Protest in Tumpen gegen Kraftwerksbau: Menschenkette fordert mehr Schutz für freie Flüsse
Umweltallianz kritisiert die Untätigkeit der Tiroler Politik – WET, WWF und Bürgerinitiative setzen ein starkes Zeichen und fordern Tabustrecken für den Wasserkraft-Ausbau
Umhausen / Innsbruck, am 3. Oktober 2020. (OTS) – Eine knapp 500 Meter lange Kette aus Menschen, Bannern, Kajaks, Rafts, Angeln und Paddeln formierte sich am Samstagvormittag direkt vor der Baustelle zum umstrittenen Kraftwerk Tumpen-Habichen im Ötztal. Im Zuge ihrer Protestaktion fordern Wildwasser-Erhalten-Tirol (WET), der WWF Österreich und die Bürgerinitiative gegen die Wasserkraftanlage Tumpen konkrete Schutzmaßnahmen für wertvolle Flusslebensräume. „Durch die Untätigkeit der Landespolitik werden die letzten Wildbäche Tirols Schritt für Schritt zerstört. Die Flussverbauung entzieht dem Wildwassersport und dem dazugehörigen Tourismus die Grundlage und belastet wertvolle Ökosysteme massiv“, sagt Organisatorin und WET-Sprecherin Marieke Vogt. „Vor exakt vier Monaten haben wir 22.800 Unterschriften gegen das Skandalprojekt Tumpen-Habichen an die zuständigen Landesräte überreicht. Geändert hat sich bisher nichts. Im Gegenteil, die Baustelle an der Ötztaler Ache wird immer größer. Zusätzlich sollen auch die Venter Ache und Gurgler Ache einem Wasserkraftprojekt zum Opfer fallen und auch das Iselsystem in Osttirol wird zunehmend verbaut.“ Mit ihrer Protestaktion fordern die Vertreterinnen und Vertreter des Naturschutzes, des Wildwassersports und der Wissenschaft wirksame Schutzgebiete und Tabustrecken, um die letzten freifließenden und ökologisch wertvollen Flüsse dauerhaft zu erhalten.
„Gerade in Zeiten der Klimakrise sind intakte Flüsse unverzichtbare Helfer gegen Dürreperioden, Überhitzung und den Kollaps unserer Ökosysteme. Anstatt Wasserkraftwerke mit allen Mitteln durchzuboxen und naturzerstörerische Projekte auch noch zu subventionieren, braucht es eine Politik, die den dauerhaften Erhalt der letzten Flussjuwele garantiert“, fordert WWF-Gewässerschutz-Expertin Marianne Götsch. „Leider missachtet die Landespolitik viel zu oft ihre eigenen Vorgaben. Das Kraftwerk Tumpen-Habichen wäre beim Kriterienkatalog für Wasserkraft in Tirol krachend durchgefallen. Dennoch wird jetzt eine Flussstrecke verbaut, die vom Land selbst als einzigartig und schützenswert eingestuft wird. Es braucht endlich eine konsequente, naturverträgliche Gesamtstrategie für den Wasserkraftausbau. Kraftwerke in Schutzgebieten und an den letzten ökologisch intakten Flüssen müssen endlich tabu sein – in Tirol sowie auch in ganz Österreich.“
Wissenschaft warnt vor den Folgen weiterer Wasserkraftwerke Flüsse zählen zu den am stärksten vom Artensterben betroffenen Lebensräumen. In ganz Österreich haben jahrzehntelange Fehlentwicklungen diese Ökosysteme stark beschädigt, was zu einem drastischen Artenrückgang geführt hat. „Auch, wenn wir durch lokale Renaturierungen und die Verbesserung der Wasserqualität Erfolge verbuchen konnten, gelten in Österreich rund 60 Prozent der heimischen Fischarten als gefährdet, stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht. Nur noch 15 Prozent der Flüsse sind ökologisch intakt. Einer der Hauptfaktoren dafür ist der extrem hohe Ausbaugrad der Wasserkraft. Der damit verbundene Lebensraumverlust sowie Kontinuums-Unterbrechungen setzen der Biodiversität massiv zu und gefährden mühsam errungene Erfolge“, sagt Univ. Prof. Gabriel Singer, Gewässerökologe von der Universität Innsbruck, der die Protestaktion im Ötztal unterstützt. „Der Ausbau der Erneuerbaren muss in Zukunft naturverträglich vorangehen. Ansonsten drohen stets neue Belastungen für die bereits stark geschädigte Biodiversität und Morphologie in unseren Fließgewässern.“
„Mit der Ausleitung der Achstürze, der Gefällestufe zwischen Tumpen und Habichen, würde ein in Tirol einzigartiger Gewässerabschnitt für immer verloren gehen“, sagt Alfred Kuen, von der Bürgerinitiative gegen die Wasserkraftanlage Tumpen-Habichen:
„Seit zwölf Jahren bringen wir unsere Bedenken gegenüber diesem Kraftwerk, das mitten in einem Murengebiet liegt, vor. Und immer wieder werden sie von der Politik beiseite gewischt. Nachdem im Frühjahr ohne Vorankündigung die Bagger aufgefahren sind, wurde uns gesagt, dass nur gebaut wird, um einen alten Bescheid nicht zu verlieren. Sechs Monate später sehen wir, dass sich die Baustelle für das Kraftwerk mittlerweile über zwei Ortschaften erstreckt. Dieser Umgang mit der Natur und den Sorgen der eigenen Bevölkerung muss sich endlich ändern. Wenn durch den Rückstau des Kraftwerks Murenabgänge zu Überflutungen führen, sind wir Dorfbewohner auf uns alleine gestellt.“
Fotodownloads und Hintergrundinfos: [https://tinyurl.com/yy3gyxlu] (https://tinyurl.com/yy3gyxlu)
Vincent Sufiyan, WWF-Pressesprecher, Tel. 0676 83 488 308, E-Mail: vincent.sufiyan@wwf.at
Marianne Götsch, WWF-Gewässerschutz-Sprecherin, Tel. 0676 83 488 309, E-Mail: marianne.goetsch@wwf.at
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