Commerzialbank Mattersburg: Gläubiger fordern 826 Millionen Euro

Finanzbehörde will 59 Millionen Euro Kapitalertragsteuer für „gestohlene“ Millionen

Eisenstadt (OTS) – Im Insolvenzverfahren der Commerzialbank Mattersburg haben aktuell 409 Gläubiger Forderungen von 826 Millionen Euro angemeldet. Anerkannt sind bislang 629 Millionen Euro Dazu kommen noch anerkannte Arbeitnehmerforderungen von 3,1 Millionen. Der Stand der Überschuldung hat sich seit Oktober vergangenen Jahres nicht wesentlich geändert und beträgt – nach Bereinigung um Malversationen – rund 700 Millionen Euro. In den Schuldenregulierungsverfahren gegen die beiden Ex-Vorstände Martin Pucher und Franziska Klikovits hat die Masse Forderungen von jeweils mehr als 413 Millionen Euro angemeldet.

Dies berichteten die Masseverwalter, Gerwald Holper und Michael Lentsch (Kosch & Partner Rechtsanwälte), heute, Montag, bei der sechsten Gläubigerausschusssitzung am Landesgericht Eisenstadt. Neben den Schadenersatzklagen gegen die Republik Österreich (303 Millionen Euro) und den Wirtschaftsprüfer TPA befindet sich die Masse wegen weiterer mehr als 59 Millionen Euro in einer Auseinandersetzung mit der Finanzbehörde. Dabei handelt es sich um Kapitalertragssteuer für die mutmaßlichen Veruntreuungen von Pucher, die die Finanz per Bescheid von der Masse verlangt.

Mit Bescheiden vom 30. Juni 2021 hat die Finanzbehörde Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragssteuer für die Jahre 2011 bis 2019 gegen die Commerzialbank Mattersburg und damit gegen die Masse erlassen. Die Finanz fordert 59,17 Millionen Euro an Kapitalertragssteuer für die von Vorstandvorsitzendem Martin Pucher mutmaßlich veruntreuten Summen. Gegen diese Bescheide hat die Masse Beschwerde samt Antrag auf Aussetzung der Einhebung eingebracht. Zum einen beruht diese Summe großteils auf Schätzungen der Abgabenbehörde, zum anderen ist strittig, ob für die Kapitalertragssteuerforderung die CBM oder nicht doch Pucher der richtige Adressat ist. Dies ist die wesentlichste neue Entwicklung, von der die Masseverwalter Gerwald Holper und Michael Lentsch in der sechsten Sitzung des Gläubigerausschusses am Montag, 27. September berichteten.

Jeweils 413 Millionen von Pucher und Klikovits gefordert

In den Schuldenregulierungsverfahren gegen die Vorstände Martin Pucher und Franziska Klikovits hat die Masse Forderungen von jeweils etwas mehr als 413 Millionen Euro angemeldet. Diese Summe errechnet sich aus den widerrechtlichen Bargeldentnahmen aus der Bank seit 2007 sowie aus den Betriebsverlusten seit 2010. Da die Ermittlungen noch immer nicht zur Gänze abgeschlossen werden konnten und ein noch höherer Schaden nicht auszuschließen ist, hat sich die Masse eine Ausdehnung der Forderungen gegen die beiden ehemaligen Bankvorstände ausdrücklich vorbehalten. Erste Gläubigersammlungen und Prüfungstagsatzungen in diesen beiden Verfahren finden am 4. Oktober statt.

Mit aktuellem Stand fordern im Insolvenzverfahren der Commerzialbank derzeit 409 Gläubiger insgesamt 826 Millionen Euro. Anerkannt sind davon bislang 629 Millionen Euro. Dazu kommen 3,1 Millionen Euro Forderungen von Dienstnehmern, die zur Gänze anerkannt sind.

Sonderausschüttung in Millionenhöhe für Einlagensicherung

Die Masseverwalter haben übrigens eine weitere Ausschüttung an die Einlagensicherung von vier Prozent vorgeschlagen. Dabei handelt es sich um einen Betrag von bis zu 20 Millionen Euro. Bisher hat die Einlagensicherung aus der Masse 37 Millionen Euro erhalten. Dabei handelt es sich um Zwischenausschüttungen, wie diese die Insolvenzordnung vorsieht.

Wie viel die Einlagensicherung am Ende des Verfahrens erhalten wird, hängt wesentlich vom Erfolg der Prozesse gegen die Republik Österreich und die TPA sowie allfälligen weiteren Schadenersatzprozessen ab. Freilich erscheint es schon jetzt unwahrscheinlich, dass neben der Einlagensicherung auch andere Gläubiger Geld erhalten werden.

105 von 157 Millionen „gefunden“, 52 Millionen fehlen weiterhin

Ansonsten haben sich die bisher bekannten Zahlen nicht wesentlich verändert. 157 Millionen Euro wurden in den letzten 10 Jahren physisch aus der Bank getragen. Von diesen 157 Millionen können die Masseverwalter inzwischen 105 Millionen zuordnen:

* 55 Millionen wurden, um die tatsächlichen Verluste zu
verschleiern, als angebliche „Kreditrückzahlungen“ und dergleichen wieder in die Bank zurückgeführt,

* Weitere rund 50 Millionen Euro wurden einerseits Kunden der Commerzialbank übergeben, um deren Pleiten zu verhindern, oder flossen andererseits verschleiert in den Fußballverein SV Mattersburg (zusätzlich zu den offiziellen Sponsorbeträgen).

* bei 52 Millionen ist noch unklar, wohin diese geflossen sind – diese sind weiter „verschwunden“.

Bank zahlte illegal Millionen an Eigentümer-Genossenschaft

Insgesamt 7,2 Millionen Euro fordert die Masse der Commerzialbank im Insolvenzverfahren gegen die Eigentümergenossenschaft, die „Personalkredit- und Kommerzialkreditvermittlungs- und Anteilsverwaltungsgenossenschaft Schattendorf – Zemendorf – Stöttera – Krensdorf – Hirm – Loipersbach – Draßburg-Baumgarten registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung“ (PKG). Die PKG hatte ohne jede rechtliche Grundlage von der Commerzialbank jedes Jahr 500.000 bis 600.000 Euro „Provisionszahlungen“ erhalten, um deren Geldbedarf zu decken. Überprüft sind bisher die Jahre 2014 bis 2019. In diesen sechs Jahren waren es 3,3 Millionen Euro. Zudem hatte die PKG 2015 von der Commerzialbank einen Kredit für den Ankauf von Partizipationskapital in Höhe von drei Millionen Euro erhalten. Im Jahr 2019 zog die Commerzialbank per Aufsichtsratsbeschluss das Partizipationskapital ein und zahlte der PKG für diese wertlosen Partizipationsscheine eine Barabfindung von drei Millionen Euro.

Inzwischen hat das Landesgericht Eisenstadt über Antrag der Masseverwalter der Genossenschaft ein Verfahren eingeleitet, um die Nachschüsse von den Genossenschaftern einzufordern. Diese haften neben ihrer Genossenschaftseinlage mit einem weiteren Betrag in Höhe ihrer Geschäftsanteile.

Keine Neuerungen gibt es betreffend die Schadenersatzklagen der Masse der Commerzialbank Mattersburg. Das Verfahren gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft TPA in Höhe von 20 Millionen Euro läuft. Im Verfahren zur Amtshaftungsklage der Masseverwalterin gegen die Republik Österreich in Höhe von 303 Millionen Euro wegen des jahrelangen kollektiven Versagens der Organe der Republik Österreich ist in Kürze die vorbereitende Tagsatzung zu erwarten.

Angebot für Patente liegt bei einem Euro

Weiterhin ohne Ergebnis verliefen bisher die Versuche die insgesamt 254 Schutzrechte für Patente von „Erfinder“ Franz Josef Philipp zu verwerten, die im Eigentum der Insolvenzmasse stehen. Die Masseverwalterin hat ein Unternehmen, das auf die internationale Vermarktung von Patenten spezialisiert ist, mit der Interessentensuche und Verwertung beauftragt. Dieses ist an bislang 103 potenzielle Interessenten herangetreten. Bislang gab es 84 Absagen und sonst keine Reaktion. Die Masseverwalter erwarten hier keinerlei neue Angebote. Ein einziges Angebot liegt allerdings vor. Mit diesem wird ein Kaufpreis von einem Euro pro Patent angeboten. Dieses Angebot wird die Masse nicht weiterverfolgen.

Werner Beninger

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