Der Deutschlandchef der RTL-Gruppe zeigt auf dem Deutschen Medienkongress keine Angst vor Netflix, Apple, Google und Facebook

Frankfurt am Main (ots) – Die drei großen Probleme von RTL – und wie Bernd Reichart sie löst

Vor drei Jahren war er HORIZONT Medienmann des Jahres. An diesem Mittwoch ist Bernd Reichart als Deutschlandchef der RTL-Gruppe zum Deutschen Medienkongress nach Frankfurt gekommen, und statt mit Laudationes konfrontiert ihn HORIZONT-Chefreporter Jürgen Scharrer mit Fragen zu drei Herausforderungen: dem Untergang des linearen TV, der riesigen Konkurrenz im Streaming-Markt und der Liaison der Werbungtreibenden mit Google und Facebook.

Reichart, seit rund einem Jahr Chef der Mediengruppe RTL Deutschland, legt einen überzeugenden Auftritt hin. Seine Power kommt nicht von ungefähr: Ein Moderator nach dem anderen plaudert in der Alten Oper über das „Dschungelcamp“, was sinnbildlich für die ausgezeichneten Zuschauerquoten des RTL-Klassikers steht. Die Zahlen für 2019 sind gut, sowohl intern als auch in der Branche bekommt der neue Chef in Köln Rückenwind. Die Probleme des linearen TV, die Stärke der Investitionsgiganten Netflix und Apple, die Vorliebe der Werbekunden für Google und Co.? Reichart ist dennoch in Aufbruchsstimmung.

Problem 1: Lineares TV verliert jedes Jahr Marktanteile und Zuschauer
Für den RTL-Chef ist die Sicht auf die Dinge einfach: Die Nachfrage nach Videoinhalten explodiert, die zeit- und ortsunabhängige Nutzung nimmt zu, ebenso wie die Zahlungsbereitschaft der Nutzer. „Bewegtbild wird für Zuschauer also immer wichtiger“, folgert Reichart und forciert für die Zukunft die Koexistenz von Streaming und Broadcast.

Die Übertragung der UEFA Europa League und der Europa Conference League seien zunächst ein klassisches Broadcast-Thema, und die TV-Rechte, die ein „Schweinegeld“ gekostet hätten, seien jeden Cent wert. Gleichzeitig wolle RTL die Zuschauer in die Streamingwelt entführen, dort nach und nach die ganze Vielfalt von Bewegtbild abbilden und sich als Local Hero positionieren.

Problem 2: Im Streaming-Markt warten mit Netflix und Apple uneinholbar starke Gegner
Auch hier pocht Reichart auf die lokale Stärke von RTL. Für den Zuschauer sei Fernsehen immer auch ein Fenster zur Welt, in dem er seinen Lebensentwurf mit anderen abgleicht. „Wenn ich Dschungelcamp schaue, weiß ich, das machen noch sehr viele andere genauso.“ Das schaffe eine gesellschaftliche Identität und die Bindung an solche Formate sei sehr stark. Laut Reichart ist das bei globaler Fiction anders. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Netflix uns einmal mit einem 16-Uhr-Format Konkurrenz machen wird. Außerdem: Jedes Genre unterliegt Erfolgswellen. Was passiert, wenn globale Fiction einmal einfach nicht mehr spannend ist?“

Problem 3: Werbungtreibende sind heiß auf Google und Co und dabei relativ kritiklos
Gemeinsam mit Pro Sieben Sat 1 arbeitet RTL in der Adressable-TV-Initiative D-Force. „Wenn wir dort mit Werbungtreibenden sprechen, ist der Wunsch nach einer Alternative zu Google und Facebook groß“, sagt Reichart in Frankfurt. Es gebe jede Menge positives Feedback für eine GAFA-freie Lösung. So weit, sogar eine Kooperation mit P7S1-Streamingplattform Joyn in Erwägung zu ziehen, wollte der RTL-Chef dann aber doch nicht gehen. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie so etwas konkret, strategisch und programmplanerisch funktionieren sollte.“ Einen Hieb in Richtung OWM hatte Sympathieträger Reichart dennoch im Gepäck: „Bei einer Gattung, die immer noch ihre Brand Safety nicht im Griff hat, müsste man schon einmal etwas genauer hinschauen.“

Der Deutsche Medienkongress ist das Gipfeltreffen der Kommunikationsbranche. Zu der Veranstaltung der Fachzeitung HORIZONT (dfv Mediengruppe) treffen sich am 29. und 30. Januar 2020 wieder mehr als 700 Entscheider aus werbungtreibenden Unternehmen, Medienhäusern und Agenturen in der Frankfurter Alten Oper.

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