Stadtarchäologie Wien: Grabungen am Frankhplatz bringen neue Erkenntnisse zutage

Kaup-Hasler: „Geschichtsschreibung findet laufend statt“

Wien (OTS) – Für die neue U5-Station Frankhplatz begannen bereits im Sommer 2020 archäologische Grabungen, dabei sind Spuren von fast 2000 Jahren Stadtgeschichte zum Vorschein gekommen. Die Stadtarchäologie Wien und der archäologische Dienstleister Novetus haben Reste eines römischen Hauses, mittelalterliche Keller und mächtige Mauern der Alser Kaserne ausgegraben.

Die Aufgabe der ArchäologInnen ist es, Funktion und zeitliche Abfolge der vielen Mauerreste und Gruben zu erkennen und bauliche Strukturen zu rekonstruieren. Gegraben wird stratigrafisch, das heißt Schicht für Schicht wird vorsichtig von Hand abgetragen. Jede freigelegte Schicht, jedes Objekt wird beschrieben, fotografiert und vermessen. Die darin enthaltenen Funde werden geborgen, denn sie sind wichtig für die Datierung und für Fragen der Nutzung.

„Mauern, Gräber, Scherben oder Knochen, Objekte des täglichen Bedarfs: Mit jedem freigelegten Fundstück erhalten wir neue Kenntnis, die unsere Vergangenheit erhellt, neu arrangiert und bewertet“, betont Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler „Dem Team der Stadtarchäologie Wien kann gar nicht genug gedankt werden, dass es seit Jahrzehnten unermüdlich unseren geschichtsträchtigen Boden erforscht und uns immer wieder mit Erkenntnissen überrascht, die Rückschlüsse über Lebens- und Bauweisen, Gesellschaftsformen, Siedlungsentwicklung und viel mehr zulassen. Geschichtsschreibung findet laufend statt, mit jedem Fund, jedem Gegenstand erfahren wir mehr über uns“.

Römerzeit: Lagervorstadt größer als gedacht

Die Alser Straße ist eine geschichtsträchtige Verkehrsverbindung. Schon in der Römerzeit verlief hier ein wichtiger Fernweg, der vom Legionslager Vindobona nicht nur zu den Ziegeleien (Hernals), sondern auch weiter in Richtung Auxiliarkastell Comagenis (Tulln) führte.

Bislang war nur bekannt, dass sich in der Spätantike entlang dieser Straße ein Gräberfeld erstreckte. Am Frankhplatz kam nun mehr zutage, als die ArchäologInnen erwartet hatten: Entdeckt wurde das Steinfundament eines zur Straße orientierten Hauses, dessen Funktion bislang noch offen ist. Auch Überreste zweier Öfen (wahrscheinlich Töpferöfen) und Gräbchen als Spuren von Zäunen wurden freigelegt. Diese Siedlungsreste sind älter als das Gräberfeld und stammen vermutlich aus der Zeit vom Ende des 1. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. Wichtig sind sie vor allem deshalb, weil sie zeigen, dass die Lagervorstadt (canabae legionis) rund um das Legionslager flächenmäßig weitaus größer dimensioniert war als bisher angenommen:
Ein Puzzlestein, der das bislang bekannte Siedlungsbild der Römerzeit in Richtung Westen erweitert.

Mittelalter: Alser Straße Anfang 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt

Im Jahr 1211 wurde die Alser Straße erstmals in einer Urkunde genannt. Gleichzeitig mit der Stadterweiterung von Wien und dem Bau einer Stadtbefestigung am Ende des 12. bzw. zu Beginn des 13. Jahrhunderts, entstanden vor den Stadttoren bereits Ansiedlungen, sogenannte Vorstädte. Sie waren in wirtschaftlicher Hinsicht für die Nahversorgung der Stadt von großer Bedeutung. In der Vorstadt vor dem Schottentor, zu der wohl auch die Gegend um den Frankhplatz gehörte, sind für das 13. Jahrhundert bereits ein Nonnenkloster, Ziegelöfen und ein Siechenhaus überliefert. Genaue historische Pläne aus dem Mittelalter liegen aber nicht vor. Auf der Rundansicht von Niklas Meldeman von 1529/1530 ist die „Vorstadt zwischen den zwei Mauern“ vor dem Schottentor dargestellt.

Das ArchäologInnen-Team legte nun mehrere Kellerräume frei. Erstmals konnten somit Grundrisse mittelalterlicher, zur Alser Straße ausgerichteter Häuser der Vorstadt dokumentiert werden. Sie geben somit wichtige Hinweise auf die Ausdehnung der Besiedlung an der Alser Straße vor dem Schottentor im späten Mittelalter.

Neuzeit

Das Areal des Frankhplatzes lag nach dem Bau der Wiener
Festungsanlagen im 16. Jahrhundert nahe dem Glacis, dem freien Feld
vor dem Festungsgraben. Anhand von Plänen aus dem 18./19. Jahrhundert
war klar, dass die Ausgrabungsfläche die südöstliche Ecke der
einstigen, 1912 demolierten Alser Kaserne betreffen würde. Mächtige
Mauern und Kellerräume der Kaserne konnten gleich zu Beginn der
Ausgrabung aufgedeckt werden.

Die Alser Kaserne wurde von 1751 bis 1753 erbaut, wies drei Obergeschoße und zumindest einen großen Innenhof für Appelle auf. Verschiedene Infanterieregimenter waren hier im Lauf der Zeit untergebracht. Die sog. Kasernentransaktion von 1891 bedeutete, Kasernen innerhalb des Linienwalls aufzulassen. Diese entsprachen nicht mehr den militärischen Erfordernissen, auf ihren Arealen sollten neue Wohnbauten entstehen. Die in der Alser Kaserne stationierten zwei Infanterieregimenter übersiedelten 1912 in andere Kasernen, das Gebäude wurde abgebrochen.

Mauerreste als Zitat der Stadtgeschichte

Teile der freigelegten Mauerreste sollen konserviert und für die Öffentlichkeit dauerhaft sichtbar gemacht werden. Bauliche und technische Möglichkeiten werden von einem ExpertInnenteam dahingehend geprüft.

Barbara Wieser
Pressesprecherin
Stadtarchäologie Wien
Tel: +43 1 4000 81180
barbara.wieser@stadtarchaeologie.at

Renate Rapf
Mediensprecherin StRin Mag.a Veronica Kaup-Hasler
4000-81175
renate.rapf@wien.gv.at
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