AMNESTY 2018: Zur Lage der Menschenrechte weltweit
Amnesty veröffentlicht am Tag der Menschenrechte einen weltweiten Überblick: Die Stimmen für Frauen und ihre Rechte waren 2018 in allen Teilen der Welt besonders laut.
Wien (OTS) – Von Irland über Indien bis in den Iran: 2018 forderten
Frauen und Männer, Alt und Jung die Selbstbestimmung von Frauen und
die Sicherstellung ihrer Menschenrechte ein. Diese Stimmen waren 2018
besonders laut und in allen Teilen der Welt zu hören.
In Indien und Südafrika gingen Tausende auf die Straße, um gegen
die weit verbreitete sexualisierte Gewalt zu protestieren. In
Saudi-Arabien und im Iran riskierten Aktivistinnen ihre Festnahme,
als sie sich dem Fahrverbot und dem Kopftuchzwang widersetzten. In
Argentinien, Irland und Polen gab es große Demonstrationen, die sich
gegen repressive Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch richteten. In
den USA, Europa und Japan nahmen erneut Millionen an Demonstrationen
teil, die #MeToo-Aktivist*innen initiiert hatten, um gegen Frauenhass
und sexualisierte Gewalt zu protestieren. Im Nordosten Nigerias
schlossen sich Tausende geflüchtete Frauen zusammen, die Gewalt durch
Boko-Haram-Kämpfer und nigerianische Sicherheitskräfte erlitten
hatten, und forderten Gerechtigkeit.
2018 widmete Amnesty International dem Kampf für Frauen und ihre
Rechte und veröffentlicht heute einen Überblick zur weltweiten Lage
der Menschenrechte in den vergangenen Monaten. „2018 gab es immer
wieder frauenfeindliche und diskriminierende Vorstöße von
Regierungen, die lang erkämpfte Freiheiten und Rechte von Frauen
weltweit in Gefahr bringen. Millionen sind jedoch entschlossener denn
je, sich leidenschaftlich für Gleichberechtigung und
Chancengleichheit einzusetzen“, sagt Annemarie Schlack,
Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, und weiter:
„Besonders beeindruckend war 2018 der Einsatz jener starken Frauen,
die sich oft unter großer Gefahr für die Rechte der Menschen in ihren
Ländern und Communities eingesetzt haben.“
Menschen, die sich für die Rechte aller einsetzen, sind mit einem
noch nie dagewesenen Ausmaß an Missbrauch, Einschüchterung und Gewalt
konfrontiert. Besonders Frauen drohen wegen ihres Einsatzes für die
Menschenrechte oft zusätzliche Stigmatisierung, Verfolgung,
Diffamierung oder sexuelle Gewalt. Aktivistinnen werden ausgegrenzt,
bedroht, eingesperrt oder sogar getötet, weil sie sich für Freiheit,
Gerechtigkeit und Gleichberechtigung einsetzen – aber auch, weil sie
durch ihre Menschenrechtsarbeit traditionelle Rollen, die ihnen die
Gesellschaft zuweist, hinterfragen. Im Iran sind aktuell
beispielsweise mehr als 60 Menschenrechtsverteidigerinnen in Haft –
darunter die 30-jährige Atena Daemi, die sich gegen die Todesstrafe
und für Frauenrechte einsetzt. [Aktuell setzen sich weltweit
Hunderttausende für die Aktivistin im Rahmen des
Amnesty-Briefmarathons ein.]
(https://action.amnesty.at/atena-wird-nicht-schweigen)
Während im Herbst 2018 die Ermordung des prominenten Journalisten
Jamal Khashoggi weltweit für Schlagzeilen sorgte, sind auch andere
Menschenrechtsverteidiger*innen in Saudi-Arabien in Gefahr. Allen
voran jene Aktivistinnen, die sich seit Jahren gegen das Fahrverbot
für Frauen gewehrt haben. Im Mai – knapp einen Monat vor Aufhebung
des Fahrverbotes – nahmen die Behörden unter anderem Loujain
al-Hathloul, Iman al-Nafjan und Aziza al-Yousef fest. Zuletzt deckten
Amnesty-Recherchen auf, dass Aktivist*innen in Haft mit
Elektroschocks gefoltert, sexuell belästigt und misshandelt wurden.
„Eines hat das Jahr 2018 deutlich gezeigt: Die Menschenrechte sind
eine fundamentale Errungenschaft, die vielen am Herzen liegt. Wir
werden jeden Tag für sie kämpfen, damit sie jedem Menschen erhalten
bleiben“, sagt Annemarie Schlack.
Europa: Kritische Stimmen unter Druck
Auch in Europa wurden 2018 Menschenrechtsverteidiger*innen,
Aktivist*innen, Medien und Oppositionelle von staatlichen Stellen
drangsaliert und ohne jeden Grund strafrechtlich verfolgt. Einige von
ihnen werden gar von gewalttätigen Gruppen, die keinerlei
Strafverfolgung befürchten müssen, angegriffen – [wie der Fall der
ukrainischen LGBTIQ-Aktivistin Vitalina Koval zeigt.]
(https://action.amnesty.at/ukraine-schutz-vitalina)
Im Herzen Europas höhlten Regierungen die Rechte der Bevölkerung
aus: In Polen wird es immer gefährlicher, sich kritisch zu äußern.
Das Demonstrationsrecht wurde eingeschränkt, Hunderte friedlich
Demonstrierende wurden ohne Grundlage strafrechtlich verfolgt.
Die ungarische Regierung wiederum trieb einen Frontalangriff auf
Migrant*innen und Geflüchtete voran, schränkte das
Demonstrationsrecht ein, stellte Obdachlosigkeit unter Strafe und
führte Gesetze ein, die die Strafverfolgung von
Flüchtlingshelfer*innen ermöglichen. „Die menschenrechtliche
Situation in Polen und Ungarn hat sich 2018 verschärft. Stimmen der
Zivilgesellschaft in unseren Nachbarländern werden unterdrückt,
engagierte Bürger*innen werden bedroht und eingeschüchtert. Damit
gefährden die Regierungen Orbán und Kaczyński den sozialen Frieden im
Land“, sagt Annemarie Schlack.
Positiv ist: Die EU-Kommission und das Europäische Parlament
leitete 2018 ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages sowohl
gegen Ungarn als auch Polen ein – als Reaktion auf Maßnahmen der
beiden Staaten, die die Menschenrechte aushöhlten. Außerdem stellte
die EU finanzielle Mittel bereit, um Menschenrechtsverteidiger*innen
in bestimmten Ländern zu unterstützen und zu schützen. „Trotzdem muss
in ganz Europa mehr getan werden“, sagt Schlack und meint weiter:
„Leider ist seit der Einleitung des Artikel-7-Verfahrens nicht viel
passiert. Die ungarische Regierung diffamiert weiterhin Medien und
erschwert Nichtregierungsorganisationen die Arbeit. Für jeden
einzelnen Menschen in Ungarn bedeutet das, dass die Rechte,
Informationen zu erhalten und politisch mitgestalten zu können,
eingeschränkt werden. Die Regierungen in jedem einzelnen
EU-Mitgliedstaat sind nun gefordert: Sie müssen den EU-Rat am 11.
Dezember dazu nutzen, die festgefahrene Situation zu überwinden und
das Artikel-7-Verfahren weiter voranzutreiben.“
Kriminalisierung von Solidarität
Überall auf der Welt kriminalisieren Regierungen den Einsatz von
Bürger*innen und Organisationen, die sich für die Rechte von
Migrant*innen und Menschen auf der Flucht einsetzen. Darunter fallen
etwa die Beschlagnahmung von Schiffen, die im Mittelmeer Such- und
Rettungseinsätze unternehmen, die Anklage von Flüchtlingshelfer*innen
in Frankreich und in der Schweiz oder die Festnahme einer
Journalistin, die Verstößen der australischen Regierung gegen
Geflüchtete auf Nauru nachging.
„Regierungen kommen weltweit ihrer menschenrechtlichen
Verantwortung nicht nach. In dieser zunehmend feindseligen Welt ist
der Einsatz und die Solidarität von Gemeinden und Einzelpersonen umso
wichtiger. Regierungen sollten sich am Engagement ihrer Bürger*innen
ein Beispiel nehmen – anstatt sie zu bedrohen und gegen sie
vorzugehen“, sagt Annemarie Schlack.
Hintergrund
Amnesty International veröffentlicht am 10. Dezember mit „Amnesty
2018“ (engl. Titel: RightsToday) einen umfassenden Überblick über die
Lage der Menschenrechte in sieben Weltregionen: Afrika, Nord- und
Südamerika, Europa und Zentralasien, Naher Osten und Nordafrika sowie
Ostasien, Südasien und Südostasien. Die Veröffentlichung fällt auf
den 70. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte – die erste Grundrechtecharta, die für alle Menschen
gilt, wurde 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen
angenommen.
Martina Powell, Amnesty International Österreich, +43-664-235-91-38
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