
Erste-Group-Chef Andreas Treichl auf Ö3: über sein neues Gehalt, die Position als Finanzminister und den Tod seines Bruders
Wien (OTS) – Die Übersiedlungskartons sind bereits fertig gepackt – in den nächsten Tagen bezieht Andreas Treichl, Noch-Generaldirektor der Erste Group, sein neues Büro als Aufsichtsratschef der Erste Stiftung. Im großen Abschiedsinterview in Ö3-„Frühstück bei mir“ zieht der Manager nach 22 Jahren an der Spitze der Bank Bilanz:
„Eigentlich sollte niemand so lange ein Unternehmen führen, sonst denkt man noch, man ist unverwüstlich. Es war aber eine unfassbar tolle Zeit, weil sie so unterschiedlich war.“
Wehmut ist bei dem 67-jährigen Bankenchef nicht zu spüren, im Gegenteil, er bestätigt Aufbruchsstimmung zu haben: „Ich freue mich auf die neue Tätigkeit, weil sich mein Leben verändern wird“, meinte er im Gespräch mit Ö3-Moderatorin Claudia Stöckl. „Ich nehme mir sicher mehr Zeit, um über die Zukunft nachzudenken. Ich habe in den letzten Jahren starke Meinungen zu vielen Themen entwickelt und da möchte ich auch in die Tiefe gehen. Ich möchte mit vielen Menschen auch außerhalb des Bankbereichs reden, Leuten von NGOs oder Wissenschaftlern. Es wird schon ein anderes Leben werden.“ Denn, das Wichtigste für einen guten Manager ist, laut Treichl: „Man muss immer die Kraft haben sich zu überlegen, was muss ich heute machen, damit wir in der fernen Zukunft erfolgreich sind. Das heißt nicht im nächsten oder übernächsten Jahr, sondern in zehn Jahren.“ Was er, der in manchen Jahren mit 4,4 Millionen Euro Jahresgehalt Österreichs bestverdienender Manager war, ab 2020 verdienen wird? Treichl lacht im Ö3-Gespräch: „Als Aufsichtsrat der Stiftung verdiene ich gar nichts, vielleicht ein paar tausend Euro im Jahr, ich weiß das nicht einmal. Aber ich bekomme dann Pension, die wird wohl ziemlich gut sein und ich habe ja auch angespart. Mein Vermögen steckt in meinem Haus in Leogang und in Erste-Bank-Aktien.“ Den Plan einer dreimonatigen Weltreise „mit dem Rucksack nach Bhutan, Neuseeland, Australien, Fidschi, Papua-Neuguinea“ hat er vertagt, „denn unser 18-jähriger Sohn hat im Mai Matura. Damit ist vor allem meine Frau noch sehr beschäftigt.“ Er selber habe viele Angebote von Gastprofessuren, auch in Los Angeles oder San Francisco: „Jetzt ist es noch zu früh dafür, aber ich könnte mir schon vorstellen für einige Monate ins Ausland zu gehen.“
Ob er sich vorstellen kann Finanzminister der neuen Regierung zu werden, sollte ihn Sebastian Kurz fragen? Treichl dazu auf Ö3: „Er wird mich mit 100%iger Sicherheit nicht fragen. Wir kennen uns gut und schätzen einander sehr. Dieses Verhältnis sollte man nicht riskieren, indem ich ihm als Finanzminister dienen würde, weil da die Wahrscheinlichkeit relativ hoch wäre, dass wir uns nicht verstehen würden. Ich habe mich 22 Jahre lang daran gewöhnt keinen Chef zu haben – abseits meines Aufsichtsrates – da möchte ich mich nicht mehr umstellen.“ Zu einer aktuellen Frage rund um eine mögliche Investition der Republik Österreich, nämlich weitere Anteile an den Casinos Austria zu kaufen, um eine ausländische Mehrheit zu verhindern, hat Treichl allerdings eine klare Meinung: „Warum muss ein Staat an Casinos beteiligt sein? Wenn ich Lotterie oder Glücksspiel regulieren will, dann regulier ich das so, dass möglichst wenig Unglück dadurch entsteht, aber dazu muss ich nicht daran beteiligt sein. Die zweite Frage ist das Steueraufkommen: Und da würde ich sicherstellen, dass – wem auch immer das österreichische Glücksspiel gehört, ob Lotterien oder Casinos – der aber hier in diesem Land dafür ordentlich Steuern zahlen muss. Aber auch dazu muss ich nicht beteiligt sein, sondern das kann ich auch gesetzlich festlegen.“ Für die Zukunft der Sparer/innen sieht Treichl jedenfalls „dass wir viele Jahre mit diesen niedrigen Zinsen leben müssen.“ Und er beruhigt: „Ich glaube nicht, dass wir in eine katastrophale Krise kommen in den nächsten Jahren.“
Im Ö3-Interview äußerte sich Treichl auch zum ersten Mal zum Suizid seines älteren Bruders Michael am 16. Juni 2017, dem 65. Geburtstag von Andreas Treichl: „Ich muss jeden Tag daran denken, so etwas ist sehr schwer zu verarbeiten und damit lebe ich. Aber ich lebe in Frieden damit. Man denkt natürlich immer darüber nach: ‚Wie konnte sowas passieren?‘ Und man fragt sich auch selber: ‚Hab ich was falsch gemacht? Hab ich was dazu beigetragen?‘ Aber man findet die Antwort nicht.“ Zwei Monate vor dem Tod des Bruders war dessen Schloß Parnham in der südenglischen Grafschaft Dorset abgebrannt – ob Andreas Treichl diese Tragödie im Leben seines Bruder als Grund für die Verzweiflungstat sieht? Treichl dazu: „Man weiß nicht, was passiert ist und ich bin ehrlich gestanden auch nicht sicher, ob ich es wissen will.“ Auch Depressionen wurden in den vielen Berichten der britischen Presse über den Tod von Top-Banker Michael Treichl als mögliche Ursache gehandelt. Treichl erklärt dazu: „Kann auch sein. Dann muss man sich natürlich wirklich Vorwürfe machen. Wenn das ein Krankheitsbild war, muss man sich dann selber auch fragen: ‚Du kennst ihn jetzt 65 Jahre und hast dir das nie überlegt.‘ Damit umzugehen ist jedenfalls nicht einfach.“
Ö3-„Frühstück bei mir“ – das große Interview der Woche, Persönlichkeiten ganz persönlich – jeden Sonntag von 9.00 bis 11.00 Uhr im Hitradio Ö3 und zum Nachhören auf der Ö3-Homepage.
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