Nominierung der Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2019 / Zwei Erfindungen in Deutschland entwickelt

München (ots) – Das Europäische Patentamt (EPA) gibt heute die Finalisten, die für den Europäischen Erfinderpreis 2019 nominiert sind, bekannt. Die Bundesrepublik ist in diesem Jahr erneut prominent vertreten: Der deutsche Physiker, Biochemiker und Bioinformatiker Matthias Mann gehört zu den drei Finalisten in der Kategorie „Forschung“. Der österreichischer Experimentalphysiker Maximilian Haider, der in seiner Wahlheimat Deutschland lebt und forscht, zählt zu den Finalisten in der Kategorie „Lebenswerk“. Der Europäische Erfinderpreis, der zum 14. Mal verliehen wird, ehrt den Genius und die Kreativität von Erfinderinnen und Erfindern sowie Erfinderteams. Er würdigt ihre Verdienste um den Fortschritt in Wissenschaft und Technik, ihre Bedeutung für das Wirtschaftswachstum und ihren Einfluss auf unser Leben im Alltag.

Matthias Mann, Pionier auf dem Gebiet der Proteomik, hat ein Verfahren zur Analyse sämtlicher Proteine in menschlichen Zellen mit Hilfe von Massenspektrometrie entwickelt. Seine Erfindungen ermöglichen nicht nur die Identifizierung sämtlicher Proteine einer Gewebeprobe oder in Körperflüssigkeiten wie Blut, sondern auch deren Zählung und Markierung. Manns Verfahren analysiert Proteinspiegel, dadurch können Anzeichen von etwa Krebs- und Lebererkrankungen sogar vor Ausbruch der Krankheit festgestellt werden. Diese Techniken helfen Medizinern, Erkrankungen genauer vorherzusagen, zu diagnostizieren und zu behandeln. Nominiert ist Matthias Mann für die Erfindung der Diagnose von Krankheiten durch Proteinanalyse mittels Massenspektrometrie. Er arbeitet am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München.

„Die Fähigkeit, die Proteine bei der Arbeit im Zellinneren präzise zu messen, eröffnet noch nie dagewesene Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Körpers – wie wir krank werden und welche Behandlungsform am besten anschlagen könnte. Dieses Potential wurde durch die Pionierarbeit von Matthias Mann freigesetzt“, sagte EPA-Präsident António Campinos anlässlich der Bekanntgabe der Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2019.

Dank Maximilian Haider, Professor für Elektronenoptik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Mitbegründer der Corrected Electron Optical Systems GmbH (CEOS) in Heidelberg, konnte ein 60 Jahre altes Forschungsproblem gelöst werden: Seine Erfindung sorgt für schärfere Bilder in der Elektronenmikroskopie. Die Technologie entwickelte Haider im Wesentlichen während seiner Zeit am Europäischen Molekularbiologischen Labor (EMBL) in Heidelberg. Es gelang ihm dort, die Bildauflösung im Transmissionselektronenmikroskop (TEM) um den Faktor 5 zu verbessern, sodass sogar einzelne Atome abgebildet werden können. Deshalb können beispielsweise Halbleiterkristalle in atomarer Auflösung betrachtet werden. Mikrochip-Herstellern verschaffte dies die Möglichkeit, die Größe von Komponenten in mobilen Geräten zu reduzieren. Haider ist nominiert für die Entwicklung des weltweit ersten Korrektivsystems für das Elektronenmikroskop, das zu den wichtigsten Forschungsinstrumenten der modernen Wissenschaft und der Nanotechnologie gehört.

„Haiders Erfindung hat dazu beigetragen, dass Elektronenmikroskopie heute bis auf die atomare Ebene möglich ist. Diese Leistung förderte wiederum den Fortschritt in der Materialwissenschaft“, sagte EPA-Präsident António Campinos über die Nominierung Haiders für den Europäischen Erfinderpreises 2019. „Seine Arbeiten und sein Unternehmen prägen seit Jahrzehnten die Elektronenmikroskopie.“

Innovative Lösungen als treibende Kräfte für eine bessere Zukunft – die Erfindungen aus Deutschland im Einzelnen

Matthias Mann

Mit dem Blick auf die Proteine zur exakten Medizin

Die Proteomik untersucht die Gesamtheit der Proteine eines Organismus oder Systems. Eiweiße steuern den Informationsfluss innerhalb von Zellen und weisen auf Bedrohungen für die Gesundheit im Körper hin. Ist die DNA der Bauplan des Lebens, so sind die Proteine die Werkzeuge, die alle Körperfunktionen in Betrieb halten. Darum kann ihre sorgfältige Untersuchung unentdeckte Gefahren für die Gesundheit sichtbar machen. Über die Bedeutung der Proteine waren sich die Forscher im Klaren, die Herausforderung lag darin, Informationen über sie aus einzelnen Zellen zu sammeln.

Als interdisziplinärer Forscher begann Matthias Mann nach einer Lösung für dieses Problem zu suchen. Dabei konnte er sich auf seine Expertise in verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten stützen: Nach seinem Physikdiplom an der Universität Göttingen promovierte er 1988 in Chemieingenieurwesen in Yale. Als er dort unter John Fenn forschte, spezialisierte sich Mann neben der Proteomik auf die Massenspektrometrie. Seit seiner Rückkehr nach Europa 1989 richtete Mann seine Forschung darauf aus, seine Erfindungen auch in der klinischen Praxis anwendbar zu machen.

1994 erhielt er das Patent für eine neue Technik, genannt Nano-Elektrospray, welche die Untersuchung von Proteinen revolutionierte und die Proteomik als eigene Disziplin etablierte. Eiweiße konnten in großen Mengen gescreent und simultan sequenziert werden. Ein bis dahin beispielloser Überblick über die Funktionsweise von Eiweißen in Zellen wurde möglich. Diese Arbeit trug dazu bei, dass Manns Mentor John Fenn 2002 den Nobelpreis erhielt. 2012 stellte er die Ergänzung seiner Technik vor: SILAC (Stable Isotope Labeling by Amino Acids in Cell Culture) – die eine schnellere und automatisierte Kartierung des menschlichen Proteoms (die Gesamtheit der Proteine eines Organismus) erlaubt und zu genaueren Diagnosen sowie effektiveren Behandlungen führt.

Manns Arbeit umfasst eine große Bandbreite technischer Felder: Er hat nicht nur Präparationstechniken für biologische Proben und Markierungstechniken für erkrankte Zellen erstellt. Er und sein Team haben ebenfalls modernste Software-Tools entwickelt, um die Ergebnisse zu analysieren.

Die Erfindung lässt hoffen, dass künftig spezifische erste Anzeichen von Krankheiten besser erkannt werden – wie zum Beispiel frühe Stadien von Brustkrebs oder Fettleberkrankheit (Steatosis hepatis). Massenspektrometrie und Proteomik können außerdem dabei helfen, den Übergang zu einer personalisierten medizinischen Behandlung zu beschleunigen.

Matthias Mann leitet heute Forschungsgruppen in der Abteilung „Proteomics und Signaltransduktion“ am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München sowie am „Novo Nordisk Foundation Centre for Protein Research“ der Universität Kopenhagen in Dänemark. Als Autor von über 700 „peer-reviewed“ Publikationen ist er einer der meist zitierten Wissenschaftler weltweit. 2016 ging aus Manns Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Biochemie das Start-up PreOmics hervor.

Matthias Mann hat weltweit 36 Patente angemeldet.

Maximilian Haider

Aufbau der ersten elektronischen Linse

Das Elektronenmikroskop gibt es seit mehr als 60 Jahren. Es zählt weltweit zu den in Wissenschaft und Forschung am Häufigsten verwendeten Instrumenten. Sein Prinzip: Es bündelt Elektronenstrahlen an Stelle von Licht. Deshalb können Elektronenmikroskope Objekte abbilden, die für optische Mikroskope zu klein sind. Allerdings verursachten die Strahlen von geladenen Elektronenteilchen noch vor 20 Jahren Bilddeformationen, die ihre Auflösung einschränkten. Der deutsche Physiker Otto Scherzer entwickelte zwar bereits in den 1940er Jahren eine Theorie zur Lösung dieses Problems, diese konnte aber aufgrund des damaligen Stands der Technik nicht umgesetzt werden.

Erst Maximilian Haider fand in den 1990er Jahren den Weg, sie zur praktischen Anwendung zu bringen. Sein weltweit erstes Korrektivsystem gleicht die inhärenten Verzerrungen aus und reduziert die Unschärfe der Mikroskopbilder. 1997 stand seine Technologie für die Anwendung im Transmissionselektronenmikroskop (TEM) zur Verfügung und ermöglichte eine Rekordauflösung von 0,12 Nanometern. Erstmals konnten einzelne Atomlagen in Halbleiterkristallen identifiziert werden. Diese hohe Auflösung war damals der Durchbruch für Wissenschaft, Elektronenoptik und für alle Materialwissenschaftler. Im Jahr 2015 erreichte Haider die bisher unübertroffene Auflösung von 0,043 Nanometern – eine Strecke kleiner als der Radius eines Wasserstoffatoms.

Maximilian Haider wurde 1950 im österreichischen Freistadt geboren, machte eine Ausbildung als Optiker und studierte an der Universität Kiel und der TU Darmstadt Physik. Für seine Doktorarbeit beschäftigte er sich bereits mit dem Thema Überwindung der Auflösungsgrenze der Elektronenmikroskopie. Nach seiner Promotion im Jahr 1987 setzte er seine Arbeit an der Korrekturtechnologie am Europäischen Molekularbiologischen Labor (EMBL) in Heidelberg fort, wo er schließlich die Elektronenmikroskop-Gruppe leitete.

Heute ist Maximilian Haider Professor für Elektronenoptik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Das Unternehmen CEOS, das er bereits 1996 mit den deutschen Physikern Harald Rose und Joachim Zach gegründet hatte und immer noch als leitender Berater unterstützt, bietet Komponenten für 90 Prozent aller heute auf dem Markt befindlichen Transmissionselektronenmikroskope an. In Zusammenarbeit mit führenden Mikroskop-Anbietern, darunter JEOL, Philips, Hitachi, Thermo Fisher Scientific und ZEISS, definiert es die Grenzen der Technologie immer wieder neu, und Forscher profitieren von noch schärferen und besseren Bildern.

Seine Erfindungen wurden mit 11 Patenten geschützt.

Über den Europäischen Erfinderpreis

Der Europäische Erfinderpreis (Link: https://www.epo.org/learning-events/european-inventor_de.html) ist einer der prestigeträchtigsten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren Erfindungen Lösungen für einige der drängendsten Probleme unserer Zeit darstellen. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury (Link: https://www.epo.org/learning-events/european-inventor/jury_de.html) bestehend aus internationalen Größen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt, welche die Vorschläge auf deren Beitrag zum technischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa hin überprüft. Der Preis wird in fünf Kategorien bei einer Gala-Veranstaltung verliehen, die dieses Jahr am 20. Juni stattfinden wird. Der Gewinner des Publikumspreises (Link: http://ots.de/lAVzdC) wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten im Vorfeld der Verleihung über ein Online-Voting auf der EPA-Website (Link: http://ots.de/Vq3Qx9) gewählt. Abgestimmt werden kann bis zum 16. Juni 2019.

Über das Europäische Patentamt

Das Europäische Patentamt (EPA / Link: https://www.epo.org/index_de.html) ist mit fast 7 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten im Patentwesen zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder auf der Grundlage einer einzelnen Patentanmeldung Patentschutz in bis zu 44 Ländern (mit einem Markt von rund 700 Millionen Menschen) erlangen. Das EPA gilt überdies als die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformation.

Weiterführendes Material zu Matthias Mann

Blick auf die Patente: EP1355666 (Link: http://ots.de/V77gN9), EP2767834 (Link: http://ots.de/mUCIDb)

Videomaterial und Fotos (Link: http://ots.de/wAYgMe)

Lesen Sie mehr über die Erfinder (Link: http://ots.de/X4BtHS)

Weiterführendes Material zu Maximilian Haider

Blick auf die Patente: EP1057204 (Link: http://ots.de/NIa2TW), EP1012866 (Link: http://ots.de/5UodcJ

Video- und Fotomaterial (Link: http://ots.de/tKdORo)

Lesen Sie mehr über den Erfinder (Link: http://ots.de/s7e7UA)

Weitere Informationen, Fotos und Videos zum Europäischen Erfinderpreis 2019 sind in der EPA-Mediathek erhältlich. Smart TV-Nutzer können unsere App „Innovation TV“ (Link: https://www.youtube.com/watch?v=rYT_BqgAVIQ) herunterladen und Videos zu allen Finalisten auf ihrem Fernseher anschauen. Die Verleihung am 20. Juni 2019 wird live auf „Innovation TV“, der EPA-Website (Link: https://www.epo.org/index_de.html) und der Facebook-Seite des EPA (Link: https://www.facebook.com/europeanpatentoffice) übertragen.

EPA-Pressekontakt

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Direktorin Externe Kommunikation

Rainer Osterwalder
Pressesprecher

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