am besten helfen kann, im Best Point of Service. „Wir
brauchen eine neue Aufteilung der Aufgaben: Was machen Krankenhäuser,
was machen die anderen“, so Haber in Vortrag vor der
Podiumsdiskussion mit dem Thema „Nach der Kassenfusion: Gibt es auch
Reformbedarf im Österreichischen Spitalswesen?“. Zu dieser hat
gestern, Mittwoch, die Vereinigung der Österreichischen
Ordensspitäler in den Wiener Ringturm geladen.

ORF-Moderatorin Claudia Dannhauser diskutierte gemeinsam mit Dr.
Michael Heinisch, Leiter der Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen
Ordensspitäler und Geschäftsführer der Vinzenz Gruppe, Univ. Prof.
Dr. Josef Smolle, Mitglied des Gesundheitsausschusses für die ÖVP,
Alois Stöger, Bundesminister a.D. und SPÖ-Nationalratsabgeordneter,
Mag. Gerhard Kaniak, Mitglied im Gesundheitsausschuss für die FPÖ und
Mag. Gerald Loacker, Gesundheitssprecher der NEOS.

„Es ist eine neue Aufgabenverteilung nötig, weil sich die Medizin
rasant weiter entwickelt hat“, plädierte Josef Smolle, Arzt und
früherer Rektor der medizinischen Universität Graz. „Der
Schlüsselbegriff ist für mich der „Best point of service“. Damit die
Kosten im System nicht exorbitant steigen, müssen wir die Patienten
dorthin bringen, wo die Lösung ihrer Probleme am besten erfolgen kann
– auch unter Einbeziehung der PHC.“

Diese Forderung und die Förderung der Primärversorgungszentren
(PHC) unterstützt auch der freiheitliche Gesundheitssprecher, Gerhard
Kaniak: „Wir wollen eine Neuordnung der Leistungsaufteilung und die
Leistungen aus dem Krankenhaus zu den Bürgern in die Gemeinden
bringen.“ Notwendig sei dafür die Sozialversicherungs-reform: „Sie
ist nur ein erster Schritt. Wir wollen den niedergelassenen Bereich
stärken und auch den Allgemeinmediziner stärken. Deshalb schaffen wir
jetzt Strukturen, um künftig flächendeckende Leistungsvorgaben
schaffen zu können. PHC sind da sicher auch wichtige Anlaufstellen.“

Der ehemalige Gesundheitsminister Alois Stöger fordert zwar auch
Reformen, steht aber den Plänen von ÖVP und FPÖ kritisch gegenüber:
„Das Gesundheitswesen soll von den Bedürfnissen der Patienten und
nicht von einer Berufsgruppe oder machtpolitischen Interessen
gesteuert werden.“ Er plädiert dafür, dass man sich bei der Reform
des Gesundheitswesens an den ursprünglichen Auftrag der
Ordensspitäler orientiert: „Die Ordenskrankenhäuser sind die Erfinder
des Krankenhauswesens. Sie haben aus einem christlichen Auftrag
heraus als Erste die Versorgung von Armen und Behinderten im Blick
gehabt. Erst später sind öffentliche Krankenanstalten entstanden.
Darum geht es auch jetzt: Wir dürfen den Gesamtzusammenhang nicht aus
dem Blick verlieren und auch heute noch Versorgung schaffen für jene,
die scheinbar keinen Platz haben.“

NEOS-Vertreter Loacker befürwortet ebenso die Errichtung von
Primärversorgungs-zentren, kritisiert aber die Strukturen und die
Umsetzung in den Bundesländern. „Österreich hat zu strikt festgelegt,
welche Berufe in welcher Rechtsform im Primärversorgungszentrum
zusammenarbeiten. Jedes Bundesland baut die Struktur für diese
Zentren anders auf. Das endet noch im föderalistischen Chaos und wird
schwer zu steuern sein.“

Die Herausforderungen für eine gute Gesundheitsversorgung seien
regional sehr unterschiedlich, betont Michael Heinisch, Sprecher der
Österreichischen Ordensspitäler. „Daher muss man die Bedürfnisse der
Patienten lokal und regional bewerten. Da kann es durchaus sein, dass
in strukturschwachen Gebieten ein Krankenhaus auch Aufgaben im
ambulanten Bereich übernimmt.“ Heinisch kritisiert das fehlende
Netzwerkdenken in der Diskussion der Primärversorgungszentren: „Die
PHC werden zu wenig integriert mit anderen Anbietern von
Gesundheitsleistungen gedacht. Aus Studien wissen wir aber, dass
Patienten eine Vernetzung aller Beteiligten wollen.“

Heinisch: „Wir müssen in Zukunft offener mit den Sektoren umgehen
und die jeweiligen regionalen Bedingungen im Blick haben. Ich
plädiere für ein offeneres Verhältnis zwischen den aktuell oft zu
strikt getrennten Bereichen.“

Ordensgemeinschaften Österreich
Mag. Ferdinand Kaineder
Mediensprecher
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ferdinand.kaineder@ordensgemeinschaften.at
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