Ärztekammer warnt vor Engpass bei gerichtlich beeideten ärztlichen Sachverständigen
Honorierung der Gutachter in keinem Verhältnis zum zeitlichen Aufwand und der großen Verantwortung
Wien (OTS) – Im Vorfeld der am Freitag, den 7. Dezember 2018
stattfindenden „25. Forensisch-psychiatrische Tagung“ in Wien warnt
die Ärztekammer vor dem schon bestehenden und in Zukunft sich
verschärfenden Mangel an gerichtlich beeideten ärztlichen
Sachverständigen (Gutachtern). ****
„Die Voraussetzungen, als gerichtlicher Gutachter tätig zu werden,
sind für Ärztinnen und Ärzte sowohl mit einem großen Zeitaufwand
neben ihrer ärztlichen Tätigkeit als auch mit Kosten verbunden, und
am Ende des Tages wird die Tätigkeit bei Gericht dann miserabel
honoriert, sodass immer weniger Kolleginnen und Kollegen bereit sind,
diese zusätzliche Herausforderung auf sich zu nehmen,“ kritisiert
Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres.
„Die derzeitige Honorarordnung für Gerichtsgutachten ist veraltet
und gehört längst reformiert“, ergänzt Georg Pakesch,
Gutachterreferent der Ärztekammer für Wien. Da insbesondere im
Fachbereich Psychiatrie wenig medizinischer Nachwuchs bestehe und
beispielsweise in Wien bereits 50 Prozent der psychiatrischen
Gutachter 65 Jahre oder älter sind, sollte, sofern politisches
Interesse bestünde, auch in Zukunft genügend ärztliche Gutachter für
Gerichtsverfahren zu Verfügung zu haben, rasch eine Novellierung des
Gebührenanspruchsgesetzes erfolgen.
„Die ärztlichen Gutachter erhalten für psychiatrische Gutachten
bei Strafverfahren, Familienrechtsangelegenheiten oder
Sozialrechtsverfahren fixe, zeitunabhängige Gebühren – unabhängig
davon, ob das Gutachten 30 Minuten oder fünf Stunden dauert.“ Alle
anderen Sachverständigen vor Gericht, vom Baumeister bis zum
Architekten, würden für ihre Gutachten aber nach ihrer tatsächlich
aufgewendeten Zeit bezahlt. Pakesch: „Gerade im Bereich der
Psychiatrie gibt es schon jetzt viel zu wenige Gutachter, dort aber
fallen die meisten Gutachten an, die auch in der Regel sehr
zeitaufwendig sind.“
Kritik an diesem System kam diesbezüglich erst unlängst aus den
Reihen der Volksanwaltschaft mit der Warnung, dass bei Gutachten die
Qualität zukünftig leiden könnte. Pakesch: „Diese Kritik teilen wir.
Da beißt sich aber die Katze in den Schwanz, denn aufgrund des
Mangels an Gutachtern, unter anderem wegen des schlechten Entgelts,
sind die noch tätigen überlastet, weil sie oft Hunderte Gutachten pro
Jahr erstellen müssen.“
Zwtl.: Langwierige Ausbildung zum Gutachter
Voraussetzungen für beeidete und gerichtlich zertifizierte
Sachverständige sind eine fünfjährige ärztliche Tätigkeit in
verantwortlicher Stellung in dem Fachgebiet, für das die Eintragung
erfolgen soll. Die Tätigkeit als Turnusarzt, egal ob zum Arzt für
Allgemeinmedizin oder zum Facharzt, kann nicht eingerechnet werden.
Weiters werden unter anderem Kenntnisse über die wichtigsten
Vorschriften des Verfahrensrechts, des Sachverständigenwesens, die
Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und
nachvollziehbaren Gutachtens verlangt.
Bewerber müssen zudem vor der geplanten gutachterlichen Tätigkeit
eine Prüfung über das entsprechende juridische Sachverständigenwissen
vor einer unabhängigen Kommission ablegen, die Kosten für die Prüfung
müssen vom angehenden Gutachter getragen werden. Die Prüfung umfasst
unter anderem Grundzüge der Gerichtsorganisation und der
Gerichtsverfahren, Beweisverfahren, Aktenführung, Rechte und
Pflichten des Sachverständigen, Schiedswesen oder Rechtskunde.
Zusätzlich zum zeitlichen sowie Kostenaufwand für die Erlangung
der Zulassung zum Sachverständigen ist jeder Interessent vor
Eintragung in die Sachverständigenliste verpflichtet, dem für seine
Eintragung zuständigen Landesgerichtspräsidenten nachzuweisen, dass
eine Haftpflichtversicherung zur Abgeltung eventueller
Schadensansprüche im Rahmen seiner gerichtlichen
Sachverständigentätigkeit besteht. Die Mindestversicherungssumme muss
400.000 Euro pro Versicherungsfall betragen. Letztendlich ist der
Antrag zur Eintragung in die Sachverständigenliste mit Gebühren
verbunden, die auch vom Antragsteller zu tragen sind.
„Es besteht die berechtigte Sorge, dass dem österreichischen
Rechtssystem mittelfristig die ärztlichen Gutachter ausgehen werden.
Ein Grund dafür ist, dass das hohe Maß an Verantwortung bei der
Erstellung von Gutachten mit der Honorierung nicht übereinstimmt. Wir
erneuern daher unsere schon wiederholt vorgebrachte Forderung an die
Politik, das Gebührenanspruchsgesetz zeitgemäß anzupassen. Die
Gleichstellung der ärztlichen Gutachter mit anderen Sachverständigen
ist längst überfällig“, so Pakesch abschließend. (bs)
Ärztekammer Wien
Mag. Bernhard Salzer
(++43-1)51501 – 1407, 0664/8109692
salzer@aekwien.at
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