UNICEF Österreich: Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen steht auf dem Spiel!
Wien (OTS) – Dr.in Culen, Geschäftsführerin der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, und UNICEF Österreich Ehrenbeauftragter sowie Unternehmer und Keynote-Speaker Ali Mahlodji beleuchten zusammen mit UNICEF Österreich die psychische Gesundheit junger Menschen weltweit und hier in Österreich. Die negativen Auswirkungen von COVID-19 auf sind nur die „Spitze des Eisbergs“. Die Lage ist mehr als alarmierend!
Die [Pandemie] (https://unicef.at/aktuelle-hilfe/coronavirus/) hat einen hohen Tribut von Kindern und Jugendlichen gefordert. Fast zwei Jahre seit Beginn der Pandemie sind die psychischen Belastungen für Kinder und Jugendlichen nach wie vor schwerwiegend. Die Veränderungen im Alltag, der Wegfall von Freizeitmöglichkeiten sowie finanzielle und gesundheitliche Sorgen in den Familien führen dazu, dass viele junge Menschen unter Angstgefühlen leiden, wütend sind und voller Sorgen in ihre Zukunft blicken.
„Die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sind gravierend. Sie sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs, denn bereits vor der Pandemie litten viel zu viele Kinder unter psychischen Belastungen,“ betont Christoph Jünger, Geschäftsführer des Österreichischen Komitees für UNICEF.
Sozioökonomische und kulturelle Faktoren ebenso wie humanitäre Krisen und Herausforderungen wie die COVID-19-Pandemie können die mentale Gesundheit stark beeinträchtigen.
„Schauen wir nicht weg!“
Wenn von mentaler Gesundheit die Rede ist, denken viele Menschen zuerst an psychische Beeinträchtigungen oder Störungen. Diese sind bis heute mit einem Stigma verbunden, welche wiederum, ob beabsichtigt oder nicht, verhindern, dass Kinder und junge Menschen Hilfe suchen und Unterstützung erfahren.
Psychische Beeinträchtigungen oder Störungen verursachen überall auf der Welt großes Leid bei Kindern und Jugendlichen, werden aber häufig ignoriert. Sie beeinträchtigen ihre Gesundheit und Bildungsmöglichkeiten sowie die Chance, ihre Fähigkeiten zu entfalten.
„Schauen wir nicht weg und lernen wir offen darüber zu sprechen!“ lautet eine der Forderungen des Podiums, um den ersten Schritt in Richtung einer Verbesserung zu bewirken.
Ali Mahlodji, der einen sehr intensiven Draht zu jungen Menschen hat und sich selbst im Leben in seiner Vergangenheit mit psychischen Problemen konfrontiert sah, unterstreicht nochmals: „Das Thema Mental Health ist deshalb so wichtig, weil es uns alle betrifft aber wir immer noch nicht genug darüber sprechen. Es kann uns einfach alle treffen, genau wie wir einen Schnupfen bekommen oder uns den Fuß brechen. Zu Kindern und Jugendlichen selbst, möchte ich sagen: Wenn du manchmal das Gefühl hast, dass du dir zu viele Sorgen machst oder ständig traurig bist oder oft Angst hast, dann möchte ich dir einfach sagen: Du selbst, du bist mehr als in Ordnung und du bist auch nicht kaputt oder musst repariert werden. Wenn du aber merkst, du kommst da alleine nicht heraus – dann hol dir Unterstützung! Es gibt Menschen die wollen dir helfen und können dir helfen!“
Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Gesundheit und damit auch auf mentale Gesundheit. Sie ist darüber hinaus entscheidend für die Erreichung von globalen Zielen einschließlich der Nachhaltigen Entwicklungsziele.
Psychische Gesundheit weltweit betrachtet
Laut den Ergebnissen einer von UNICEF und dem Gallup Institut durchgeführten internationalen Umfrage im Sommer 2021 fühlen sich 19 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren häufig deprimiert.[1] Die Umfrage wurde für den aktuellen [UNICEF „Bericht zur Situation der Kinder in der Welt 2021 „On My Mind: Die mentale Gesundheit von Kindern fördern, schützen und unterstützen“]
(https://www.ots.at/redirect/unicef44) durchgeführt, der den Fokus
erstmals auf die mentale Gesundheit von Kindern legt.
Aktuellen Schätzungen zufolge lebt jeder siebte junge Mensch zwischen zehn und 19 Jahren weltweit mit einer diagnostizierten psychischen Beeinträchtigung oder Störung wie Angststörungen, Depressionen oder Verhaltensauffälligkeiten. Weltweit nehmen sich jedes Jahr rund 46.000 junge Menschen zwischen zehn und 19 Jahren das Leben – ein junger Mensch alle elf Minuten. In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen ist Suizid die vierthäufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen, Tuberkulose und Gewalttaten.
Das Bild, das sich in Europa und Österreich zeichnet ist noch düsterer
Eine eigene UNICEF-Analyse für Europa offenbart das Ausmaß der Probleme der psychischen Gesundheit von Jugendlichen in Europa. Hier leben neun Millionen Jugendliche im Alter von 10-19 Jahren mit einer psychischen Erkrankung sprich 16,3 Prozent. Suizid stellt die zweithäufigste Todesursache dar.
Angstzustände und Depression sind die häufigsten psychische Erkrankungen in Europa – bei mehr als der Hälfte (55%) aller psychischen Erkrankungen handelt es sich um Ängste oder Depressionen (bei Mädchen sind es sogar über 70%).
In Österreich ist die Lage sogar noch dramatischer. Hier zu Lande leiden 18,2 Prozent der 10-19-jährigen unter psychischen Problemen. Das sind knapp 160.000 Jugendliche in Österreich.[2] 24% der Kinder und Jugendlichen in Österreich zeigen im Laufe ihrer jungen Leben zumindest Symptome einer psychischen Erkrankung. Hierzu gehören suizidale Gedanken, nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten, Depressionen, Angstzustände, Zwangsverhalten und Aggressionen.[3]
Corona als „Brandbeschleuniger“
Eine Studie unter Kindern der Tirolkliniken zeigt, dass COVID-19 den Verlust an Lebensqualität durch Quarantäne auch bei den drei bis 12-jährigen durch psychosomatische Beschwerden auf. Im ersten Halbjahr 2021 hat sich die Lage sogar weiter verschlechtert: Seit 2021 wurden ca. 30% mehr Aufnahmen mit Selbstverletzung, Depression, Ängsten verzeichnet.
Auch die Kinderpsychiatrien in Wien sind seit heuer
überlastet.
„Kinder und Jugendliche haben sich in der Corona-Pandemie unglaublich kooperativ, rücksichtsvoll und solidarisch gezeigt. Aber ihre Bedürfnisse wurden die längste Zeit übersehen. Viele der wichtigsten Entwicklungsaufgaben konnten nicht vollzogen werden:
Schritte Richtung Selbständigkeit, außerfamiliäre Freundschaften, Abnabelungsprozesse u.v.m.… Es fehlten auch Erfolgserlebnisse, die so wichtig für den Selbstwert sind,“ erklärt Dr.in Culen. „Die Symptome der Belastung vieler junger Menschen – psychosomatische Beschwerden, Freudlosigkeit Depression, Ängste – sind nicht mehr zu übersehen.“
Hohe finanzielle Kosten, zu geringe Investitionen – ein
weltweites Bild
Den Volkswirtschaften gehen laut einer in dem UNICEF Bericht aufgeführten neuen Analyse der London School of Economics enorme Beiträge verloren. Die Verluste in Folge von psychischen Beeinträchtigungen und Störungen, die zu Erwerbsunfähigkeit oder zum Tod von jungen Menschen führen, belaufen sich demnach auf schätzungsweise rund 390 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Trotz des großen Bedarfs betragen die Regierungsausgaben für mentale Gesundheit im globalen Durchschnitt nur 2,1 Prozent der Ausgaben für Gesundheit insgesamt. In Entwicklungs- und Schwellenländern kommen auf 100.000 Einwohner*innen im Schnitt 0,1 Psychiater*innen, die sich auf Kinder und Jugendliche spezialisiert haben. In den Industrieländern sind es 5,5 pro 100.000.
Christoph Jünger, Geschäftsführer, und Corinna Geißler, Leitung Advocacy des Österreichischen Komitees für UNICEF betonen: „Wir brauchen jetzt – mehr denn je – langfristige Investitionen in die niederschwellige Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, im Gesundheitswesen und ihrem direkten Umfeld wie Schule oder Elternhaus.“
Forderungen und Lösungsansätze
Die Privatwirtschaft und die Öffentlichkeit muss dazu beitragen, die psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Betreuenden zu fördern, gefährdete Kinder zu schützen und besonders verletzliche Kinder zu unterstützen.
* Es braucht dringend mehr Investitionen in die psychische
Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in allen Bereichen der Gesellschaft, nicht nur im Gesundheitswesen. Ziel sollte es sein, einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz zum Schutz, zur Förderung und zur Unterstützung zu entwickeln; insbesondere braucht es niederschwellige Angebote und kostenfreien Zugang zu psychosozialer Unterstützung für alle.
* Evidenzbasierte, übergreifende Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit in den Bereichen Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung sollten ausgeweitet werden. Dazu gehören Elternprogramme, die eine flexible, liebevolle Unterstützung und Betreuung der Kinder und die psychische Gesundheit von Eltern und Erziehenden fördern. Schulen sollten die psychische Gesundheit durch qualitative Hilfsangebote und ein positives Lernumfeld unterstützen;
* Das Schweigen über psychische Erkrankungen muss gebrochen,
Stigmata bekämpft und Aufklärung im Bereich der psychischen Gesundheit gefördert werden. Die Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen müssen ernst genommen werden.
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[Bild- und Videomaterial]
(https://weshare.unicef.org/Package/2AMZIF6NT82F) steht Redaktionen
im Rahmen der Berichterstattung kostenfrei hier zur Verfügung.
[Die Pressekonferenz kann hier nachgesehen werden.]
(https://events.streaming.at/unicef-20211028)
[UNICEF-Bericht The State of the World’s Children]
(https://www.ots.at/redirect/unicef45) (Bericht zur Lage der Kinder
in der Welt)
[UNICEF Europa-Report] (https://www.ots.at/redirect/unicef46)
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[1] Die Umfrage wurde in 21 Ländern durchgeführt.
[2] Stand 2019
[3] Wagner et al. (2017). Mental health problems in Austrian adolescents: a nation-wide, two-stage epidemiological study applying DSM-5 criteria. European Child & Ado/escent Psychiatry, 26(12), 1483-1499. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5701961/
Mag. Lisa Heidegger-Haber, MA., haber@unicef.at, M +43 660 34 83 653
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