Herr Bundeskanzler: Finger weg von den Medien!

Editorial der Wirtschaftsnachrichten von Herausgeber Wolfgang Hasenhütl

Graz (OTS) – Wir als Gesellschaft leben unvermeidlich in einem Medienumfeld: als Journalisten, als Herausgeber, als Leser, als Konsumenten. Wir nehmen Botschaften wahr und unterscheiden, ob diese via neutrale Redaktion, werbende PR oder Inserate transportiert werden. Interessant daher: Wie gestaltet sich die Struktur dieses Medienumfeldes? Einfach erklärt: Die Tageszeitungen finden sich im Verband der Österreichischen Zeitungen (VÖZ) und decken etwa 80 Prozent des Inseratenaufkommens ab. Viele Medien – sehr wenige Verlagshäuser. Dem als Pendant gegenüber steht der Österreichische Zeitschriften-Verband (ÖZV), der mehr als 400 Titel – Periodika wie Wochen-, Monats- und Quartalsmedien – unter sich vereint. So weit, so gut. Und jetzt das große Aber…

Obwohl der ÖZV über 400 Magazine repräsentiert, kommt ihm bei Weitem nicht die Macht des VÖZ zu. Die Politik konzentriert sich nämlich vorrangig auf die Tagesmedien und sucht deren Nähe – viceversa fühlen sich diese Blätter, schon allein aus immensem wirtschaftlichem Eigeninteresse, der Politik verpflichtet oder zumindest verbunden. Es ist legitim, wenn Zusammenarbeit und Kooperation gepflegt werden. Es ist allerdings verwerflich, wenn öffentliche Gelder gegen unmäßige Image-Politur getauscht werden.

Die Entwicklung der letzten 50 Jahre hat diesen mehr als bedenklichen Weg dorthin erst geebnet: Kreisky hat die Zuständigkeit der Medien sehr nahe an das Kanzleramt gelagert – monetär schlug sich dies in der Presseförderung nieder. In den 2000er Jahren wurde dieses der Politik opportune System, von der Bevölkerung nur sehr vage wahrnehmbar, unter Faymann und seinem „Richelieu“ Ostermayer zur Hochblüte gebracht – man konnte sich mit monetärer Loyalität bis auf die Regierungsbank hinaufinserieren. Und brach ein demokratiepolitisches Tabu: Wenn der Bundeskanzler den VÖZ und den ORF zu seinen „Freunden“ zählt, dann hat er die vierte Gewalt im Staat erfolgreich an seine Seite gebunden. Dass diese Schieflage so lange Bestand haben konnte, ist zwar höchst verwunderlich, doch auch dieser Krug ist nach zu vielen Brunnengängen zu Bruch gegangen.

Erst wieder unter Kurz als Staatssekretär (in dieser Zeit gab es noch keinen legitimierten Zugriff auf die finanziellen Werbemittel), später als Außenminister und schließlich als Bundeskanzler wird das Budget für Medienarbeit alleinig und ausschließlich aufs Engste an den Kanzler regelrecht gekettet. Eine demokratiepolitische Todsünde! Man stelle sich vor: Deutschlands Kanzlerin Merkel erklärte sich von jetzt auf gleich höchstpersönlich und alleine für Medien zuständig – ein Aufschrei ginge durch den Bundestag. Nicht so in Österreich: Hier wird nonchalant Politik mit Medien verbandelt – Orbanismus lässt grüßen. Wer sollte denn auch dagegen opponieren? Die Nutznießer Tagesmedien oder ORF? Wohl eine rein rhetorische Frage! Der kritische Teil der Öffentlichkeit wird somit mit einem Federstrich ausgeblendet: Berichterstattung ist nun flächendeckend wohlwollend oder nachsichtig schweigend.

Um diesem demokratiepolitischen Wahnsinn langfristig Einhalt zu gebieten, ist die Buchung von Inseraten respektive entgeltlicher Medienkooperation künftig in die Hände der regierungsunabhängigen Beamtenschaft der jeweiligen Ministerien – mit tatkräftiger Unterstützung externer Schaltagenturen – zu legen. Dort hat man die Erfahrung der wertneutralen bzw. objektivierten Beurteilung. Dort ist die Expertise zu finden. Und es läge beim Rechnungshof, die monetären Gegebenheiten zu flankieren. 50 Mitarbeiter, die im Kabinett Kurz ausschließlich für Medien zuständig sind, gehörten somit wieder der Vergangenheit an – lange genug haben sie die Ministerien entmündigt und Budgets an sich gezogen. Es muss wieder unmissverständlich ersichtlich sein: Minister haben ihren Eid auf die Verfassung und nicht auf den Bundeskanzler abgelegt.

Das zielgruppenrelevante Werben hat Vorrang vor dem reichweitenorientierten zu haben – andernfalls wird die heimische Medienlandschaft auf Boulevard, Tageszeitungen und ORF ausgedünnt und krankgeschrumpft. Mann stelle sich vor: Inserate für Forschung, Entwicklung und Innovation neben der Tierecke und der obligaten erotisierenden Nacktheit – Thema verfehlt, Geld versenkt, setzen!

Aus meiner 33-jährigen Erfahrung als Herausgeber im europäischen Raum kann ich nur den Kopf schütteln über die österreichische Printwahrnehmung: Die in der aktuellen Korruptionsaffäre verstrickten Medien haben nicht nur sich selbst, sondern ALLE Titel besudelt. Daher muss gerade jetzt die Chance zur Neuaufstellung genutzt werden – die einzig sinnvolle Maßnahme zur Demokratiehygiene!

Nicht unerwähnt darf auch folgende heimische Unsitte bleiben:
Chefredakteure in ihrer Funktion als Geschäftsführer – die Verkettung von Gehaltsbestandteilen aus operativen Ergebnissen mit der journalistischen Objektivität führt jegliche werthaltige Berichterstattung ad absurdum.

Auf dass nach reinigendem Gewitter und Blätterrauschen der seriöse Journalismus in Österreich wieder zur Blüte komme, das wünscht sich

Wolfgang Hasenhütl
Herausgeber
hasenhuetl@euromedien.at

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