Tiroler Tageszeitung, Ausgabe vom 21. Dezember 2018; Leitartikel von Mario Zenhäusern: „Katholisches Krisenmanagement“
Innsbruck (OTS) – Alles, nur kein Ruhmesblatt: Der Umgang der
katholischen Kirche mit den Vorwürfen gegenüber dem früheren Kärntner
Bischof Alois Schwarz erinnert an das Verhaltensmuster der
Kirchenkrise in den 1990er-Jahren.
Die Vorwürfe gegen den früheren Kärntner Bischof Alois Schwarz
wiegen schwer. Doch der Umgang der katholischen Kirche mit der Causa
ebenso. Die vergangenen Tage legen Zeugnis darüber ab, dass die
Kirche nahezu alles verlernt hat, was sie einst in ihrem Umgang mit
der Affäre Hans Hermann Groër, mit den umstrittenen
Bischofsernennungen, mühsam erlernen musste.
Seit Monaten sind Bischofskonferenz und Rom über die
Machenschaften des früheren Bischofs der Diözese Gurk-Klagenfurt
informiert. Direkt über Mitarbeiter aus dem Bistum, indirekt über
anonyme Schreiben. Passiert ist nichts. Nein, fast nichts. Im Sommer
dieses Jahres glaubten die Kirchenverantwortlichen, die Causa elegant
zu planieren. Für St. Pölten wurde ein Bischof gesucht. Und diesen
meinte man in der Person Schwarz gefunden zu haben. St. Pölten ist
befriedet, und in Klagenfurt soll Gras über die Sache wachsen. Welch
ein Irrtum.
In Kärnten erschallte der Ruf nach Aufklärung. Als Engelbert
Guggenberger nach dem Wechsel von Schwarz nach St. Pölten vom
Domkapitel zum Diözesanadministrator gewählt worden ist, machte er
sich an die Aufklärungsarbeit. Doch als der Prüfbericht fertig war,
kam die Weisung aus Rom. Der Bericht darf nicht öffentlich gemacht
werden. Die Mitglieder des Domkapitels nahmen den Befehl
zähneknirschend zur Kenntnis. Nicht aber Alois Schwarz. Er sah sich
durch seinen selektiven Blick auf den Bericht reingewaschen. Nicht
erwähnt hatte er seinen kritisierten Führungs- und Lebensstil, nicht
die Millionenverluste, die er in seiner Amtszeit zu verantworten hat,
naturgemäß auch nicht sein Verhältnis zur mittlerweile gekündigten
Leiterin des Bildungshauses St. Georgen am Längsee.
Wut, Empörung und Sprachlosigkeit machten sich breit. Da wollte
dann der ansonsten so umsichtige Diözesanadministrator nicht länger
schweigen. Er veröffentlichte am Dienstag den Bericht – und musste
sich von Kirchenseite den Vorwurf mangelnden Gehorsams gefallen
lassen. Nein – Guggenberger sah sich seinem Gewissen verpflichtet,
wie er sein Handeln rechtfertigte.
Vieles erinnert dieser Tage an das alte Verhaltensmuster, welches
in den 1990er-Jahren zu schweren Vertrauenskrisen geführt hat. Der
Vatikan scheint jetzt das Problem begriffen zu haben – und lässt das
„System Schwarz“ prüfen. Ein Ruhmesblatt ist das nicht, vielleicht
eine späte Einsicht. Von Rom, nicht von Alois Schwarz.
Tiroler Tageszeitung
0512 5354 5101
chefredaktion@tt.com
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
© Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender