Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 5. Dezember 2018; Leitartikel von Michael Sprenger: „Tempo, Harmonie und Themensetting“
Innsbruck (OTS) – Die rechtskonservative Bundesregierung versteht
sich als Gegenentwurf zur großen Koalition. Stillstand, Blockade und
Streit hatten deshalb im ersten Jahr keinen Platz. Ein Schlüssel zum
Erfolg.
Stillstand, Blockade, Streit.
Die mediale Kritik an den zurückliegenden rot-schwarzen
Regierungsjahren lässt sich auf diese drei Begriffe reduzieren.
Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Christian Kern haben es aus
unterschiedlichen Gründen nicht verstanden, in ihren Kanzlerjahren
diese Zuschreibung zu überwinden.
Stillstand, Blockade, Streit.
Diese drei Begriffe sollten in der Außenwirkung der neuen
Bundesregierung keinen Platz mehr haben. Bundeskanzler Sebastian Kurz
verstand es von Anfang an, die rechtskonservative Regierung als
Einheit darzustellen. Trotz BVT-Affäre und der immer wieder bewusst
gesetzten Provokationen der FPÖ wirkt die Regierung nach außen
stabil.
Anstatt Stillstand, Blockade, Streit setzt die neue Regierung eine
andere Trias: Tempo, Harmonie und Themensetting. Professionell im
medialen Verkauf verstehen es die Koalitionäre, im Wechselspiel von
bloßen Ankündigungen und konkreten Beschlüssen – nahezu wöchentlich –
neue Themen zu setzen.
Die schwächelnde Opposition ist seit einem Jahr nicht in der Lage,
selbst Themen zu setzen. Sie ist dazu verdammt, immer nur zu
reagieren. Kaum schafft sie es einmal, Kritikpunkte so zu
formulieren, dass die Regierung mit einem Kontrollverlust zu kämpfen
hätte, wird wie auf Befehl Neues angekündigt. Und das Spiel
wiederholt sich.
Die eigentliche Meisterleistung der Regierung besteht jedoch
darin, mit dem Dreiklang Tempo, Harmonie und Themensetting einen
schleichenden Umbau der Republik zu verwirklichen. Die von der großen
Koalition zum Programm erhobene sozialpartnerschaftliche Ästhetik (©
Robert Menasse), samt Zusammenschluss von Interessenverbänden und
Regierung, soll dabei überwunden werden.
Die Bundesregierung agiert vorsichtig, hat im ersten Jahr keine
schmerzhaften Einschnitte verordnet. Die Auswirkungen einer flexiblen
Arbeitszeit, einer Kassenreform und einer neuen Mindestsicherung sind
im Bereich des Spekulativen.
Und anders als in Ungarn, Polen oder Italien gibt es keine
brachialen Angriffe auf den Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der
Medien.
Der Plan von Kurz und wohl auch Strache ist es, nicht mit
Repression an der Macht zu bleiben. Ihnen geht es um die langfristige
Absicherung der und Zustimmung zur Hegemonie eines
rechtskonservativen Gesellschaftsbildes.
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