Sozialversicherungsreform vom Bundesrat gebilligt

Regierungsmehrheit der Länderkammer beschließt Kassenzusammenlegung trotz Protests von SPÖ und Grünen

Wien (PK) – Gegen die Reform der Sozialversicherungsträger gab es
heute keinen Einspruch von der Mehrheit im Bundesrat. Damit steht der
Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen in die Österreichische
Gesundheitskasse (ÖGK) nun nichts mehr im Weg. Zusammengefasst werden
gemäß Sozialversicherungs-Organisationsgesetz überdies die
Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft mit jener der
Bauern in der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) und
die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau wird mit der
Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter zur neuen BVAEB
fusioniert. Erhalten bleiben die Pensionsversicherungsanstalt (PVA)
und die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA).

Während die BundesrätInnen von ÖVP und FPÖ die Zusammenlegung der
Kassen als Verwaltungseinsparung im Sinne der PatientInnen lobten,
warnten die SozialdemokratInnen vor Leistungskürzungen in den
Bundesländern. Ob die sieben Millionen ÖGK-Versicherten „große
Gewinner“ oder „große Verlierer“ der Reform sind, darüber konnten
sich Regierungsfraktionen und Opposition wie schon im Nationalrat
auch in der Länderkammer nicht einigen. Neben der
Sozialversicherungsreform genehmigte der Bundesrat auch die Novelle
zur Telerehabilitation samt entsprechender Änderungen im Gewerblichen
Sozialversicherungsgesetz (GSVG), im Bauern-Sozialversicherungsgesetz
(BSVG) und im Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz.

Die vom Nationalrat bereits im November beschlossene Erhöhung kleiner
und mittlerer Pensionen um bis zu 2,6% nächstes Jahr passierte heute
ebenfalls den Bundesrat. Für Ruhebezüge über der ASVG-Höchstgrenze
sieht das Pensionsanpassungsgesetz 2019 , das von der
ÖVP-FPÖ-Mehrheit in der Länderkammer gebilligt wurde, einen
Pauschalbetrag unter der Inflationsrate vor. Man wolle damit für eine
gerechte Verteilung der Pensionen sorgen und den SeniorInnen mit
einer Pensionssteigerung über der Inflationsrate die nötige
Wertschätzung entgegenbringen, betonte Marlies Steiner-Wieser
(FPÖ/S). Zur Vermeidung der Altersarmut würden Personen mit niedrigem
Einkommen proportional stärker unterstützt. Insgesamt sollen 1,33
Millionen PensionistInnen von der sozialen Staffelung profitieren.
Nach Ansicht der SPÖ steigen Kleinstpensionen mit dem neuen Gesetz
aber nicht ausreichend an. Gerhard Leitner (SPÖ/K) meinte,
tatsächlich werde ein „massiver Kaufkraftverlust“ bei der älteren
Generation eintreten, weil die Pensionsanpassung nicht die reale
Nettoteuerung ausgleiche.

Ursprünglich wäre mit der Pensionsrechtsnovelle auch normiert worden,
dass die Sozialministerin notwendige „Vorbereitungshandlungen“ für
jedwedes Gesetzesvorhaben im Bereich der Sozialversicherungsgesetze
setzen darf, sofern ein entsprechender Entwurf bereits in
parlamentarischer Handlung steht. Nach scharfer öffentlicher Kritik
an dieser Bestimmung, die viele ExpertInnen als verfassungswidrige
Umgehung des Parlaments sahen, zogen die Regierungsfraktionen den
Passus noch vor der Beratung des Gesetzes im Bundesrat zurück.

Zur Umsetzung von Arbeitsrechtsnovellen wie die Anhebung der
Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche
auch in der Landwirtschaft trug der Bundesrat mehrheitlich eine
Novelle zum Landarbeitsgesetz 1984 und zum
Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz mit. Neben flexibleren
Arbeitszeiten sieht die Gesetzesänderung nicht zuletzt mehr
Transparenz bei Arbeitsverträgen und Löhnen vor, etwa bei
All-in-Verträgen. Internatskosten für Lehrlinge werden künftig deren
Arbeitgebern verrechnet.

Grüne gegen Übertragung der Kinder- und Jugendkompetenzen an die
Bundesländer

Zu Sitzungsbeginn brachte der oberösterreichische Grünen-Bundesrat
David Stögmüller einen Einwendungsantrag zur Tagesordnung ein,
konkret zum Gesetz, mit dem die Kompetenzen der Kinder und
Jugendhilfe gänzlich den Bundesländern übertragen werden soll.
„Inakzeptabel“ nannte Stögmüller die Behandlung dieses
Verfassungsgesetzes durch die Länderkammer, sei doch der
Nationalratsbeschluss ohne ernsthafte Diskussion im Ausschuss dem
Bundesratsplenum zur Genehmigung übermittelt worden. Namens der ÖVP
hielt der Niederösterreicher Karl Bader entgegen, zwischen
VertreterInnen der Regierung und der Bundesländer habe es im Vorfeld
ausreichend Gespräche über die Kompetenzbereinigung gegeben. Die
Novelle fuße somit auf einer Verfassungsvereinbarung zwischen Bund
und Ländern. Dementsprechend trugen die anderen Fraktionen den
Antrag, das Gesetz von der Tagesordnung zu nehmen und erneut im
Bundesratsausschuss zu verhandeln, nicht mit.

Hartinger-Klein: Sozialversicherungsreform räumt Ungerechtigkeiten
aus

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, deren Agenden auch Arbeit und
Gesundheit betreffen, hielt vor der Länderkammer grundsätzlich fest:
„Sie schreiben heute Geschichte.“ Mit der Sozialversicherungsreform
stehe man vor der „größten Reform der Zweiten Republik“. Seit
Jahrzehnten habe es viele Studien über die Reform der
Sozialversicherungsträger gegeben, die alle auf die Ungerechtigkeiten
im bisherigen Versicherungssystem hingewiesen hätten. Die vorliegende
Strukturreform schaffe hier Abhilfe. Dabei werde die Zusammenlegung
der Versicherungen zu „keiner Drei-Klassen-Medizin führen“, wies
Hartinger-Klein den entsprechenden SPÖ-Vorwurf entschieden zurück.
Selbstbehalte seien auch kein Thema, „das garantiere ich“.

Deutlich bekannte sich die Ministerin dazu, mehr Kassenarztstellen in
ländlichen Regionen zu schaffen. Für Geringverdienende würden zwar
die Beiträge gesenkt, die Einnahmen blieben aber trotzdem gleich,
weil 200 bis 300 Millionen Euro jährlich dank der
Verwaltungsverschlankung eingespart würden. Zur kommenden
Pensionserhöhung sagte die Ministerin, es sei der Regierung ein
großes Anliegen, den PensionistInnen jene Kaufkraft zukommen zu
lassen, die sie brauchen. „Wir bringen die soziale Kälte zum
Schmelzen.“

Sozialversicherungen: Schlagabtausch zwischen Regierungsfraktionen
und SPÖ

Das sogenannte Sozialversicherungs-Organisationsgesetz führt laut
Regierung unter anderem zu einer Reduktion der
Sozialversicherungsträger von 21 auf 5. An die Stelle des
Hauptverbands tritt künftig ein verschlankter Dachverband, die Zahl
der FunktionärInnen sinkt. Gleichzeitig sollen
UnternehmervertreterInnen in der neuen Selbstverwaltung mehr Einfluss
in den Kassen bekommen sowie die Aufsichtsrechte des
Sozialministeriums und des Finanzministeriums ausgeweitet werden.

ÖVP und FPÖ begrüßten das Vorhaben ausdrücklich. Die jetzige
Regierung setze die Sozialversicherungsreform nun um, nachdem diese
„ein halbes Jahrhundert“ diskutiert worden sei, listete Sandra Kern
(ÖVP/N) mehrere entsprechende Reformpläne auf, die vor allem am
Widerstand der SPÖ-FunktionärInnen gescheitert seien, wie Bernhard
Rösch (FPÖ/W) ausführte. Drohbilder der Opposition wie die
Einschränkung von Versicherungsleistungen entsprächen nicht der
Wahrheit. Vielmehr sichere die Verschlankung des Verwaltungssystems
den Weiterbestand der Gesundheitsversorgung, unterstrich Rosa Ecker
(FPÖ/O), und gewährleiste außerdem bundesweit gleiche Leistungen für
gleiche Beiträge. „Klare Strukturen, einfachere Prozesse und mehr
Leistungen für PatientInnen“ sei das Ziel der Reform, hob Kern
hervor. Die Länder erhielten dabei regionale Budgets zur Sicherung
der Versorgung im ländlichen Raum. In einem Entschließungsantrag
hielten die Regierungsfraktionen fest, dass die Rücklagen der
Gebietskrankenkassen in den Bundesländern diesen auch nach der Fusion
in die ÖGK zustehen.

Ungerechtigkeiten hebe die Bundesregierung auf, zeigte sich Christian
Buchmann (ÖVP/St) höchst zufrieden mit der Sozialversicherungsreform,
die mit verschlankten Strukturen, etwa durch die Vereinheitlichung
von Einkauf und IT, für einen optimierten Mitteleinsatz sorgen werde.
ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen seien künftig
berechtigterweise „zu annähernd gleichen Teilen“ in den Gremien der
Kassen vertreten, immerhin trügen beide Seiten zum Erhalt des
Gesundheitswesens bei. Die Patientinnen und Patienten stünden im
Mittelpunkt der Neuorganisation, zollten auch die ÖVP-Mandatare aus
Tirol und aus Niederösterreich, Peter Raggl und Karl Bader, der
Regierung Beifall. Einsparungen würden ohne Qualitätseinbußen bei den
Gesundheitsleistungen erreicht. Krankenanstalten würden
beispielsweise im Rahmen der Reform nicht geschlossen, versicherte
Ecker.

Seitens der SPÖ wurde hingegen kein gutes Haar an der Reform
gelassen. Korinna Schumann (SPÖ/W) befand, die Selbstverwaltung der
Sozialversicherungen werde mit dem Gesetz „zu Grabe getragen“. Die
Arbeitgeberseite erhalte die Mehrheit in der ÖGK-Verwaltung, was eine
verfassungswidrige Machtverschiebung zugunsten der Wirtschaft
darstelle. Dabei zahlen die ArbeitgeberInnen laut Reinhard Todt
(SPÖ/W) „nicht einmal ein Drittel“ der gesamten Beitragssumme ein.
Wirtschaftliche Interessen würden künftig als Entscheidungsgrundlage
für die Leistungsverteilung dienen, zog Gerhard Leitner (SPÖ/K) nach.
„In diesem Fall regiert die Kreditkarte und nicht die E-Card.“
PensionistInnen seien überhaupt nicht mehr in den
Entscheidungsgremien vertreten. Eine Klage beim
Verfassungsgerichtshof sei daher vom Seniorenrat schon beschlossen
worden. Nach Ansicht von Eva Prischl (SPÖ/N) wird die Kassenfusion
mit hohen Kosten einhergehen. Schon aus diesem Grund führe die
Zusammenlegung der Krankenkassen zu einer „Drei-Klassen-Medizin“, bei
der die meisten Versicherten, jene der ÖGK, Leistungseinbußen zu
erwarten hätten, während BeamtInnen und Selbstständige besser
ausstiegen. Die Zentralisierung der Länderkassen werde zu
Leistungskürzungen in der öffentlichen Gesundheitsversorgung der
Bundesländer führen, bekräftigte Schumann im Einklang mit Günther
Novak (SPÖ/K).

Die Grünen sehen ebenfalls keine Vorteile für die Versicherten, im
Gegenteil: „Ein schlechter Schmäh“ sei die angekündigte
Patientenmilliarde, die in mehr Leistungen für Versicherte
resultieren soll, warf Ewa Dziedzic (GRÜNE/W) der Regierung vor. Die
Zusammenlegung der Kassen könne gar nicht Effizienzsteigerungen
bringen, da oftmals unterschiedliche Rechtsgrundlagen eine effektive
Fusion unmöglich machten. Die erwartete Kostenreduktion werde dadurch
nicht eintreten, weswegen Dziedzic wie zuvor schon Schumann die
Einführung von Selbstbehalten bei Gesundheitsleistungen zwecks
Kostendämpfung prognostizierte.

Pensionen: Erhöhung soll vor allem MindestpensionistInnen helfen

Mit dem Pensionsanpassungsgesetz werden nächstes Jahr Pensionen bis
1.115 € um 2,6% erhöht, bei höheren Bezügen sinkt der
Anpassungsfaktor bis zu einer Pension von 1.500 € linear auf 2% ab.
Die Anpassung von 2,6% wird für Opferrenten, das
Verbrechensopfergesetz und das Heimopferrentengesetz ebenfalls
wirksam. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) regte als weitere Maßnahme
ein Modell des „Pensionssplittings“ zwischen Ehepartnern an, sodass
Frauen aufgrund von Karenzzeiten und Teilzeitbeschäftigung nicht
automatisch von großen Abschlägen bei den Ruhebezügen betroffen sind.
Der SPÖ richteten die RednerInnen der Regierungsfraktionen aus, unter
der ehemals sozialdemokratischen Führung des Sozialressorts seien
PensionistInnen häufig aufgrund von Pensionsanpassungen unter der
Inflationsrate in die Altersarmut getrieben worden.

Telerehabilitation soll Therapien erleichtern, SPÖ meldet
datenschutzrechtliche Bedenken an

Die ASVG-Änderung zur Telerehabilitation lehnte die SPÖ mit der
Begründung ab, bei der Umsetzung gebe es noch zu viele ungelöste
Fragen. So befand Bundesrätin Schumann (SPÖ/W), der Begriff
„Telerehabilitation“ sei nicht genau definiert, auch sei unklar, für
welchen Personenkreis die Therapiemethode gedacht ist. Warum diese
Form der Rehabilitation nur in der Pensionsversicherung, nicht aber
in der Krankenversicherung vorgesehen ist, kann sie nicht
nachvollziehen. Bedenken bei den SozialdemokratInnen gibt es auch
bezüglich Datenschutz. Da die Telerehabilitation in erster Linie in
den eigenen vier Wänden durch Verwendung von Webcams stattfinden
soll, müsse man auf den Schutz des Privatlebens besonders achten,
forderte Schumann. Für sehr bedenklich erachtete sie die im Plenum
des Nationalrats beschlossene Abänderung, die nicht nur eine
Schlechterstellung für NotärztInnen bringe, sondern auch dazu führe,
dass Zeitungskolporteure und -zustellerInnen künftig jedenfalls nach
dem GSVG – und nicht nach dem ASVG – pflichtversichert sind. Damit
werde eine ganze Berufsgruppe, die es ohnehin sehr schwer hat, mit
einem Federstrich zu Selbstständigen erklärt.

Eine gegenteilige Meinung vertraten Rosa Ecker (FPÖ/O) und Bernhard
Rösch (FPÖ/W), die vor allem die Vorteile, die sich durch die
Telerehabilitation ergeben, hervorhoben. Es gehe dabei um die bessere
und freiwillige Nutzung von medizinischen Assistenzsystemen in der
Prävention, der Rehabilitation und in der Nachsorge, die noch mehr
Menschen zu Gute kommen sollen. Was die Regelung für die NotärztInnen
und die ZeitungskolporteurInnen angeht, so werde damit lediglich eine
Maßnahme klargestellt, die bereits 2016 beschlossen wurde. Auch
Eduard Köck (ÖVP/N) sprach von einem sehr sinnvollen Gesetz, das die
Basis dafür schaffe, dass die Menschen länger gesund bleiben und
nicht frühzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen.

Die Digitalisierung sei nicht nur ein Leuchtturmprojekt der Regierung
sondern stelle gerade im Gesundheitswesen einen Schlüssel zu mehr
Effizienz dar, konstatierte Bundesministerin Beate Hartinger-Klein.
Um gesund älter zu werden, brauche es Therapietreue, war die
Ressortchefin überzeugt, das Instrument der Telerehabilitation sei
ein wichtiger Beitrag dazu. Es gebe bereits einige positive Projekte
wie etwa jene für Herz- und Diabetes-PatientInnen, die von den
Betroffenen sehr gut angenommen und überaus geschätzt werden. Durch
den heutigen Beschluss sei eine flächendeckende Ausweitung in ganz
Österreich möglich.

Arbeitsrecht Neu in der Landwirtschaft: SPÖ kritisiert Fehlen der
Freiwilligkeit bei Überstunden

Arbeitszeiten in der Land- und Forstwirtschaft müssten offener
gestaltet werden, gaben die Bundesräte Christoph Längle (FPÖ/V) und
Andrea Wagner (ÖVP/N) in der Debatte über die
Landarbeitergesetzesänderung mit Verweis auf intensive Arbeitszeiten
bei der Ernte zu bedenken. Die ExpertInnen im Ausschuss hätten zudem
bestätigt, dass es zu zahlreichen Verbesserungen für die
ArbeitnehmerInnen komme. Gleichermaßen müssten die Arbeitskräfte
flexibler als in anderen Berufsfeldern eingesetzt werden können, wenn
das Wetter kurzfristig umzuschlagen droht. Großzügigere
Überstundenleistungen seien hier nötig.

Hintergrund für die Novellierung des Landarbeitsgesetzes ist der
Umstand, dass dem Bund im Bereich des Arbeitsrechts für Land- und
ForstarbeiterInnen gemäß der Bundesverfassung lediglich die
Grundsatzgesetzgebung obliegt, während die Länder für die
Ausführungsgesetze zuständig sind. Das betrifft etwa auch die
Implementierung der Wiedereingliederungszeit, die Einführung eines
Karenzanspruchs für Pflegeeltern ohne Adoptionsabsicht, adaptierte

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