Allg. Zeitung Mainz: Zwei Achs / Friedrich Roeingh zu Merkel in Harvard
Mainz (ots) – Ach, wenn sich Angela Merkel doch nicht nur in Harvard, nicht nur im Ausland so mitreißend vermitteln könnte. Was für eine Diskrepanz zwischen der Weltpolitikerin, die in den Vereinigten Staaten so geschätzt ist wie in China, in Europa so wie in Afrika, und der Kanzlerin der Deutschen, die sich in ihren vier Legislaturperioden stets zu wenig zu erklären vermochte. Nein, es gibt aktuell niemanden in politischer Verantwortung, der in der Welt ein solches Ansehen genießen würde. In ihrer Heimat dagegen hat es Merkel über das Wegräumen ihrer politischen Gegner und über ihr Geschick in den vielen europäischen und internationalen Krisen hinaus nie geschafft, ihre Politik hinreichend zu erläutern. Vor allem nicht ihre abrupten Schwenks. Nicht ihre gesellschaftspolitischen Öffnungen. Nicht die Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge und noch weniger die später unausweichliche Schließung der Grenzen zur Begrenzung der Flüchtlingsströme. Ach, wenn doch nur jemand in Sicht wäre, der Deutschland in der Welt so überzeugend vertreten könnte wie diese Kanzlerin. Natürlich war auch Merkel zu Beginn ihrer Kanzlerschaft nicht die Weltpolitikerin, die auch das Amt aus ihr gemacht hat. Aber ihre designierte Nachfolgerin tut zur Zeit alles dafür, die Zweifel zu nähren, ein gewisses Format je erreichen zu können. Uneitelkeit als Grundtugend reicht für einen solchen Weg jedenfalls nicht aus. Im Gegensatz zu der Angela Merkel von 2005 wirkt Annegret Kramp-Karrenbauer heute irgendwie unzeitgemäß. Und ihre Partei scheint das zu merken.
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