Schein-Erfolg für den Tierschutz: Gefeierter Gesetzentwurf zum Kükentöten entpuppt sich als Verschlechterung gegenüber bestehender Rechtslage
Berlin (ots) – Der heute veröffentlichte Gesetzentwurf gegen das Kükentöten von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ist ein weiterer Versuch zur Täuschung der Öffentlichkeit. Während Klöckner den Entwurf ihres Ministeriums im Rahmen der gestrigen Pressekonferenz als Fortschritt für den Tierschutz feierte, offenbart sich der wahre Hintergrund des Gesetzentwurfs nur denjenigen, die hinter die Fassade blicken.
„Mit dem Gesetzentwurf bewirkt Klöckner eine Verschlechterung gegenüber dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 13. Juni 2019 zum Kükentöten. Denn hiernach hätte eine Beendigung dieser tierquälerischen Praxis maximal ein Jahr nach dem Urteil erfolgen müssen. Mit dem nun gefeierten Ausstieg aus dem Kükentöten bis Ende 2021 verlängert Klöckner damit das Leid der Küken in rechtswidriger Weise“, erklärt Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt.
Denn bereits im Juni 2019 erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Praxis des Kükentötens für grundsätzlich rechtswidrig. Einzig und allein der Zeitpunkt der daraus zwingend resultierenden Beendigung blieb unkonkret. Selbst die für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens verantwortliche NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser bezeichnete nach dem Urteil gegenüber dem Deutschlandfunk (https://www.deutschlandfunk.de/toetung-von-kueken-heinen-esser-jetzt-ist-genug-getestet.694.de.html?dram:article_id=451333) zwölf Monate als längste denkbare Frist.
Dass es Klöckner nicht darum geht, das Kükentöten so schnell wie möglich zu beenden, zeigen auch der Albert Schweitzer Stiftung übermittelte Unterlagen, die im Rahmen eines Informationsgesuchs beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beschafft werden konnten. Aus den Unterlagen ergibt sich, dass Klöckners Ministerium noch während des Gerichtsprozesses im Jahr 2019 eine Abschaffung des Kükentötens um jeden Preis zu verhindern versuchte. Vielmehr wies das Ministerium den Vertreter des Bundesinteresses beim Verwaltungsgericht an, wie folgt zur Erforderlichkeit des Kükentötens vorzutragen: „Diese Feststellungen lassen demnach die Einstufung des Zwecks der Kostenersparnis für die Aufzucht der männlichen Küken als vernünftigen Grund für deren Tötung seitens des Berufungsgerichts als gerechtfertigt erscheinen.“
Offensichtlich um eine sofortige Beendigung des Kükentötens als Folge des Bundesverwaltungsgerichtsprozesses zu verhindern, hat Klöckners Ministerium auch das Gericht getäuscht, indem es ihm mitteilte, Alternativverfahren seien in Kürze marktreif und verfügbar, obwohl im Ministerium längst bekannt war, dass das nicht stimmt. Auch dies ergibt sich aus den uns vorliegenden Unterlagen.
Daraus folgerte das Gericht, dass den Brütereibetreibern eine doppelte Umstellung ihrer Betriebe in so kurzer Zeit nicht zuzumuten sei. In der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil heißt es: „Bereits im Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts war absehbar, dass in näherer Zukunft eine Geschlechtsbestimmung im Ei möglich sein würde.“ Die Offenlegung der tatsächlich veranschlagten Dauer bis zur Verfügbarkeit von Alternativen bis Ende 2021 hätte demnach in jedem Fall zu einem anderen Urteil geführt und wurde daher wohl bewusst unterlassen.
Der angekündigte und heute erst veröffentlichte Gesetzesentwurf wird zudem aller Voraussicht nach nicht zu einem baldigen Verbot des Kükentötens führen. Denn bei einem Referentenentwurf erfolgt zusätzlich eine weitere Abstimmung im Kabinett, die das Verfahren deutlich in die Länge ziehen kann (s. WD 3 – 3000 – 042/17).
„Diesen Gesetzentwurf bis zur nächsten Wahl durch Kabinett, Bundesrat und Bundestag zu bringen, ist zeitlich fast unmöglich. Frau Klöckner als Polit-Profi weiß das. Sie führt die Öffentlichkeit in Sachen Tierschutz somit wieder einmal hinters Licht“, erläutert Hans-Georg Kluge, 1. Vorsitzender der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz, der im Gerichtsverfahren zum Kükentöten vor dem Bundesverwaltungsgericht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig war und selbst als früherer Staatssekretär und Landrat in NRW aus der Politik stammt.
Ein weiterer Beweis gegen Klöckners selbstgefeiertes Engagement gegen das Kükentöten: Einen Ausstieg sah der Koalitionsvertrag schon zu Mitte der Legislaturperiode vor. „Diesen Zeitpunkt hat Klöckner mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf zum Ausstieg Ende 2021 lange verstreichen lassen. Trotzdem ist sie sich nicht zu schade, ihre Arbeit als Erfolg für den Tierschutz zu verkaufen“, so Klosterhalfen.
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