TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 1. Juli 2020 von Peter Nindler „Loch auf, Loch zu in den Spitälern“

Innsbruck (OTS) – Die Budgetlöcher in den Tiroler Spitälern können derzeit nur gestopft werden. Viel billiger wird das Gesundheitswesen auch künftig nicht sein, doch strukturelle Reformen und eine nachvollziehbare Finanzierung müssen endlich her.

Ein staatlich finanziertes Gesundheitssystem ist nicht nur zentrale Säule für eine funktionierende Daseinsvorsorge, sondern auch Rückhalt in der Krise. Wie jetzt wegen Corona. Unsere Spitäler haben gehalten, die medizinische Versorgung ist nicht kollabiert. Geblieben sind hingegen die Probleme in der Krankenhaus-Finanzierung. Die Problemlösung muss nach Corona allerdings aus einem völlig anderen Blickwinkel erfolgen.
Zum einen benötigt es ausreichend stationäre Kapazitäten bis hin zu lebensrettenden Intensivbetten, um von einem auf den anderen Tag in den Krisenmodus wechseln zu können. Das kostet Geld. Zugleich gilt es in den Ballungsräumen und den peripheren Regionen die Spitäler bzw. ihre Ambulanzen im Routinebetrieb zu entlasten. Doch bereits im Vorjahr, also noch vor Corona, verzeichneten Tirols Spitäler einen Rekordabgang von 96,5 Millionen Euro. Heuer kommt die Pandemie mit massiven Zusatzkosten und Einnahmenausfällen hinzu. In den Bilanzen droht deshalb ein Minus von 160 Millionen Euro. Der Ausblick auf das kommende Jahr ist ebenfalls noch ziemlich düster.
Bund, Länder und vor allem die Gemeinden als Träger der Bezirksspitäler gehen schon am finanziellen Krückstock. Natürlich wird akut mit Geld alles ausgeglichen, damit die Krankenanstalten in keine Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Damit löst die Politik aber keinesfalls das systemische Dilemma, sie schleppt es lediglich wie einen Bauchladen weiter vor sich her: Der Bund soll die Corona-Ausfälle zahlen, weil im Tiroler Gesundheitsfonds ein riesiges Loch klafft. Das Land springt wiederum beim Krankenhaus Zams ein und deckt jährlich die Abgänge bei ihren Tirol Kliniken ab. Und die Gemeinden müssen ihre Beiträge wegen der Betriebsabgänge in ihren Spitälern massiv aufstocken.
Kurzfristig gibt es wieder einmal keine andere Möglichkeit. Andererseits offenbart das Löcher-Stopfen das große Manko in der heimischen Spitalsfinanzierung und deckt die strukturellen Defizite bei der längst notwendigen Verzahnung mit den niedergelassenen Ärzten schonungslos auf. Noch dazu wird das Gesundheitswesen in Österreich aus so vielen Töpfen gespeist, weil Bund und Länder sich auf keine einheitliche Struktur einigen können. Gesundheit kostet, dass ist auch eine Lehre aus Corona. Reformen können die Kostensteigerungen nur dämpfen, trotzdem benötigt es endlich eine vorausschauende und transparente Spitalsfinanzierung. Aber keine ständige „Loch auf, Loch zu“-Politik.

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