Pressegespräch Migräne: Möglichkeiten der Vorbeugung (II, Forts.)
Chancen und Grenzen von Lebensstilmaßnahmen
Wien (OTS) – Rund eine Million Österreicherinnen und Österreicher leiden unter Migräne. Die wichtigsten Lebensstilmaßnahmen bei Migräne sind Stressvermeidung und ein besserer Umgang mit Stress, was aber für Migräne-Betroffene oft schwer umsetzbar sei, wie Claudio Lind, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, im Rahmen des heutigen Pressegesprächs des Verlagshauses der Ärzte (VdÄ) erklärte.
Ausdauersport und Entspannung
Lebensstilmaßnahmen sind immer eine sinnvolle Ergänzung zur medikamentösen Vorbeugung von häufiger oder chronischer Migräne. Aber auch, wenn sich eine Attacke aufbaut, „kann man insbesondere mit Entspannungsübungen versuchen, den vollen Ausbruch abzufangen“, sagte die Präsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft (ÖKSG), Neurologin Karin Zebenholzer von der Meduni Wien. Oft gehe dem Migräne-Kopfschmerz nämlich eine sogenannte Vorbotenphase voraus:
„Betroffene sind dann schon zwei bis 48 Stunden vor dem Schmerz rastlos, erschöpft, müssen ständig gähnen, haben Konzentrationsprobleme oder Heißunger.“
„Entspannungstechniken, ausreichend Schlaf und regelmäßig Ausdauersport sind wirkungsvolle Interventionen zur Stressbewältigung. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass gerade Migräne-Betroffene, die oft besonders leistungsorientiert sind, nicht immer die Zeit dafür finden“, so Claudio Lind. „Auch das Potenzial von Entspannungstechniken schöpfen nur die Wenigsten aus“, hielt Kassandra Steiner von der Selbsthilfegruppe Kopfweh Wien fest.
Mit ein Grund dafür könnten laut Steiner für die eigene Lebenssituation zu ambitionierte Ziele sein, wie sie auch medial oft verbreitet würden. Was es in der Kommunikation mit Migräne-Betroffenen brauche, seien „umsetzbare Anregungen“. Nur was machbar sei, könne zur Routine werden. Steiner: „Es führt kein Weg daran vorbei: Jeder Betroffene muss für sich selbst herausfinden, wie er so weit Routine in seinen Alltag bringt, dass Entspannungseinheiten und wenn möglich auch Sport machbar sind.“
Als einfacher Einstieg habe sich etwa Muskelentspannung nach Jacobson bewährt, „weil man ohne Vorkenntnisse loslegen kann, z.B. mit einem Youtube-Video“. Meditation oder Yoga seien ebenfalls effektiv, so Kassandra Steiner, allerdings könne man diese Techniken „nicht von heute auf morgen lernen“.
Kein Beleg für „Migräne-Diäten“
Viele Migräne-Betroffene würden laut Claudio Lind auf vorbeugende Effekte durch „Migräne-Diäten“ hoffen, „hier fehlt allerdings bislang jeder wissenschaftliche Nachweis“. Vielmehr bestünde die Gefahr von Mangelernährung und sogar einer Verschlechterung der Beschwerden, denn „der Hirnstoffwechsel von Personen mit Migräne braucht extra viel Energie, speziell in der Früh, wenn der ,Tank‘ leer ist. Damit ist etwa Intervallfasten bei Migräne kontraproduktiv. Was zählt, sind regelmäßige, in kürzeren Abständen über den Tag verteilte Mahlzeiten sowie ausreichend Flüssigkeit.“
Ein weiteres Missverständnis besteht für den Neurologen in der Identifizierung einzelner Nahrungsmittel oder Getränke als Attackenauslöser: „Migräne ist stets multifaktoriell: Nicht der Schokoriegel oder das Glas Prosecco am Ende einer stressigen Woche triggert die Attacke, sondern das abrupte Auf und Ab der Stresshormone. Die typische ,Wochenend-Migräne‘ setzt daher ein, wenn der Stresspegel sinkt.“ Der Heißhunger auf Süßes sei dann nur einer der Vorboten der sich aufbauenden Attacke, nicht ihr Auslöser. (ar) (Schluss)
Mag. Andrea Riedel
Verlagshaus der Ärzte
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