Vom Zillertal bis zum Donaukanal: ÖAW fördert neun Forschungsprojekte zum Kulturerbe
Graffiti, Schubert-Handschriften, Hörbriefe – eine neu geschaffene Förderung der Akademie unterstützt die Erforschung des materiellen kulturellen Erbes mit 4,5 Millionen Euro.
Wien (OTS) – Graffiti sind mehr als ein bunter Gegenentwurf zu grauen Betonwänden. Die gesprayten Wandbilder stellen auch eine kurzlebige Form des Kulturerbes dar. Welche gesellschaftspolitischen Diskurse auf der 6,6 Kilometer langen Graffiti-Strecke am Donaukanal in Wien angesprochen werden und wie Street Art als kulturelle Ausdrucksform systematisch dokumentiert werden kann, das untersucht jetzt ein interdisziplinäres Forschungsprojekt. Es ist eines von neun Forschungsvorhaben, das im Rahmen der ersten österreichweiten Ausschreibung des Förderprogramms „Heritage Science Austria“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ausgewählt wurde.
Doch nicht nur Graffiti, auch frühe Wiener Daguerreotypien, römerzeitliche Steindenkmäler der Donauprovinzen oder die Halbedelsteine-Industrie im Zillertal des 18. Jahrhunderts sind Teil unseres materiellen kulturellen Erbes. Deren Erforschung wird nun mithilfe der ÖAW unterstützt. Denn viele dieser Kulturgüter sind bisher noch wenig beleuchtet, kaum digitalisiert und archiviert. Die sogenannte „Heritage Science“ setzt dabei stark auf die Zusammenarbeit geisteswissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Disziplinen. Ein interdisziplinärer Zugang, der auch für die neuen ÖAW-Förderungen, die aus Mitteln der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung finanziert werden, zentral ist: Es ist das erste Förderprogramm dieser Art in Österreich, das damit auch ein bisherige Lücke in der Förderlandschaft schließt.
Franz Schuberts Manuskripte und WhatsApp-Nachrichten der Grammophonzeit
Mithilfe der Heritage Science Förderungen sollen zum Beispiel neue Erkenntnisse zu den Musikhandschriften Franz Schuberts gewonnen werden, denen sich eines der neun Projekte widmet. Mit neuen Bildgebungsverfahren wird die Datierung der Schubert’schen Manuskripte untersucht. Denn: Nicht allein das handschriftliche Notat, sondern auch die Beschaffenheit des beschriebenen Papiers sowie die beim Herstellungsprozess ins Papier eingeprägten Wasserzeichen halten Informationen zur Quellengeschichte bereit. So werden etwa Algorithmen entwickelt, die den Transfer von handschriftlich erstellten Wasserzeichenpausen zu thermographischen Aufnahmen vornehmen – und dabei die Schere zwischen analog und digital erhobenen Ausgangsdaten überbrücken.
Nicht mit dem Papier, sondern mit anderen Formen von „Tonträgern“ befasst sich ein Projekt zu historischen „Hörbriefen“. Bereits seit der Wende zum 20. Jahrhundert wurden gesprochene Briefe aufgenommen und über weite Entfernungen verschickt. Was heute die WhatsApp-Sprachnachricht ist, war damals eine Stimmaufnahme mit dem Grammophon. Mit der Erfindung der Kompaktkassette in den 1960er-Jahren wurde diese Form der Informationsweitergabe leistbar und massentauglich, Hörbriefe zum Beispiel von Menschen in prekären und Migrationskontexten genutzt und per Post an ihre Liebsten verschickt. Interdisziplinär ist auch dieses Forschungsprojekt angelegt, indem es das Methodenrepertoire aus der Konservierungs-und Restaurierungsforschung, den Kulturwissenschaften und der Mediengeschichte miteinander vereint.
Über 100 Forschungsprojekte eingereicht
Das 2020 von der ÖAW ausgeschriebene Förderprogramm stieß auf eine erfreulich hohe Resonanz. Aus mehr als 100 Anträgen hat sich eine international hochkarätig besetzte Jury für insgesamt neun Teams von Wissenschaftler/innen an Museen, Bibliotheken, Universitäten und weiteren Forschungs- und Kulturinstitutionen entschieden. Einzelne Forschungsvorhaben werden mit maximal 580.000 Euro gefördert, die Gesamtfördersumme ist 4,5 Millionen Euro. Die Dauer der Förderung beträgt bis zu vier Jahre. Alle neuen Erkenntnisse aus den geförderten Projekten werden Open Access auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Alle Projekte im Überblick
Pretty in pink? New restoration treatments to mitigate salt crystallisations and pink discolouration in historic buildings and monitoring of their effectiveness through „omic“ analysis. Projektleiter/innen: Guadalupe Piñar (Universität für Bodenkultur Wien), Alexandra Graf (FH Campus Wien), Beate Sipek (Akademie der Bildenden Künste Wien)
INventory and DIsseminate Graffiti along the Donaukanal Projektleiter/innen: Geert Verhoeven (Ludwig Boltzmann Institute for Archaeological Prospection and Virtual Archaeology), Norbert Pfeifer (TU Wien)
Colours revealed – Polychromy of Roman Monuments in the Danubian Provinces
Projektleiter/innen: Gabrielle Kremer (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Eduard Pollhammer, (Landessammlungen Niederösterreich), Georg Plattner (Kunsthistorisches Museum Wien), Robert Linke (Bundesdenkmalamt)
Modelling the impact of future climate change on museum pests -insects and fungi
Projektleiter/innen: Pascal Querner (Naturhistorisches Museum Wien), Katja Sterflinger (Akademie der Bildenden Künste Wien)
Life and Death at the Danube-Limes. The Cemeteries of Lauriacum/Enns
Projektleiter/innen: Felix Lang (Universität Salzburg), Lisa Huber (Universität Salzburg), Maria Marschler (Naturhistorisches Museum Wien), Andrea Stadlmayr (Naturhistorisches Museum Wien), Stefan Traxler (OÖ Landes-Kultur GmbH)
The impact of early photography and electrotyping media on the creation of images and contemporary art
Projektleiter/innen: Valentina Ljubić Tobisch (TU Wien), Anna Artaker (Akademie der Bildenden Künste Wien), Wolfgang Kautek (Universität Wien)
Digitization, Recognition and Automated Clustering of Watermarks in the Music Manuscripts of Franz Schubert
Projektleiter/innen: Katharina Loose-Einfalt (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Günther Koliander, (Österreichische Akademie der Wissenschaften), Andrea Lindmayr-Brandl (Universität Salzburg)
Sonic Memories. Audio Letters in Times of Migration and Mobility Projektleiter/innen: Eva Hallama (Technisches Museum Wien), Katrin Abromeit (Österreichische Akademie der Wissenschaften)
Garnet from the Ziller Valley – Cultural heritage of an East Alpine semi-precious stone industry as reflected in interdisciplinary research
Projektleiter/innen: Gert Goldenberg (Universität Innsbruck), Peter Tropper (Universität Innsbruck), Gunda Barth-Scalmani (Universität Innsbruck), Gertraud Zeindl (Tiroler Landesarchiv) Katharina Weiskopf (Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen)
Österreichische Akademie der Wissenschaften
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