Mittelbayerische Zeitung: Basst scho!/Das neue Bayern-Museum erzählt in Breite und in Tiefe, was dieses sonderbare und großartige Land ausmacht. Regensburg kann sich freuen. von Marianne Sperb
Regensburg (ots) – Heimat schillert. Sie ist mehr als eine Postleitzahl, sie ist vielleicht ein Dialekt, ein Zwiebelturm, ein Lieblingsplatz am Fluss oder die bekannten Gesichter und ein „Servus“, das man im Vorbeiradeln in den Gassen seiner Stadt pflückt. In einer Welt, die wächst, sich radikal verändert und in der immer mehr Verschiedenheit zusammenkommt, ist Heimat ein gefragter und hinterfragter Mythos geworden. Das funktioniert ungefähr wie bei einem Baum, der sich stärker seiner Wurzeln versichert, je mehr er in die Höhe und in die Breite geht. In Bayern hat es die Heimat sogar zum Ministerium gebracht. Und in Regensburg bekommt der Freistaat nun auch ein Museum – ein Heimatmuseum im besten Sinn. Am Donauufer ist keine Verwahranstalt für Königskronen und Bauerntruhen entstanden, keine Ruhmeshalle für die staatstragende Selbstfeier, sondern eine Zusammenschau der Begebenheiten aus 200 Jahren, die dieses sonderbare und großartige Land ausmachen. Worauf Bayern stolz sein darf und wofür es sich schämen muss, das weiß man nach einem Rundgang durch die Ausstellung sehr viel besser – sofern man sich auf sie einlässt. Was Bayern mit der Welt zu tun hat und wie hier eines zum anderen führte, wie es zu Kriegen kam und auf welchem Boden Demokratie, Wohlstand und Kultur wachsen konnten, das wird klug, kunterbunt, immer kundig und manchmal auch krachledern und kitschig erzählt. Und weil diese Geschichte in Geschichten inszeniert ist, am Beispiel von Menschen – von König Ludwig I. bis Luise Kinseher – packt sie einen. Mit seiner Idee für ein Museum der Bayerischen Geschichte hatte Ministerpräsident Horst Seehofer im Dezember 2008 alle überrumpelt. Nach gut zehn Jahren ist aus dem Gedanken ein Gebäude geworden. Zehn Jahre, das klingt nach viel, ist aber wenig, denn die Unternehmung startete ins Ungefähre. Es gab am Anfang ja nicht nur kein Haus, sondern auch kein Konzept und keine Sammlung. Mit der Eröffnung am 4. Juni gelingt dem 88 Millionen Euro teueren Prestigeprojekt eine Punktlandung – eine respektable Seltenheit bei Vorhaben dieser Größenordnung. Neben all dem wunderbaren Welterbe und den langweiligen Wohnvierteln bekommt Regensburg endlich wieder ein Stück ehrgeiziger zeitgenössischer Architektur. Ein Teil der Bürger hat sich mit dem Haus noch nicht recht angefreundet. Viele trauern heute noch der vertanen Chance einer Stadthalle am Fluss nach. Die einen finden das Museum zu modern, die anderen zu brav. Die einen wünschen sich weniger Volumen und mehr Fenster, die anderen hätten gern eine kühne Signatur nach dem Vorbild des „Guggenheim“ in Bilbao. Das Museum bedient aber keines der Extreme und das ist für Regensburg die richtige Lösung. Der Komplex maskiert sich nicht als Haus einer früheren Zeit, er zeigt aber Respekt vor den Nachbarn. Um zu sehen, wie gut er sich einfügt, muss man nur Fotos vom monumentalen Lagerhaus anschauen, der vor 1945 hier stand. Regensburg kann sich freuen. Die Stadt verliert einen öden Parkplatz in schönster Lage und bekommt dafür eines der modernsten Museen Europas, einen Anziehungspunkt mit Strahlkraft und mit der Bavariathek auch noch ein Labor für das Lernen über Land und Leute. Auch Bayern kann sich freuen. Statt in München, wo sich so viel konzentriert, findet das Museum einen idealen Ort in der Oberpfalz, die vom Grenzland wieder zum Kernland geworden ist. Regensburg, die Schöne am Strom, frühe Residenz der bayerischen Herzöge und alte Hauptstadt Europas, war im Mittelalter eine Metropole, wörtlich: Maßstab setzend. Dass sie jetzt ein Museum bekommt, das wieder Maßstäbe setzt: Was für ein Glück!
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