FAKT: Pestizideinsatz in Hunderten Naturschutzgebieten erlaubt

Leipzig (ots) – Viele Bundesländer gestatten den Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten – und das trotz der katastrophalen Bilanz der Bundesrepublik beim Artenschutz.

Eine Recherche des ARD-Magazins „FAKT“ ergab, dass Hunderte Naturschutzgebiete betroffen sind – schätzungsweise jedes dritte. Möglich wird das, weil in diesen Gebieten die landwirtschaftliche Bodennutzung nach der sogenannten „guten fachlichen Praxis“ von vielen Verboten zum Schutz der Natur ausgenommen ist. Das heißt: ein nahezu uneingeschränkter Einsatz von Pestiziden ist dort legal möglich.

Derartige Regelungen gelten beispielsweise in Brandenburg in 184 Naturschutzgebieten, in Sachsen in 102 und in Rheinland-Pfalz ebenfalls in 102 Gebieten. In Bayern ist der Pestizideinsatz sogar in sämtlichen 674 FFH-Gebieten (Fauna-Flora-Habitate, also europäische Naturschutzgebiete) grundsätzlich möglich. Gerade dort aber soll ein hoher Artenschutz gewährleistet sein. Einige Bundesländer machten unvollständige Angaben, NRW gar keine.

Der Agrarwissenschaftler Prof. Josef Settele, derzeit Co-Vorsitzender des Weltbiodiversitätsrates IPBES, der gerade in Paris tagt, kritisiert diese Praxis: „Wenn es um die Umsetzung des Artenschutzes auf der eigenen Fläche geht, wird das Ganze relativiert. Wir lassen Maßnahmen zu, die dem Ganzen abträglich sind. Wenn ich ernsthaft Insekten schützen will, muss ich die Insektizide zurückfahren.“, so Settele gegenüber „FAKT“.

Umweltstaatssekretär beklagt Rückgang der biologischen Vielfalt

Auch der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, sieht beim Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten Handlungsbedarf. Der Bund habe zwar keine Weisungsbefugnis, zuständig seien die Bundesländer. Geplant sei aber ein neues Aktionsprogramm zum Insektenschutz. Jochen Flasbarth im „FAKT“-Interview: „In den Kernzonen von Nationalparken, Biosphärenreservaten und in Naturschutzgebieten möchten wir, dass der Pflanzenschutzmitteleinsatz ganz verboten wird.“

Flasbarth beklagt generell den Rückgang der biologischen Vielfalt in Deutschland: „Die Art, wie wir Landwirtschaft betreiben, hat den Artenschwund ganz enorm nach vorne gebracht.“

Nach Aussage mehrerer deutscher Umweltverbände ist inzwischen jede dritte Tier- und Pflanzenart in Deutschland akut bedroht. Mehr dazu unter: www.mdraktuell.de

Der Text ist bei exakter Quellenangabe „FAKT“ ab sofort zur Veröffentlichung freigegeben.

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