TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 1. Juni 2021 von Manfred Mitterwachauer „Wider den nächsten Wohn-Schmäh“
Innsbruck (OTS) – Schwarz-Grün wird dem Land morgen ein neues Wohn-Paket zimmern. Und als Erfolg verkaufen. Dabei ist dieses auch das Eingeständnis der eigenen Wortbrüchigkeit. Tirol entfernt sich jedenfalls immer mehr vom leistbaren Wohnen.
Dass die Koalition aus ÖVP und Grünen aus heiterem Himmel eine Mini-Klausur ansetzt, macht argwöhnisch. Besonders dann, wenn es um nichts Geringeres geht als einen von zwei deklarierten Arbeitsschwerpunkten der laufenden Amtszeit: das leistbare Wohnen. Diese „Pop-up-Klausur“ soll Hebamme für ein neues, zweites Wohn-Paket sein. Dabei ist sein älterer Bruder noch nicht einmal seinen Windeln entwachsen. Das, was bisher über den geplanten Output bekannt ist, lässt eines befürchten: Die Verpackung zählt mehr als der Inhalt. Es war im Jänner 2019, als Landeshauptmann Günther Platter und Co. das erste Wohn-Paket fixierten. Eines, das laut Definition der damals präsentierenden VP- und Grünen-Politiker u. a. mit „Tabubrüchen“ aufwarten und die „größte Novelle seit 25 Jahren“ sein sollte. Ein Paket, welches das Wohnen in Tirol wieder günstiger machen sollte. Was folgte, war nur leider das genaue Gegenteil: Noch nie war Bauen, Wohnen und Mieten in Tirol so teuer wie aktuell. Die Preisspirale dreht sich immer schneller. Und wirft all jene ab, die nicht reich geerbt haben bzw. sich über Generationen verschulden wollen oder – pandemiebedingt – sich mit Schnelltests aktuell eine goldene Nase verdienen.
Zeit – darum bat Schwarz-Grün in den vergangenen Monaten immer dann, wenn an der Effektivität des ersten Wohn-Pakets gezweifelt wurde. Diese Reformen könnten nicht von heute auf morgen wirken. Das brauche Jahre. Natürlich spielen externe Faktoren (etwa die Zinspolitik) eine Rolle. Und ebenso sind kontinuierliche Adaptionen politisch nicht per se schlecht. Dennoch gleicht das jetzige, überfallsartige Feilen an einem neuen Paket einem Schuss ins eigene Regierungs-Knie. Denn entweder glaubt man selbst nicht mehr an den Erfolg des ersten „Jahrhundertwurfs“. Oder man muss sich die Frage gefallen lassen, wieso die nunmehr diskutierten Punkte nicht bereits 2019 beschlossen worden sind.
Zudem wächst auch landhausintern der Unmut darüber, dass noch nicht einmal alle Punkte des ersten Pakets abgearbeitet sind. Allen voran im Grundverkehr. Interessentenmodell im Baulandgrundverkehr? Verhinderung des spekulativen Eigentumerwerbs im grünen Grundverkehr? Verkündet, aber dann versandet. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, Platter habe die Agenden seines Vizes und Bauernbundobmanns Josef Geisler zum politischen Natura-2000-Gebiet erklärt. Motto:
Hände weg!
Die Landesregierung hat der Bevölkerung leistbareres Wohnen versprochen. Aus heutiger Sicht ein lupenreiner Wohn-Schmäh. Und der nächste könnte nun bereits an die Tür klopfen.
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