4. Wiener Gemeinderat (2)
Aktuelle Stunde
Wien (OTS/RK) – Das Thema der Aktuellen Stunde hatten die NEOS eingebracht. Es lautete: „Der Kindergarten als erste Sprosse auf der Chancenleiter – neue Initiativen für die Elementarpädagogik“.
GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc (NEOS) eröffnete die Debatte. Sie erinnerte an den Tag der Elementarpädagogik, der vor kurzem mit vielen Aktionen gefeiert worden sei. „Danke sagen ist gut und wichtig, wird den Herausforderungen aber nicht gerecht“, sagte Emmerling. In Wien werde der Kindergarten als erste Bildungseinrichtung gesehen, hier passiere die „wirkungsvollste Förderung“; im Kleinkindalter werde die Basis für Bildungserfolg und Lebenserfolg gelegt. Diese Förderung im Kindergarten sei besonders für jene wichtig, die im Elternhaus nicht stark genug unterstützt werden können, so Emmerling. Sie zeigte sich stolz über den Ausbau der Kindergartenplätze, die wenigen Schließtage und lange Öffnungszeiten der Kindergärten in Wien. „Das österreichische Bildungssystem hat viele Baustellen, bei der Elementarpädagogik gibt es besonders viel Nachholbedarf“, kritisierte Emmerling. Es brauche mehr Raum, kleinere Gruppen, und mehr Personal. Ziel müssten Gruppen-Größen von sieben bis acht Kindern im Kindergarten und 16 Kindern in Kleinkindgruppen sein, dafür müsste die Zahl der PädagogInnen allerdings verdoppelt werden. „Ohne mehr Budget bleibt das ein realitätsfremder Wunsch“, sagte Emmerling. Wien setze erste Schritte, leiste einen Beitrag, damit sich mehr Menschen für den Beruf der Elementarpädagogin oder dem Elementarpädagogen entscheiden und diesen „anerkannt und wertgeschätzt“ auch möglichst lange ausüben. Ein Hebel dafür sei laut Emmerling das Verdoppeln der Zahl und der Stunden der Assistenzkräfte – in Wien werde es künftig in jeder Kindergartengruppe eine Pädagogin oder Pädagogen und eine Person, die deren Arbeit unterstützt, geben. Außerdem werde die Stadtregierung die Sprachförderkräfte von 300 auf 500 aufstocken. Sprachförderung dürfe nicht mehr als Defizit gesehen werden, vielmehr müsse Mehrsprachigkeit „als Schatz gehoben“ werden, so Emmerling. Wien sei das erste Bundesland mit einem professionellen Standard für Sprachförderung.
StR Dominik Nepp, MA (FPÖ) kritisierte die NEOS: Diese würden sich „freuen wie ein Hutschpferd“, dass sie mitregieren können, und würden jetzt mithelfen, „ein fehlerhaftes Bildungssystem in Wien weiter zu festigen“, welches sie bisher „zu recht kritisiert“ hätten. Das Thema der Aktuellen Stunde sei nicht das dringendste Problem im Bildungssystem. Schulen und Kindergärten hätten derzeit geschlossen, es müsse Priorität sein, diese wieder zu öffnen. Kinder und Familien litten unter dem Lockdown: „Kinder vereinsamen, Eltern verzweifeln, bei allen Bemühungen der Lehrer funktioniert Home Schooling nicht“, so Nepp. Er hatte gehofft, dass sich Wien „vielleicht als Gegenpart zum Bund dafür einsetzt, um Schulen wieder zu öffnen“ – dem sei aber nicht so. Nepp kritisierte das Mittragen der Stadtregierung der Maßnahmen des Bundes; der Lockdown müsse beendet werden.
GR Felix Stadler, BSc (Grüne) sagte, „die beste Sprossenleiter oder Startrampe bringt nichts, wenn wir die Startrampe mit 12 Jahren kappen und Kinder, die in Wien geboren sind und hier zur Schule gegangen sind, in Länder abschieben, die sie gar nicht kennen.“ Die Abschiebung von Schülerinnen aus dem 10. Bezirk und 1. Bezirk, die vergangene Nacht durchgeführt worden sei, sei eine „unmenschliche Praxis“. „Wir werden alles daran setzten, dass diese Politik nicht fortgesetzt wird, sondern etwas verändern“, meinte der Grünen-Gemeinderat Richtung Bund. Im Gemeinderat werde oft darüber debattiert, „was es bei der Elementarpädagogik braucht, zum Beispiel Betreuungsverhältnis, Halbierung der Gruppen-Große und die Verdoppelung der Zahl der Pädagoginnen“, sagte Stadler. Im Koalitionsabkommen finde sich allerdings wenig zu all diesen Maßnahmen – eine bessere Entlohnung von Pädagoginnen und Pädagogen werde überhaupt nicht angesprochen. In Wien stehe die SPÖ auch in der Koalition mit den NEOS „auf der Bremse bei Bildung und Chancengleichheit“, so Stadler: Die Bürgermeister-Partei sei wohl der Meinung, „es geht nicht besser als Wien – aber tatsächlich ist mehr möglich.“
GR Harald Zierfuß (ÖVP) forderte „mehr Qualität und nicht nur Quantität“ bei der Kinderbetreuung. Das Regierungsprogramm gebe keinen Anlass zu glauben, dass sich das in den nächsten fünf Jahren ändern werde, so Zierfuß. Der Ausbau der Sprachförderung sei wichtig, 500 statt 300 Sprachkräfte seien ein erster Schritt in die richtige Richtung, ebenso die angekündigte Aufstockung der Assistenzkräfte – jedoch brauche es darüber hinaus mehr Fachkräfte und kleinere Gruppen. Der Beruf des Elementarpädagogen oder der Elementarpädagogin müsse attraktiver werden – auch für Umsteigerinnen oder Umsteiger, forderte Zierfuß. Viele Absolventen der Bafep21 würden überhaupt nicht mit dem Beruf anfangen. Er kritisierte ein Ungleichgewicht bei der Finanzierung eines Platzes in einem städtische Kindergärten im Vergleich zu einem Betreuungsplatz bei einem privaten Träger, das führe zu Konkurrenz zwischen privaten und städtischen Kindergärten.
GR Mag. Marcus Gremel (SPÖ) warnte vor dem Auseinanderdividieren von privaten und städtischen Trägern. Er betonte, dass Kindergärten nicht nur Betreuungseinrichtung, sondern erste Bildungseinrichtung im Leben eines Kindes seien. Außerdem sei ein dichtes Netz an Kinderbetreuungseinrichtungen wichtig für Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Familien sind darauf angewiesen“, sagte Gremel. Weil finanzielle Ressourcen nicht unendlich vorhanden seien, bestehe die Herausforderung darin, allen Kindern einen Platz zu bieten, die ihn brauchen, und das auch in bester Qualität. Daran müssten Bund und Länder gemeinsam arbeiten. Wien stockt die Zahl der Sprachförderkräfte auf, verdopple Assistenzstunden, und baue die Plätze bei unter Drei-Jährigen aus, sagte Gremel. Die Bundesregierung hätte sich jetzt durchgerungen, die Pädagoginnen-Ausbildung um einen Kolleg-Kurs zu erweitern und sei damit einer Forderung Wiens nachgekommen. Gremel kritisierte die Asylpolitik der Bundesregierung und deren Umgang mit Kinderrechten: Die Abschiebung von Kindern in der Pandemie sei „wirklich beschämend“. Er erinnerte an das humanitäre Bleiberecht – „was heute Nacht passiert ist, hat nichts mit christlichen Werten und Nächstenliebe zu tun.“ Abschließend dankte er den Mitarbeterinnen und Mitarbeitern in den Kindergärten:
„Sie haben in der Pandemie großartiges geleistet, und ermöglicht, dass Eltern ihrem Beruf nachgehen können.“
GR Maximilian Krauss (FPÖ) meinte zur Abschiebung von Kindern: Es gebe einen Rechtsstaat, es sei „gut und richtig, dass Abschiebungen passieren“. Der Innenminister hätte es aber nicht geschafft „Islamisten abzuschieben, Gewalttäter in den Griff zu bekommen – aber beim Abschieben von Familien zeigt er die volle Härte“. Es herrsche weitgehend Konsens, dass Kindergärten eine wichtige Einrichtung seien und Pädagoginnen und Pädagogen eine wichtige Stellung hätten, die mehr Wertschätzung erfahren müsse. Im rot-pinken Regierungsübereinkommen fänden sich dazu allerdings nur „Aneinanderreihungen von Binsenweisheiten, keine innovativen Konzepte, finanzielle Planungen“. Er kritisierte den Wiener Bildungsplan, der Themen wie Gender-Mainstreaming oder „Frühsexualisierung“ von Kindern behandle. Der Bildungsplan hätte schon längst überarbeitet werden müssen, so Krauss: „Sexualpädagogik in Niederösterreich stellt zum Beispiel Missbrauchs-Prävention in den Vordergrund, in Wien hingegen wird das Geschlecht von Kindern in Frage gestellt“. Kinder bräuchten sozialen Kontakt, es sei unverständlich warum Kindergärten und Schulen in Wien trotz sinkender Pandemie-Zahlen weiter geschlossen seien. Die Schließung werde sich „katastrophal“ auf die Entwicklung der Kinder auswirken. Pädagogen seien neuem Druck ausgesetzt, meinte Krauss. Hier müsse die Stadt Zeichen setzten, zum Beispiel mit mehr Lohn – eine Gehaltserhöhung sei Laut Regierungsabkommen aber nicht geplant. Mehrsprachigkeit sei in vielen Fällen etwas Gutes, „es kann aber nicht sein, wie wir uns an Menschen anpassen, die zugewandert sind“, so Krauss. Dolmetscher bei Eltern seien falscher Ansatz.
GRin Mag. Angelika Pipal-Leixner, MBA (NEOS) erzählte von ihren Kindern und den Erfahrungen im Lockdown mit Home-Office und Home Schooling: Soziales Lernen mit anderen Kindern kann nicht von den Eltern vermittelt werden, überhaupt sei Home Office und Home Schooling unvereinbar. „Es ist unmöglich im Home Office mit Kindern zu arbeiten. Der Bundeskanzler insinuiert, dass es falsch ist, Kinder in Betreuung zu geben. Es ist kein persönliches Versagen, wenn Eltern ihre Kinder in Betreuung zu geben“, betonte Pipal-Leixner. Die Rollenverteilung ändere sich auch im Lockdown nicht, meist trügen die Frauen die Hauptlast bei Kinderbetreuung und Haushalt – auch neben dem Job. Pipal-Lexner betonte, dass es wichtig sei, dass Bildungseirichtungen – mit allen Sicherheitsvorkehrungen – für jene offen sind, die es brauchen.
GRin Mag. Mag. Julia Malle (Grüne) zeigte sich „entsetzt über die unmenschliche Abschiedung“, welche „letzte Nacht passiert ist“. Die Grünen hätten niemals für eine Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts gestimmt; die SPÖ müsse ihre „Scheinheiligkeit“ beenden, sagte Malle, „setzen wir uns besser zusammen und beenden wir diese unerträglichen Zustände“. Zu den Kindergärten als „erste Sprosse auf der Chancenleiter“ meinte Malle: Was die Mehrsprachigkeit betreffe, hoffe Malle auf mehr Einsatz der NEOS – „ich erkenne da keinen Fokus in Ihrem Regierungsprogramm“, die Deutsch-Förderung stehe im Vordergrund, aber es brauche „sinnvolle Maßnahmen im Sinne der Sprachförderung, auch was Familiensprachen betrifft“. Im Kindergartenalter seien Kinder am empfänglichsten für das Erlernen einer neuen Sprache, und „Mehrsprachigkeit“ sei nicht zuletzt erklärtes Ziel der EU. In Wien fehle es an qualifiziertem Personal für die Sprachförderung, kritisierte Malle, denn „es braucht sprachliche Vorbilder in jedem Kindergarten“. In Wien „geht noch mehr“; die NEOS seien in der Koalition mit der SPÖ „auf dem Boden der Realpolitik“ angekommen, schloss Malle.
GRin Silvia Janoch (ÖVP) sprach davon, selbst ausgebildete Elementarpädagogin zu sein, „ich komme direkt aus der Praxis“. Es brauche „mehr Wertschätzung, auch für private Träger“, forderte Janoch. Die finanzielle Unterstützung für Familien während der Corona-Pandemie sei zu begrüßen; die Stadt-Regierung habe das aber zuerst an Medien kommuniziert, anstatt die Betreiber zu informieren. Das widerspreche der „ehrlichen Zusammenarbeit mit Institutionen und Familien“, und sei „reine Publicity“. Eltern seien verärgert, weil Kindergarten-Betreiber „bis zur heutigen Stunde“ keine konkreten Informationen der Stadt bekommen hätten und diese an Eltern weitergeben können. Wiens Bildungspolitik müsse „Parallelgesellschaften“ durchbrechen, meinte Janoch. Sie forderte eine „deutliche Aufstockung“ der Kontrolleinrichtungen und ein Durchleuchten der Finanzierungen von privaten Betreibern, um dem Entstehen von „Parallelgesellschaften“ entgegen zu wirken.
GR Christian Oxonitsch (SPÖ) kritisierte die FPÖ: Von den Freiheitlichen kämen keine „konkreten Vorschläge“, Vergleiche mit Ländern wie Finnland hätten die Freiheitlichen unvollständig dargestellt. Wien habe als einziges Bundesland eine eigene Ausbildungsstätte für ElementarpädagogInnen (mit der Bafep21, Anm.), das sei „Vorbild für andere Bundesländer“; genauso wie der beitragsfreie Kindergarten. Wien habe in den vergangenen zehn Jahren „ein beispielloses Ausbauprogramm“ – im Vergleich zu anderen Bundesländern – vorangetrieben, mit wenigen Sperrtagen und einer ganztägigen Betreuung in Kindergärten. Dazu seien „neue, eigene Ausbildungsmodelle“ zum Elementarpädagogen gekommen, bekräftigte Oxonitsch, und die neue Stadtregierung setze „weitere Schritte zur Steigerung der Qualität“ in der Ausbildung von Elementarpädagoginnen und –pädagogen. „Machen wir das doch in allen Bundesländern, dann haben wir den Personalmangel rasch behoben“. „Bildungs-Innovation“ in Wien passiere aber auch in der Schule, etwa mit dem Wiener Campus-Modell – „das hat große Tradition in Wien“. (Forts.) ato/esl
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