Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 1. November 2019. Von ALOIS VAHRNER. „Ein Euro-Retter, der auch spaltete“.

Innsbruck (OTS) – Mario Draghi übergab gestern das Ruder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) an Christine Lagarde. Eine Bilanz mit viel Licht, aber auch Schatten.

Führende europäische Politiker haben die Verdienste des scheidenden EZB-Präsidenten Mario Draghi für den Euroraum in den höchsten Tönen gewürdigt. Für Noch-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war Draghi ein „herausragender Zentralbankpräsident, ein echter Maestro der europäischen Geldpolitik“. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sagte: „Du hast den Euro durch unruhige See navigiert.“ Draghi habe für die Menschen in Europa gehandelt, lobte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
In den acht Jahren seiner EZB-Präsidentschaft hat der heute 72-jährige Italiener die europäische Gemeinschaftswährung durch ihre schwerste Krise geführt. Mit ein paar Worten hat er die rund um die Griechenland-Krise schwer verunsicherten Märkte beruhigt: „Die EZB ist bereit, im Rahmen ihres Mandats alles zu tun, was nötig ist (,Whatever it takes’), um den Euro zu retten. Und glauben Sie mir: Es wird genug sein“, versprach Draghi im Sommer 2012. Die Eurozone zerfiel nicht, die Krisenländer wurden gerettet. Der Preis war enorm, die Märkte wurden mit Unsummen an Geld geflutet. In Draghis Ära wurden die Zinsen kein einziges Mal erhöht, im Gegenteil: Es gibt Nullzins und Negativzinsen für geparkte Gelder von Banken sowie milliardenschwere Anleihenkäufe – zur Freude von Schuldnern, allen voran der Staaten, und zum Leidwesen von Banken und vor allem auch Sparern, die allein in Österreich Jahr für Jahr Milliarden an Kaufkraft verlieren. Zuletzt hat die Kritik an Draghis ultralockerer Geldpolitik zugenommen, gerade auch innerhalb der EZB. Kritiker sehen darin seit Langem eine verbotene Staatsfinanzierung. Die Französin Lagarde ist gefordert, die Risse in der EZB zu kitten – und auch einige Korrekturen zu starten.

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