EAA-Energie Talk: „Kupferplatte Europa”: Wie frei ist der Strommarkt in Europa wirklich?

Wien (OTS) – Durch vielfältige Eingriffe in den europäischen
Energiemarkt verzögert sich die Realisierung der Vision der
gemeinsamen „Kupferplatte Europa“ und des gemeinsamen europäischen
Strommarktes erheblich. Beim EAA-Energie Talk standen dementsprechend
Zukunftsszenarien, aber auch energiepolitische Fehlentwicklungen im
Mittelpunkt und für Österreich wurde die Regulierung 2.0 gefordert.

Am Mittwochabend stand beim EAA-Energie Talk im k47 Europas
liberalisierter Strommarkt im Fokus einer spannenden
Podiumsdiskussion. DI Dr. Christine Materazzi-Wagner, Leiterin der
Abteilung Strom bei der E-Control, Dr. Christian Helmenstein,
Chefökonom der Industriellenvereinigung, und Univ.-Prof. DI Dr.
Stefan Schleicher von der Universität Graz und dem Österreichischen
Institut für Wirtschaftsforschung diskutierten über die
Herausforderungen des Strommarktes und die Frage: Wie frei ist der
Strommarkt in Europa tatsächlich?

Zwtl.: „Es gibt gewisse Einschränkungen“

„Beim Wort reglementieren schwingt immer mit, dass man den Markt
einschränkt“, sagt DI Dr. Christine Materazzi-Wagner, Leiterin der
Abteilung Strom bei der E-Control: „Ich sehe aber schon europäische
Bestrebungen, den Markt zu öffnen, mehr Möglichkeiten zu schaffen und
mehr Wettbewerb ins Energiesystem zu bringen“.

Sie erkennt am Markt „gewisse Einschränkungen“, die daraus
resultieren, „dass der Netzausbau pauschal gesagt in Europa nicht das
Tempo hat, das wir brauchen würden, um die anderen Änderungen im
Marktumfeld umsetzen zu können“. Es stelle sich daher die Frage, wie
man trotzdem mehr „Erneuerbare zu einem massiv steigenden Anteil ins
Gesamtsystem bringen“ könne.

Der Ökonom Univ.-Prof. DI Dr. Stefan Schleicher vermutet, dass
sich „die aktuelle Situation auf den Märkten für Elektrizität weiter
verändern wird“. Nach einer aufkeimenden Diskussion, in Deutschland
selbst mehrere Preiszonen zu etablieren, wurde dies zumindest
vorläufig per Gesetz unterbunden. „In Österreich entsteht ein
weiterer Unsicherheitsfaktor durch die politisch motivierte
Zielsetzung, bis 2030 100 Prozent Elektrizität bilanziell aus
Erneuerbaren bereitzustellen“, sagt Schleicher. Vor allem zeichnen
sich aber seiner Meinung nach disruptive Veränderungen ab,
beispielsweise durch die neuen Speichertechnologien, die die
gegenwärtigen Strukturen bei Elektrizität fundamental verändern
könnten.

Zwtl.: Eingeschränkter freier Strommarkt

Dr. Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung
formuliert, dass momentan nicht nur hausgemachte energiepolitische
Anreizregime wirksam sind, sondern auch Fehlregulierungen in Ländern
wie etwa Deutschland auf Österreich ausstrahlen. Er kritisiert, dass
„der freie Strommarkt nur mehr in einem untergeordneten Ausmaß
vorhanden ist“. Der Schaden aus den energiepolitischen
Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre ist seinen Berechnungen
zufolge höher als er durch den derzeit steigenden Strompreis zum
Ausdruck gebracht wird. Der jetzige Strompreis reflektiert laut
Helmenstein möglicherweise die gestiegenen
Versorgungssicherheitsrisiken nicht adäquat. „Denn
Versorgungssicherheit bekomme man klarerweise nicht zum Nulltarif“,
so seine provokante Hypothese.

Preiserwartung versus Preisrealität
Seit Anfang Oktober kann Österreich nicht mehr direkt von
Preisvorteilen aus Deutschland profitieren. Der jahrelang
unbeschränkte Handel zwischen Österreich und Deutschland hat dazu
geführt, dass es zwischen beiden Ländern keine Preisunterschiede
gegeben hat. Nun handelt es sich um zwei unterschiedliche
Marktgebiete mit nur noch etwa 4,9 Gigawatt (GW) Austauschvolumen,
was knapp der Hälfte der österreichischen Spitzenlast von rund elf GW
entspricht. Seit 1. Oktober liegen die Preise in Deutschland – wenige
Stunden ausgenommen – durchwegs niedriger als in Österreich. „Bei der
Preiserwartung sind viele davon ausgegangen, dass die Preisdifferenz
zu Deutschland doch etwas niedriger sein wird als wir aktuell sehen“,
schildert Materazzi-Wagner. Fairerweise muss gesagt werden, dass die
Preiszonengrenze erst seit zwei Monaten existiert. Es sind daher noch
wenige Daten verfügbar, die eine belastbare Prognose ermöglichen.
Materazzi-Wagner sieht bei der Preisentwicklung für die
Versteigerungen der finanziellen Rechte an den
Durchleitungskapazitäten eine durchaus realistische Einschätzung der
Marktteilnehmer: „So wurde im Oktober nur 0,88 Euro pro
Megawattstunde bezahlt, für November dann schon 5,75 Euro pro
Megawattstunde.“ Für November hätten die Händler die
Preisunterschiede schon besser vorausgesagt. Das sei eine erste
Entwicklung. Die mit Spannung erwartete erste Ganzjahresauktion für
Stromlieferungen aus Deutschland nach Österreich am Mittwoch hat für
2019 einen Preisaufschlag von 3,33 Euro pro Megawattstunde (MWh)
ergeben. „Im Vergleich zu Preisdaten an der European Energy Exchange
(EEX) liegt der Aufschlag von 3,33 Euro relativ nahe an den dort in
den vergangenen Monaten beobachteten Werten von etwa 3,2 Euro pro
MWh“, so ihre Analyse.
Bei den Energiepreisen sei Österreich laut Materazzi-Wagner auch
nicht isoliert: „Wenn es in Frankreich zu einer Kältewelle kommt, in
Belgien zu einem Kraftwerksausfall oder in Deutschland zu einer
Dunkelflaute, dann hat das auch Auswirkungen auf die Preise in
Österreich. Hier spielen natürlich auch die deutlich gestiegenen
Brennstoffkosten eine Rolle.“

Zwtl.: Regulierung 2.0 für mehr Wettbewerb

Laut Ökonom Schleicher ist das in den neunziger Jahren
installierte Liberalisierungskonzept inzwischen aus mehrfachen
Gründen gescheitert: „Die Vorstellung der europäischen Kupferplatte
ist nie realisiert worden.“ Einige Länder wie Frankreich haben sich
nie daran beteiligt. Dann kam der unerwartete Boom bei volatilen
Erneuerbaren. Damit habe seiner Meinung nach „ein auf Merit Order und
Unbundling aufgebautes Marktkonzept einfach seine
volkswirtschaftlichen Grundlagen verloren“.

Aus diesem Grund fordert IV-Chefökonom Helmenstein die „Regulierung
2.0“, die wieder mehr Wettbewerb zulässt und bei der Marktmechanismen
wieder eine entsprechende Rolle spielen sollen.

In diesem Zusammenhang sagt Helmenstein, die Erfahrung zeige, dass
„Regulierung nicht dem Prinzip des ‚one size fits all‘ folgen,
sondern Unterschiede in der heterogenen Marktstruktur auf Anbieter-
und Nachfrageseite Rechnung tragen sollte“. „Wir sollten darüber
nachdenken, wie ein modernes, smartes Regulierungsregime, das
weitestgehend ohne starke Annahmen auskommt, aussehen könnte“, so
Helmenstein weiter. Schleicher merkt dazu an, dass es „neue
marktkonforme Geschäftsmodelle geben werde, die sich vom bisherigen
Verkauf von Energiemengen zu einem immer umfangreicheren Angebot an
Energiedienstleistungen emanzipieren werden“. Zu den neuen
Dienstleistungen, mit denen sich Anbieter am Markt abheben können,
zählen Stromspeicher. Hier sieht Materazzi-Wagner „die große
Herausforderung durch die bekannte physikalische Eigenschaft des
Stromsystems, dass in jedem Moment Erzeugung – auch volatile – und
Verbrauch ausgeglichen sein müssen. Darum machen Speicher in allen
Formen einen Sinn, um jederzeit bei Bedarf einen Puffer zu haben“.

Zwtl.: Über EAA-ENERGIEALLIANZ Austria:

Die EAA-ENERGIEALLIANZ AUSTRIA ist die gemeinsame
Energievertriebs- und Handelsgesellschaft der ENERGIE BURGENLAND AG,
EVN AG und WIEN ENERGIE GMBH. Das Unternehmen mit seinem Stammsitz in
Wien versorgt drei Millionen Kunden in Mitteleuropa mit Strom, Gas
und energienahen Dienstleistungen und ist mit
Vertriebsniederlassungen in Österreich und Deutschland – sowie
darüber hinaus im Handel in Österreich, Deutschland, Holland, Ungarn,
Tschechien, Slowenien und Serbien vertreten.

EAA-ENERGIEALLIANZ Austria GmbH
Peter KOLLER
Kommunikation & Presse
Tel: +43-1-904 10-13510
E-Mail: peter.koller@energieallianz.at
www.energieallianz.com

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