Kompetenzbereinigung: Breite Mehrheit im Bundesrat fürVerfassungsnovelle
Länder erhalten alleinige Zuständigkeit für Kinder- und Jugendhilfe
Wien (PK) – Das von Justizminister Josef Moser geschnürte erste
Gesetzespaket zur Entflechtung von Kompetenzen zwischen Bund und
Ländern ist endgültig auf Schiene. Nach dem Nationalrat stimmte heute
auch der Bundesrat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für die
Verfassungsnovelle und begleitende Gesetzesänderungen. Damit kann das
Paket, mit dem sowohl der Bund als auch die Länder auf bestimmte
Gesetzgebungskompetenzen und Zustimmungsrechte zugunsten der jeweils
anderen Gebietskörperschaft verzichten, wie geplant Anfang 2020 in
Kraft treten. Eine Sonderregelung gibt es für die Kinder- und
Jugendhilfe: Sie wandert erst dann in die alleinige Zuständigkeit der
Länder, wenn bundeseinheitliche Qualitätsstandards durch den
Abschluss einer Bund-Länder-Vereinbarung sichergestellt sind.
Die Länderkammer passiert haben außerdem ein EU-Beschluss zu den
Europawahlen 2019, die 2. Dienstrechts-Novelle 2018 mit dem
Gehaltsabschluss für den öffentlichen Dienst sowie Änderungen im
Bundesbezügegesetz . Zudem ermöglicht eine begleitende Novellierung
des Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetzes
künftig auch den Fraktionsvorsitzenden im Bundesrat, einen
persönlichen Mitarbeiter bzw. eine persönliche Mitarbeiterin zu
beschäftigen. Von der vom Nationalrat verordneten „Nulllohnrunde“ für
SpitzenpolitikerInnen sind weder die Mitglieder des Bundesrats noch
Landes- und GemeindepolitikerInnen betroffen.
ÖVP, FPÖ und SPÖ begrüßen Kompetenzentflechtung
Das Gesetzespaket zur Kompetenzbereinigung sieht insbesondere vor,
jene Materien, in denen dem Bund die Grundsatzgesetzgebung obliegt
und die Länder für die Ausführungsgesetze zuständig sind, deutlich
zur reduzieren. Das betrifft neben der Kinder- und Jugendhilfe etwa
auch das Arbeitsrecht für die Land- und Forstwirtschaft, die
Bevölkerungspolitik und den Pflanzenschutz. Für diese und weitere
Bereiche werden künftig ebenfalls entweder nur noch die Landtage bzw.
nur noch das Parlament zuständig sein. Gleiches gilt für allgemeine
Angelegenheiten des Datenschutzes, die in die alleinige Kompetenz des
Bundes wandern. Darüber hinaus werden mit dem Gesetzespaket
wechselseitige Zustimmungsrechte von Bund und Ländern, etwa was die
Festlegung von Bezirksgrenzen und Gerichtssprengeln betrifft,
gestrichen.
Ausdrücklich begrüßt wurde die Kompetenzentflechtung von Klara
Neurauter (ÖVP/T), Stefan Schennach (SPÖ/W) und Michael Raml (FPÖ/O).
Die Kompetenzzersplitterung in Österreich sei ein großes Problem,
über das schon seit Jahren und Jahrzehnten diskutiert werde, hoben
Neurauter und Raml hervor und lobten in diesem Sinn das vorliegende
Reformpaket. Die türkis-blaue Regierung stelle damit einmal mehr
unter Beweis, dass sie eine Reformregierung sei, so Raml. Besonders
hob der FPÖ-Bundesrat in diesem Zusammenhang auch die Abschaffung
gegenseitiger Blockademöglichkeiten zwischen Bund und Ländern hervor.
Die Kritik an der „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe konnten
Naurauter und Raml nicht nachvollziehen. Die Gesetzgebung wandere nun
dorthin, wo die Aufgaben erledigt und finanziert werden, sagte
Neurauter.
Bundesrat Schennach räumte ein, dass die SPÖ große Sorge hatte, was
die Beibehaltung der bestehenden bundeseinheitlichen
Qualitätsstandards in der Kinder- und Jugendhilfe betrifft. Deshalb
habe sie zunächst auch „die Notbremse gezogen“, meinte er. Man habe
die Zeit aber genutzt, durch die nunmehr vorgesehene
Bund-Länder-Vereinbarung seien einheitliche Qualitätsstandards auch
in Zukunft garantiert.
Grüne kritisieren „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe
Kritisch zum Gesetzespaket äußerte sich hingegen der
oberösterreichische Bundesrat David Stögmüller von den Grünen. Dieses
sei völlig unausgegoren, auch weil große Brocken wie das
Elektrizitätswesen, die Krankenanstalten und die Sozialhilfe von der
Kompetenzentflechtung ausgeklammert blieben. Außerdem kann er der
„Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe nichts abgewinnen. Man
habe jahre- und jahrzehntelang um ein Bundesgesetz mit einheitlichen
Qualitätsstandards gerungen, nun werde es wieder neun Ländergesetze
geben, beklagte er. Stögmüller sieht das als massiven Rückschritt und
fürchtet eine Wiederkehr des „Kirchturmdenkens“. Es dürfe aber keinen
Unterschied machen, in welchem Bundesland ein Kind geboren ist. Die
Bund-Länder-Vereinbarung sieht Stögmüller als unzureichend, da
Betroffene die Nichteinhaltung dort verankerter Standards nicht
einklagen können.
Widerspruch erntete Stögmüller nicht nur von den anderen Fraktionen,
sondern auch von Justizminister Josef Moser. Er hält eine klare
Zuordnung von Zuständigkeiten für unbedingt notwendig. Künftig werde
es nicht mehr möglich sein, sich im Falle von Problemen wechselseitig
die Verantwortung zuzuschieben. Im Übrigen hätten sich die Länder
ausdrücklich zu einer Weiterentwicklung der Standards im Bereich der
Kinder- und Jugendhilfe bekannt, hob Moser hervor. Weitere
Kompetenzbereinigungen stellte der Justizminister für das kommende
Jahr in Aussicht.
Das Gesetzespaket wurde schließlich mit 49 Pro-Stimmen bei 2
Gegenstimmen angenommen. Zuvor war ein Antrag der Grünen, die
Abstimmung zu vertagen und das Paket erneut im zuständigen Ausschuss
zu beraten, in der Minderheit geblieben. Ein von den Grünen
eingebrachter Entschließungsantrag betreffend die qualitative
Weiterentwicklung der Standards in der Kinder- und Jungendhilfe wurde
nicht zur Verhandlung zugelassen, da er nicht genügend Unterschriften
trug.
Gehälter im öffentlichen Dienst steigen zwischen 2,51% und 3,45%
Auf einhellige Zustimmung im Bundesrat stießen der Gehaltsabschluss
für den öffentlichen Dienst und die übrigen Teile der 2.
Dienstrechts-Novelle 2018, die einige Neuerungen für BeamtInnen,
Vertragsbedienstete und RichterInnen bringt. Dazu zählen etwa eine
Flexibilisierung von Telearbeit, der Ausbau von „Fachkarrieren“, die
Beschleunigung von Aufnahmeverfahren im Exekutivdienst und neue
Einsatzmöglichkeiten für RichteramtsanwärterInnen. Außerdem wird der
neuen Behördenstruktur im Schulbereich, Stichwort
Bildungsdirektionen, Rechnung getragen. Die Gehälter im öffentlichen
Dienst steigen sozial gestaffelt zwischen 2,51% und 3,45%, im
Durchschnitt wurde zwischen der Regierung und der
Beamten-Gewerkschaft ein Plus von 2,76% vereinbart.
Zur Novelle zum Parlamentsmitarbeiterinnen- und
Parlamentsmitarbeitergesetz merkten Karl Bader (ÖVP/N) und Elisabeth
Grimling (SPÖ/W) an, dass dadurch die Arbeit im Bundesrat verbessert
und folglich ein Mehrwert für die BürgerInnen geschaffen werde. Dass
nun auch der Länderkammer Parlamentarische MitarbeiterInnen zur Seite
gestellt werden, sei ein erster Schritt, um ihre Funktion besser
wahrnehmen zu können, so Bader und Elisabeth Grossmann (SPÖ/St).
Grossmann setzte sich darüber hinaus für generelle Reformüberlegungen
ein: Es sei noch einiges zu tun, um der zweiten Parlamentskammer
einen gebührenden Stellenwert zu geben.
„Wir als Politiker sollten nicht selbst so tun, als ob das, was wir
arbeiten, nichts wert wäre“, meinte ebenso Monika Mühlwerth (FPÖ/W).
(Fortsetzung Bundesrat) gs/keg
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