Jahrestag des Rana Plaza-Einsturzes: Textilarbeiter ohne Schutz vor Corona-Folgen

Frankfurt/Main (ots) – Am morgigen Freitag jährt sich der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch zum siebten Mal. Bei dem Unglück kamen über 1100 Menschen zu Tode und mehr als 2000 wurden verletzt, die meisten von ihnen schwer. Die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international unterstützt seit dem Unglück einen Gewerkschaftsbund in Bangladesch, der auch Verletzte und Hinterbliebene des Unglücks vertritt. Derzeit berichtet die Organisation von den verheerenden sozialen Folgen der Covid-19-Epidemie für die Textilarbeiter in Bangladesch.

„Der 24. April 2013 gehört zu jenen Tagen, die wir in Deutschland niemals vergessen dürfen. Er erinnert uns an die Verantwortung deutscher Unternehmer und Konsumenten für die Arbeits- und Lebensbedingungen entlang der globalen Lieferketten“, so Thomas Seibert, Menschenrechtsreferent bei medico international. Zahlreiche deutsche Unternehmen ließen in dem maroden Gebäude Kleidung produzieren und riskierten wissentlich Gesundheit und Leben der Arbeiter. Überlebende und Hinterbliebene erhielten Entschädigungszahlungen, an denen sich längst nicht alle verantwortlichen Unternehmen beteiligten.

„Heute, in der Corona-Krise, geht die Verantwortungslosigkeit in der Textilindustrie unvermindert weiter. Die Fabriken stehen still, weil internationale Auftraggeber fast sämtliche Aufträge storniert haben. Millionen Textilarbeiter wurden entlassen – ohne Lohnfortzahlung und meist ohne jede soziale Absicherung. Die Menschen in Bangladesch müssen an sechs Tagen der Woche zehn Stunden für zwei Dollar am Tag schuften. Und werden sie nicht mehr gebraucht, stößt sie der Welthandel in vollkommener Gleichgültigkeit vom einen auf den anderen Tag ins Elend. Das einzige, was dagegen hilft, wäre eine gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen zur Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten. Die Bundesregierung weiß das längst, jetzt muss endlich gehandelt werden“, so Seibert.

Mit einem Lieferketten-Gesetz wollten Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kürzlich deutsche Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte im Ausland verpflichten. Frankreich, Großbritannien und die Niederlande haben bereits entsprechende Gesetze auf den Weg gebracht. Eine Umfrage der Bundesregierung im Rahmen des „Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ hatte zuvor bestätigt: Nur ein kleiner Teil der deutschen Firmen beachtet Sorgfaltspflichten bei seinen Zulieferern im Ausland. Doch in Deutschland sind die angekündigten Pläne vorerst auf Eis gelegt – wegen der Corona-Krise.

„Die aktuelle Situation in Bangladesch zeigt, dass ein Lieferketten-Gesetz das absolute Minimum dessen ist, was menschenrechtlich geboten ist. Denn es geht um mehr, als dass den Menschen bei der Arbeit nicht das Dach über dem Kopf zusammenbricht oder sie dort hinter vergitterten Fenstern verbrennen. Auch der Schutz vor Massenentlassungen und soziale Rechte müssen gewährleistet werden. Soll die permanente Verletzung des Menschenrechts verhindert werden, muss ein solches Gesetz strafbewehrt sein und die Verantwortlichen entlang der ganzen Auftragskette treffen“, so Seibert.

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Thomas Seibert, Referent Menschenrechte
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