Heftige Debatte zu ungerechtfertigter Erstattung vonKapitalertragssteuer-Zahlungen
Rechnungshofbericht zeigt Schaden von sechs Millionen Euro für Republik auf; wenig Chancen, das Geld zurückzuholen
Wien (PK) – Zu einer Kontroverse zwischen Finanzminister Hartwig
Löger und JETZT-Abgeordnetem Bruno Rossmann kam es heute im
Rechnungshofausschuss bei der Debatte eines
Rechnungshof-Prüfberichts, betreffend Kapitalertragssteuer-Erstattung
nach Dividendenausschüttungen nach sogenannten Cum-ex-Geschäften (
III-165 d.B.). Rossmann sprach von einem Skandal im Zusammenhang mit
einer von ihm behaupteten Nicht-Behebung personeller und
ausstattungsmäßiger Mängel. Löger betonte, das Finanzministerium habe
umgehend reagiert.
Ende 2012 waren in Deutschland erste Fälle von Betrügereien mit
Cum-ex-Geschäften bekannt geworden: Bei Cum-ex-Geschäften werden
Aktien rund um den Dividendenstichtag gehandelt. Sie werden „mit“
(lat. cum) Dividendenberechtigung verkauft und „ohne“ (ex) sie
geliefert. In diesen Fällen ist es nicht einfach abzuklären, wer
berechtigt ist, die abgeführte Kapitalertragssteuer (KESt)
rückerstattet zu bekommen. Es kann zu Mehrfachrückerstattungen
kommen. Im Mai 2016 regten Rossmann und KollegInnen eine
Rechnungshofprüfung an, nachdem es in Medien geheißen hatte,
Österreich habe keinen Schaden erlitten.
Der Rechnungshof führt in seinem Bericht aus, das dafür zuständige
Finanzamt Bruck, Eisenstadt, Oberwart habe insgesamt 1,099 Milliarden
Euro an KESt nach Dividendenauszahlungen an ausländische
AntragstellerInnen zwischen 2001 und 2016 rückerstattet. Mehr als ein
Viertel dieser Summe war auf 2012 entfallen. Aufgrund eines
Doppelbesteuerungsabkommens war rund ein Fünftel davon in die
Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geflossen. Ein solches Abkommen,
wonach eine Kapitalertragssteuer-Erstattung in vollem Umfang
vorgesehen ist, gibt es auch mit Bahrain, Katar und Kuwait. Ziel ist
es, Investoren aus diesen Ländern Anreize zu geben. Dem Rechnungshof
zufolge birgt es aber ein erhöhtes Missbrauchsrisiko in sich. Ein
ähnliches Abkommen mit Großbritannien soll kommende Woche im
Nationalrat behandelt werden. SPÖ-Abgeordnete Karin Greiner wollte
daher wissen, ob auch dieses Abkommen ein solches Risiko hervorrufe.
Finanzminister Löger verneinte das mit dem Hinweis auf die
unterschiedlichen steuerlichen Grundlagen auf Kapitalerträge in
Großbritannien (15 %) gegenüber den VAE (0 %).
Teilweise mehr an KESt rückerstattet als in Staatskasse geflossen
Nach Berechnungen des Rechnungshofs war 2012 ein Schaden von 1,78
Millionen Euro entstanden. Anhand der Ausschüttungen zweier
österreichischer Aktiengesellschaften, die als Vergleiche betrachtet
worden waren, könnte 2010 bis 2012 ein weitere Schaden von 5,92
Millionen Euro entstanden sein. Dieser lässt sich allerdings mangels
Daten nicht genau berechnen. Jedenfalls dürfte mehr an KESt
rückerstattet worden sein als bezahlt worden war.
Das Finanzamt Bruck, Eisenstadt, Oberwart hatte als Reaktion auf das
Bekanntwerden von Schäden in Deutschland die Erstattung von 38,35
Millionen Euro nicht anerkannt und so weiteren Schaden verhindert.
„Eine Rückforderung ungerechtfertigt ausbezahlter Beträge ist aber
schwer möglich“, räumte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker im
Rechnungshofausschuss ein. Grund ist das Fehlen entsprechender
Abkommen mit betroffenen Ländern zur Rückerstattung von
Steuermitteln.
Der Rechnungshof kritisiert insbesondere, dass ExpertInnen des
Finanzministeriums und des Finanzamts Bruck, Eisenstadt, Oberwart
einige Risiken und Unzulänglichkeiten bereits 2006 aufgezeigt hatten.
Rossmann wirft den verantwortlichen Finanzministern nun vor, wider
besseren Wissens nichts unternommen zu haben. Die Rede ist im Bericht
von unzulänglicher IT-Ausstattung (veraltete Verfahren,
Insellösungen, händische Übertragung von Papier ins System),
fehlender risikoorientierter Fallbearbeitung (kein automatischer und
regelmäßiger Abgleich) und unzureichender Personalausstattung (erst
seit 2013 ein eigenes Team). Des Weiteren fehle es an fachlicher
Unterstützung, Fachaufsicht und Bildungsmöglichkeiten.
Mangel an gesetzlichen Bestimmungen
Nach 2012 versuchte das Finanzministerium gegenzusteuern. 2015 nahm
die Zahl nicht anerkannter Erstattungsanträge deutlich zu – das
heißt, es wurden offenbar Betrugshandlungen verhindert. Mangels einer
gesetzlichen Regelung ist man dem Rechnungshofbericht zufolge
allerdings immer noch einem beträchtlichen rechtlichen Risiko
ausgesetzt. Oberstgerichtliche Entscheidungen sind noch ausständig.
Unklar ist allein schon bei der Antragstellung, welche Nachweise etwa
in Bezug auf den Zahlungseingang auf einem Bankkonto erbracht werden
müssen. In Deutschland und der Schweiz etwa werden umfassende
Nachweise gefordert.
Der Rechnungshof verlangt insbesondere: ein transparentes
Kapitalertragssteuer-Erstattungsverfahren, verbesserte
IT-Unterstützung, höhere Rechtssicherheit durch klare gesetzliche
Regelungen, konkrete Anforderungen an die beizubringenden Nachweise.
Ziel sollte eine vertiefte Prüfung von risikobehafteten Anträgen
sein, damit es gar nicht erst zur Erstattung von Beträgen kommt.
Insgesamt gab der Rechnungshof 50 Empfehlungen ab. Finanzminister
Löger berichtete, 33 davon seien ganz und 12 teilweise umgesetzt; bei
5 der 48 unmittelbar an das Finanzministerium gerichteten
Empfehlungen gebe es Auffassungsunterschiede zwischen den ExpertInnen
des Ministeriums und des Rechnungshofes – zum Beispiel, ab welchem
Zeitpunkt Zinsen bei einer Steuerrückerstattung fällig seien.
Dabei handelte es sich um einen Punkt, den die Ausschussvorsitzende
Irmgard Griss (NEOS) angesprochen hatte: Sie wies darauf hin, dass
Anträge auf KESt-Erstattung bis zu fünf Jahre nach Begleichung der
Steuer gestellt werden können. Dadurch komme es möglicherweise zu
hohen Zinsforderungen. „Man könnte das als fordernde Person auch
steuern, indem man den Antrag auf Erstattung erst knapp vor Ablauf
dieser Frist stellt“, sagte Griss. Löger räumte ein, dass das ein
Spannungsfeld sei. Er berichtete, dass VertreterInnen seines Ressorts
mit KollegInnen in Deutschland in Kontakt und auf der Suche nach
gesetzlichen Lösungen seien. Dabei sei auch EU-Recht zu bedenken.
200 weitere Fälle in Überprüfung
Zur Frage, wie hoch der Gesamtschaden nun tatsächlich sei, wollte
sich Finanzminister Löger nicht festlegen. „Fest stehen bisher nur
ungefähr sechs Millionen Euro als Schaden – alles übrige beruht auf
Potenzialen und Einschätzungen“, erklärte er. Rossmann sprach von
„Vertuschung“. „Erst hat es geheißen, es hat überhaupt keinen Schaden
gegeben, noch am 17. Oktober sprechen Sie von 1,78 Millionen Schaden
für die Republik, jetzt sollen es 6 Millionen sein und 168 weitere
Fälle werden überprüft, höre ich. Zudem habe ich auf eine meiner
Anfragen als Antwort erhalten, es sei zu einem Auszahlungsstopp
gekommen – jetzt lese ich im Rechnungshofbericht, einen
Auszahlungsstopp habe es nie gegeben“, führte der Abgeordnete aus.
Finanzminister Löger bestätigte weitere Fallprüfungen: „Insgesamt
werden rund 200 Fälle neu aufgerollt – aber nicht, weil wir etwas
vertuschen wollen, sondern weil wir an Aufklärung interessiert sind“,
betonte er. Einen Auszahlungsstopp habe es sehr wohl gegeben,
schließlich seien 38,35 Millionen Euro, für die es Anträge gab, nicht
ausgezahlt worden.
Zum Vorwurf Rossmanns, Mängel in der Finanzverwaltung seien schon
seit 2006 bekannt gewesen und man habe darauf nicht reagiert, sagte
Löger, es gebe kein Unternehmen und keine Verwaltungseinheit, die
guten Gewissens von sich behaupten könne, sie sei, was die IT
betrifft, auf dem letzten Stand. Auf das Bekanntwerden von
Betrugsfällen mit Cum-ex-Verkäufen in anderen Ländern – nicht einmal
im eigenen Land – habe man im Finanzressort umgehend reagiert. 2013
sei ein entsprechendes Team im Finanzamt Bruck, Eisenstadt, Oberwart
aufgestellt worden. Es habe anfangs sieben MitarbeiterInnen umfasst.
Seit 2016 ist es, personell gesehen, in seiner Endausbaustufe mit 15
Bediensteten. Was die IT-Ausstattung betrifft, arbeite man seit
einiger Zeit an einer umfassenden Lösung. Diese sei im November
getestet worden, mit positivem Ausgang, und werde nun mit Jänner 2019
endgültig umgesetzt. Die Frage nach personeller und IT-mäßiger
Ausstattung hatte die Abgeordneten Karin Greiner (SPÖ), Andreas
Hanger (ÖVP) und Vorsitzende Irmgard Griss interessiert. Griss wollte
von Löger auch wissen, ob seinen Berechnungen eine
Personal-Bedarfsprüfung zugrunde liege. Löger verwies auf eine
gesamtheitliche Modernisierung der Finanzverwaltung. Eine
Unterbesetzung der Finanzverwaltung insgesamt wollte er nicht
bestätigen.
Löger kündigte eine endgültige Berechnung des Gesamtschadens bis Ende
des ersten Quartals 2019 an. Auf die Frage Rossmanns, warum das so
lange dauere, sagte er, man habe 2013 nach Bekanntwerden erster Fälle
in Deutschland sofort reagiert, entsprechende Strukturen aufgebaut,
ungerechtfertigte weitere Auszahlungen gestoppt und Einzelfälle
nachgeprüft. Das sei ein enormer Aufwand. Der Bericht wurde
schließlich einstimmig angenommen.
Einstimmig und ohne Diskussion angenommen wurden drei weitere
Berichte des Rechnungshofs: ein Bericht betreffend die Transparenz
von Begünstigungen im Einkommenssteuerrecht (Follow-up-Überprüfung) (
III-82 d.B.); ein Bericht betreffend die Oesterreichische
Nationalbank zu Gold- und Pensionsreserven, Jubiläumsfonds sowie
Sozialleistungen (Follwo-up-Überprüfung) ( III-114 d.B.); und ein
Bericht des Rechnungshofs betreffend die Familienbeihilfe, deren
Ziele und Zielerreichung, Kosten und Kontrollsystem ( III-166 d.B.).
(Schluss) gb
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