Hebammengremium OÖ: Hebammenarbeit wertschätzen, nicht nur am Internationalen Hebammentag
Wels (OTS) – „Was braucht es noch, damit das Land Oberösterreich endlich auf die Hebammen zugeht? Eine Arbeitsgruppe hat 2018 die Änderung der Gehaltseinstufung geprüft, Ende des Jahres sollten die Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Solange hatten wir zugesagt, uns ein letztes Mal in Geduld zu üben. Aber nun ist dieser Termin lange verstrichen und es gibt kein Ergebnis“ zeigt sich Nicole Humer, Leiterin der OÖ Landesgeschäftsstelle des Österreichischen Hebammengremiums, enttäuscht. Die Auswirkungen seien bereits spürbar:
Hebammenstellen in Krankenhäusern könnten nicht besetzt werden. Von einer Eins-zu-eins-Betreuung, wie sie die WHO empfiehlt, ist man in vielen OÖ Krankenhäusern weit entfernt. Hebammen arbeiteten immer seltener nur im Krankenhaus und immer öfter – zumindest auch – in der freien Praxis.
Hebammen werden hingehalten
Hebammen, die in OÖ im Krankenhaus arbeiten, sind im Gehaltsschema im Bereich der Pflege eingereiht. In fast allen anderen Bundesländern ist diese Einstufung in den letzten Jahren korrigiert wurden. Hebammen sind dort – gemäß ihrem großen eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich und der akademischen Ausbildung – genauso eingestuft wie die MTDG (gehobene medizinische, therapeutische und diagnostische Gesundheitsberufe).
Seit 14 Jahren fordert das OÖ Hebammengremium die Anpassung der Einreihungsverordnung, viele Gespräche mit politischen Entscheidungsträgern fanden dazu statt. Schließlich schien es 2017 mit der neuen Landesregierung möglich, diese längst überfällige Anpassung der Gehaltseinreihung umzusetzen. Im Jänner 2018 reichte das OÖ Hebammengremium einen Antrag bei LH Stelzer ein, eine Arbeitsgruppe wurde installiert. Bis Ende des Jahres 2018 sollten sich die Hebammen gedulden. Dieser Zeitpunkt ist nun lange überschritten, ein Ergebnis liegt immer noch nicht vor.
Immer weniger Hebammen arbeiten nur im Krankenhaus
In Oberösterreich sind derzeit 403 Hebammen tätig. Davon sind 109 Hebammen nur im Krankenhaus tätig, 72 Hebammen arbeiten nur in der freien Praxis. Mehr als die Hälfte aller Hebammen, nämlich 222, verbinden beides: die Arbeit in der freien Praxis und die (zumeist Teilzeit-) Anstellung im Krankenhaus.
„Wir beobachten einen Trend, dass immer mehr Kolleginnen zumindest teilweise in die freie Praxis wechseln. Das wird durch die schlechte Entlohnung im Krankenhaus und die Arbeitsbedingungen in den großen Kliniken forciert“ stellt Nicole Humer fest. „Für die extramurale Versorgung der Mütter und ihrer Neugeborenen ist das gut. Hebammen-Betreuung im Wochenbett wird immer wichtiger, die Frauen werden ja auch immer früher nach der Geburt nach Hause entlassen. Man darf aber nicht vergessen, dass mehr als 95 Prozent aller Geburten in einer Klinik stattfinden. Wenn die Arbeitsbedingungen für Hebammen im Krankenhaus nicht bald attraktiver werden, dann wird der Hebammenmangel dort immer gravierender, und zwar unabhängig davon, wie viele neue FH Studiengänge eingerichtet werden.“
Bessere Entlohnung in anderen Bundesländern
Die Gehälter für Hebammen sind von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Humer: „Die Einstiegsgehälter für Hebammen in einer Landesklinik sind z.B. in NÖ und Salzburg um 400 Euro höher, für dieselbe Tätigkeit. Alle Bundesländer bemühen sich aktiv darum, Hebammen für ihre Kreißsäle anzuwerben, und die Bedingungen, die wir in OÖ bieten, sind nicht gerade attraktiv. Wir sehen ja auch schon, dass sowohl junge FH Absolventinnen als auch langjährige Kreißsaalhebammen in andere Bundesländer arbeiten gehen.“
WHO empfiehlt Hebammen-geleitete Eins-zu-eins-Betreuung
Nicole Humer: „Wir sind in Oberösterreich weit entfernt von einer Eins-zu-eins-Betreuung. Ganz im Gegenteil betreuen Hebammen oft zwei, drei und mehr Frauen gleichzeitig bei der Geburt. Aber bitte halten wir uns vor Augen: Eins-zu-eins-Betreuung ist kein Luxus! Ganz im Gegenteil ist die Hebammen-geleitete Eins-zu-eins-Betreuung genau jenes Modell der Schwangerenbetreuung, das nach vielen internationalen Studien am besten abschneidet und das auch von der WHO empfohlen wird. Weniger Interventionen, weniger Komplikationen, weniger Frühgeburten und zufriedenere Frauen sprechen eine klare Sprache.“ Und nicht zuletzt auch bessere Arbeitsbedingungen für Hebammen, die ihre hohe Verantwortung für Mütter und Kinder unter diesen Umständen besser tragen können.
Die brandneue WHO-Geburtshilfe-Richtlinie(1) aus dem Jahr 2018 zur „Betreuung während der Geburt für ein positives Geburtserlebnis“ spricht eine klare Empfehlung für Hebammen-geleitete Eins-zu-eins-Betreuung aus, bei der eine bekannte Hebamme oder eine Gruppe von bekannten Hebammen die Frau in der Schwangerschaft, Geburt und Zeit nach der Geburt betreut. Ein großer Cochrane Bericht(2) aus dem Jahr 2015 vergleicht Hebammen geleitete Eins-zu-eins-Betreuung mit anderen Modellen der Schwangerenbetreuung und kommt zu dem Ergebnis, dass Eins-zu-eins-Betreuung durch Hebammen zahlreiche Vorteile für Mütter und Babys bringt und keine negativen Auswirkungen hat – im Vergleich mit Betreuungsmodellen, bei denen Ärzte die Leitung haben oder die Leitung zwischen Ärzten und Hebammen geteilt wird. Der Cochrane Report nennt als wesentliche Vorteile die geringeren Raten an Epiduralanästhesie, Dammschnitten und Interventionen während der Geburt, außerdem ein geringeres Frühgeburtsrisiko.
(1) WHO recommendations: intrapartum care for a positive childbirth experience. Geneva: World Health Organization; 2018. (2) Midwife-led continuity models versus other models of care for childbearing women (Review), 2015, The Cochrane Collaboration.
Österreichisches Hebammengremium
Landesgeschäftsstelle OÖ
Leiterin: Nicole Humer, MSc.
Tel: 0664 3902392
E-Mail: ooe@hebammen.at
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