Caritas: „Neue Härte im Umgang mit armutsbetroffenen Menschen in unserem Land“

Schwertner warnt vor Deckelungsregelung durch Hintertüre und vor Anstieg der Kinderarmut: „Angebliche Gerechtigkeitsbegriff der Regierung lässt wenig Raum für Menschlichkeit.”

Wien (OTS) – Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas der
Erzdiözese Wien, unterstrich am Sonntag die Kritik der Caritas an den
angekündigten Kürzungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung.
„Wir appellieren an die Bundesregierung, die Kürzungen zu überdenken,
und die Expertise sozialer Organisationen im Rahmen des
Begutachtungsverfahrens ernst zu nehmen. Ziel einer jeden Reform muss
es sein, dass es den Menschen nach dieser Reform besser und nicht
schlechter geht. Das gilt umso mehr als Familien und Kinder besonders
von diesen Kürzungen betroffen sind! Wer hier von neuer Gerechtigkeit
spricht, hat den Blickkontakt mit armutsbetroffenen Menschen
verloren. Gerecht wäre, die Armut und nicht die armutsbetroffenen
Menschen zu bekämpfen: Dabei geht es um leistbare Pflege, ein
leistbares Wohnen und um Arbeit, von der die Menschen leben können.“

„Kinder in Österreich nicht mehr gleich viel wert“

In Österreich sind derzeit 80.000 Kinder und Jugendliche auf
Mindestsicherung angewiesen. Jeder dritte Mensch, der
Mindestsicherung bezieht, ist Kind oder Jugendlicher. „Gerade
klassische Familien werden die Kürzungen der Mindestsicherung zu
spüren bekommen“, so Schwertner mit Verweis auf die gestaffelten
Beiträge für Kinder. „Ab sofort gilt: Kinder sind in Österreich nicht
mehr gleich viel wert. Und Menschen mit schlechteren
Deutschkenntnissen und ohne österreichischen Pflichtschulabschluss
verdienen nicht mehr dieselbe Hilfe wie andere Menschen in unserem
Land. Diese Regelungen sind nicht nur verfassungs-, EU- und
völkerrechtlich bedenklich, sie legen den Blick auch auf ein
zweifelhaftes Menschenbild frei. Diese neue Härte ist im Umgang mit
geflüchteten Menschen schon länger spürbar. Nun gilt sie offenbar
auch im Umgang mit armutsbetroffenen Menschen insgesamt. Unser Appell
lautet: Menschlichkeit zuerst!“

Deckelung durch die Hintertüre

Der Gesetzesentwurf enthält darüber hinaus auch einige böse
Überraschungen: Die im Vorfeld als Verbesserung für
AlleinerzieherInnen beworbenen Zuschläge für AlleinerzieherInnen
erweisen sich bei näherer Betrachtung als optional: die Länder können
sie einführen, müssen aber nicht. Gleiches gilt für Zuschläge für
Menschen mit Behinderung.

Und: Laut erster Einschätzung des seit Freitag vorliegenden
Gesetzesentwurfs dürfte nun offenbar doch eine Deckelung der
Leistungen vorgesehen sein. Ein Vorgehen, das vom
Verfassungsgerichtshof im Falle Niederösterreichs im Frühjahr dieses
Jahres als verfassungswidrig angesehen wurde. Schwertner: „Hier
würden wir uns rasch Klarheit wünschen. Denn im Gesetzesentwurf ist
von einer Deckelung die Rede, die auf alle Erwachsenen angewandt
werden soll, die in einem Haushalt leben. Davon wären neben
Wohngemeinschaften auch klassische Familien betroffen. Wir hielten
ein solches Vorgehen für demokratiepolitisch fragwürdig: Der VfGH hat
die Deckelungsbestimmung für NÖ als verfassungswidrig erklärt. Dieser
Tage wird er sich in seiner aktuellen Session mit den noch
bestehenden Deckelungsbestimmungen in OÖ und dem Burgenland
beschäftigen. Und noch bevor diese Entscheidungen ergangen sind,
riskiert es die Bundesregierung, einen verfassungswidrigen Entwurf in
Begutachtung zu schicken.“

6.000 Euro pro Jahr weniger für Familien mit 3 Kindern

Laut aktuellen Berechnungen der Caritas kommt es für Familien,
deren Eltern keinen österreichischen Pflichtschulabschluss oder
mangelnde Deutschkenntnisse haben, in jedem Fall zu
Verschlechterungen. „Einer Familie mit einem Kind steht in Wien
künftig monatlich 241 Euro weniger zur Verfügung. Eine Familie mit
drei Kindern muss im Jahr mit 6.000 Euro weniger das Auslangen
finden“, so Schwertner. Einschnitte soll es aber auch bei
österreichischen Familien geben. Selbst bei Nutzung aller
vorgesehenen Möglichkeiten für Zusatzleistungen gilt das bereits mit
dem dritten Kind. Bei vier Kindern beträgt der Verlust aufs Jahr
gerechnet bereits 2.280 Euro und wird mit jedem Kind größer. Wien
wäre mit diesen gravierenden Einschnitten nicht allein: Auch in
anderen Bundesländern wird es bei Umsetzung dieses Entwurfs zu
zwingenden Verschlechterungen für Familien kommen. Das gilt für
Familien mit Fluchthintergrund genauso wie für kinderreiche
Familien.“

Martin Gantner
Pressesprecher Caritas Erzdiözese Wien
0664/88952760
martin.gantner@caritas-wien.at

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