Unterrichtsausschuss: Opposition sieht Bildungschancen weiterhinungleich verteilt

Zahlreiche Vorschläge zur Modernisierung des Schulsystems und gerechterer Mittelverteilung

Wien (PK) – Fairer, zeitgemäßer und ohne parteipolitische
Einflussnahme, so soll die Schule des 21. Jahrhunderts nach Meinung
von SPÖ, NEOS und JETZT sein. Wie das erreicht werden kann,
erläuterten die Oppositionsparteien heute im Unterrichtsausschuss des
Nationalrats anhand mehrerer Anträge, die zum Großteil vertagt bzw.
auch abgelehnt wurden. Chancengleichheit für alle sozialen Gruppen am
Bildungsweg sowie eine Modernisierung der Lehrpläne waren dabei
zentrale Themen. Die konkreten Vorschläge reichten von der Einführung
eines Schulstartpakets, einer kostenlosen Ganztags- und
Ferienbetreuung bis hin zur stärkeren Einbeziehung von Europathemen
in den Unterricht.

Für den SPÖ-Antrag betreffend die rasche Umsetzung einer
„chancenindexierten Mittelverteilung“ hegte Bundesminister Heinz
Faßmann grundsätzlich Sympathie, weil es sich dabei um ein
Gegenmodell zum Gießkannenprinzip handelt. Was die von Abgeordneter
Sonja Hammerschmid eingeforderte Verordnung in diesem Bereich angeht,
so bat der Ressortchef noch um ein wenig Geduld, da man sich in
Kooperation mit den Bildungsdirektionen noch die einzelnen
Indikatoren genauer anschauen müsse.

Schulerfolg soll nicht vom sozialen Status abhängen

Zur Abfederung sozioökonomischer Nachteile ist nach Meinung der SPÖ
ein Schulstartpaket einzuführen, das neben einer Verdoppelung des
Startgelds auf 200 € auch Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von
Beruf und Familie enthalten soll ( 341/A(E) ). Unter anderem wird pro
Elternteil ein Sonderurlaubstag in der ersten Schulwoche
vorgeschlagen, ein flächendeckendes Angebot kostenloser
Ganztagsschulen sowie die Bereitstellung von Tablets, führte
Katharina Kucharowits (SPÖ) aus.

Für bedarfsorientierte Unterstützungsleistungen an Eltern von
SchülerInnen macht sich Abgeordnete Stephanie Cox (JETZT) stark. Zur
Erhebung valider Daten über die bei Schulstart sowie während des
Schuljahrs anfallenden Ausgaben der Erziehungsberechtigten solle
Bildungsminister Heinz Faßmann an allen Schulen ein verpflichtendes
jährliches Kostenmonitoring einführen, so Cox ( 446/A(E) ). Da dieser
Vorschlag in der Praxis nicht umsetzbar sei, werde ihn seine Fraktion
nicht unterstützen, erklärte Nico Marchetti (ÖVP).

Anstatt zahlreicher Einzelmaßnahmen sollte die Regierung ein
Gesamtpaket vorlegen, das nach Ansicht der NEOS folgende Punkte
umfassen müsste: zweites Gratis-Kindergartenjahr für diejenigen, die
es brauchen; Chancenbonus für alle Schulen; kostenlose Ganztagsplätze
für SchülerInnen an sogenannten Brennpunktschulen; Einführung eines
Ethik- und Religionen-Unterrichts; Einrichtung einer
Anti-Diskriminierungsstelle sowie einer Integrationsstiftung Bildung
( 494/A(E) ). Von Seiten der VertreterInnen der Regierungsparteien,
die für eine Ablehnung des Antrags votierten, wurden die bereits
gesetzten Maßnahmen im Rahmen des Pädägogikpakets und der
15a-Vereinbarung für die Elementarpädagogik ins Treffen geführt.
Abgeordnete Sonja Hammerschmied verwehrte sich gegen diese
Argumentation und machte darauf aufmerksam, dass die 15a-Vereinbarung
nur den bisherigen Status quo fortsetzt und auch keinen
Qualitätsrahmen festlegt.

Auf keine Zustimmung stieß auch das Verlangen von Stephanie Cox
(JETZT) nach einer kostenlose Ferienbetreuung für SchülerInnen (
336/A(E). Besonders in der Sekundarstufe 1 bestehe ihr zufolge
Handlungsbedarf, weswegen sie vorschlug, dass LehramtsstudentInnen im
Rahmen von anrechenbaren Praxis-Seminaren während der Ferien mit den
Kindern für projektorientiertes Lernen und Üben eingesetzt werden. –
Alle vier Initiativen wurden abgelehnt.

SPÖ drängt auf Verordnung bezüglich chancenindexierter
Mittelverteilung

Mehrheitlich vertagt wurde sodann ein Antrag der SPÖ. Auch die
SozialdemokratInnen wollen mehr Budget vor allem für Schulen in
bildungspolitischen Problemgebieten bereitgestellt wissen, und zwar
im Rahmen einer „chancenindexierten Mittelverteilung“, bei der die
Auszahlungshöhe von der Alltagssprache der SchülerInnen, dem
Bildungsgrad ihrer Eltern und vom sozioökonomisches Umfeld der
Schülerpopulation abhängt ( 106/A(E) ). Die Schulen sollten dadurch
besser mit ihren jeweiligen Herausforderungen abhängig von Schultyp,
regionaler Lage und sozialer Durchmischung umgehen können. Der erste
Schritt dafür wurde im Bildungsreformpaket gesetzt, erinnerte Sonja
Hammerschmid (SPÖ), nun fehle nur mehr die Verordnung. Kritik übte
sie daran, dass die im Finanzausgleich vorgesehene
Aufgabenorientierung in Pflichtschulen gekippt wurde.

Sowohl Alois Rosenberger (ÖVP) als auch Wendelin Mölzer und Christian
Schandor (beide FPÖ) gaben zu bedenken, dass es in einer so sensiblen
Frage legitim sei, sich ausreichend Zeit für die sorgfältige
Ausarbeitung der – von Seiten der SPÖ angesprochenen – Verordnung zu
nehmen. Außerdem würden auch die Bildungsdirektionen erst Anfang 2019
ihre Tätigkeit aufnehmen. Bedenken bezüglich der Verwendung des
Begriffs „Brennpunktschulen“ meldete Bundesminister Heinz Faßmann an,
weil damit die Gefahr der Stigmatisierung verbunden sei. Er habe sich
viele solcher Schulen angesehen und festgestellt, dass sie sehr gut
funktionieren; dort „brenne nichts“.

Unterricht soll mit der Zeit gehen: Moderne Lehrpläne, Europabildung,
neue Leistungsbewertungen

Eine direktere Vermittlung des Wissens über die Europäische Union an
den heimischen Schulen ist der SPÖ ein besonderes Anliegen im
Zusammenhang mit der Lehrstoffadaptierung. Ein eigener SPÖ-Antrag
zielt daher auf ein Förderprogramm ab, das den Besuch von
EU-Institutionen durch Schulklassen unterstützt ( 129/A(E) ).
Abgesehen davon sollte das grenzüberschreitende Bildungsprogramm
Erasmus+ im nächsten EU-Budget höher dotiert sein, unterstrich Eva
Holzleitner (SPÖ). Abgeordnete Maria Theresia Niss (ÖVP) gab zu
bedenken, dass es auch in Österreich sehr viele Angebote gibt, die
SchülerInnen die Europäische Union näher bringen können. Außerdem
verwies sie darauf, dass Anfang nächsten Jahres ein Konzept zur
Neugestaltung der politischen Bildung vorgelegt werden soll.

Fairness und Objektivität bei der Benotung sind der SPÖ nicht zuletzt
bei der schulischen Abschlussprüfung wichtig. Die standardisierte
Reife- und Diplomprüfung, vulgo Zentralmatura, benötige daher neue
Möglichkeiten der Leistungsbewertung, folgert Abgeordneter Christian
Kovacevic (SPÖ). Die Jahresnote des vorangegangenen Schuljahres
sollte bei der Bewertung miteinbezogen werden können, damit eine
negative Tagesverfassung des Kandidaten oder der Kandidatin ein
positives Abschneiden nicht völlig unmöglich macht ( 501/A(E) ).
Unter Hinweis auf den laufenden Diskussionsprozess brachte
Abgeordneter Rudolf Taschner (ÖVP) einen Vertagungsantrag ein.
FPÖ-Mandatar Christian Schandor warnte jedoch vor einer
„Verwässerung“ des Konzepts, zumal es die Möglichkeit gebe, eine
Kompensationsprüfung zu absolvieren.

Unzufrieden zeigte sich NEOS-Bildungssprecher Douglas
Hoyos-Trauttmansdorff mit dem aktuellen Schulsystem, das zu stark
defizitorientiert sei und „Generationen des Mittelmaßes“ erschaffe.
Es reiche aber nicht aus, nur an den Lehrplänen zu schrauben, sondern
es brauche ein stimmiges Gesamtkonzept, das auf Basis eines
gesamtgesellschaftlichen Dialogprozesses gemeinsam mit
SchulpartnerInnen und ExpertInnen ausgearbeitet werden soll (
479/A(E) ). Eine „Mittlere-Reife-Prüfung“ am Ende der Schulpflicht,
mehr fächerübergreifende Projekte und eine Entrümpelung der Lehrpläne
seien dabei zentral. – Die Oppositionsvorschläge zur Neugestaltung
des Unterrichts wurden allesamt mehrheitlich vertagt.

Schulverwaltung soll ohne Parteipolitik auskommen

Einmal mehr richteten die NEOS schließlich einen eindringlichen
Appell an Bildungsminister Heinz Faßmann und an die anderen
Fraktionen, den parteipolitischen Einfluss auf das heimische
Bildungssystem zurückzudrängen. Das Bekenntnis dazu solle schriftlich
festgehalten werden. Die Bildungsreform 2017 habe hier keine
Verbesserung gebracht, heißt es im entsprechenden Antrag ( 479/A(E) .
Mit den Bildungsdirektionen seien nämlich neuerlich Behörden im
Machtbereich der Landeshauptleute geschaffen worden, beklagte
Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS). Christian Schandor
(FPÖ) räumte ein, dass es noch Probleme gebe, nun sollte aber einmal
die Implementierung des Bildungsreformpakets abgewartet werden. Die
Koalitionsparteien vertagten den NEOS-Antrag daher neuerlich.
(Schluss) sue

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