Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 12. Jänner 2022. Von PETER NINDLER. „Die Streif ist heuer das kleinste Problem“.
Innsbruck (OTS) – itzbühel steckt mit den Hahnenkammrennen im Dilemma. Auf Zuschauer wollen die Veranstalter trotz explodierender Corona-Zahlen nicht verzichten. Der rechtliche Rahmen lässt das zu, trotzdem wären „Geisterrennen“ eine wichtige Botschaft.
Corona lässt uns in Schubladen denken, jede für sich liefert schließlich die gewünschten Antworten. Gerade Kitzbühel lässt sich perfekt in dieses Zustands-Schema pressen. Angesichts der sich auftürmenden Omikron-Welle und des dynamischen Infektionsgeschehens in der Gamsstadt sind Zuschauer, obwohl nur 1000 zugelassen sind, bei den Hahnenkammrennen in eineinhalb Wochen eigentlich nicht zu verantworten. Das Signal ist ein verheerendes, gerade mit der fehlerbehafteten Vergangenheit am Beginn der Pandemie rund um Ischgl. Kitzbühel reißt hier Tirol mit, aber noch hat der Kitzbüheler Ski Club die Möglichkeit, die Reißleine zu ziehen. In Lienz oder beim Bergiselspringen blieben die Ränge ebenfalls leer, Sport geht in der Pandemie auch so.
Wer sind nun die 1000 Besucher? Natürlich nicht Lieschen Müller von nebenan, sondern ausgewählte Gäste. Seit Jahrzehnten leben die Hahnenkammrennen in der öffentlichen Wahrnehmung vom Promifaktor, über die Stars und Sternchen im „Monte Carlo der Alpen“ haben vor Corona allerdings auch all jene berichtet, die jetzt mit dem „Goldenen Kalb Kitz“ und dem Tourismus im Besonderen hart ins Gericht gehen. Nur getragen haben Kitzbühel stets die Tausenden fahnenschwingenden Skifans, die Corona-bedingt und deshalb nachvollziehbar heuer wieder vor dem Fernseher mitfiebern. Kitzbühel nährt damit jedoch das Klischee von den Gleichen unter Gleichen. Doch kann man es einem der besten Skiveranstalter der Welt verübeln, dass er unter den vorgegebenen und von der Politik festgelegten Rahmenbedingungen Zuschauer im Freien zulässt? Und das Zulässige noch reduziert und mit 2 G plus verschärft. Andere Veranstaltungen, etwa im Kulturbereich, finden ebenfalls statt, die Schweiz setzte zuletzt in Adelboden mit mehr als 12.000 Zuschauern auf ein völlig konträres Corona-Krisenmangement. Trotz aktuell 64.000 Neuinfektionen. Denn es gibt auch andere Wege, mit Corona umzugehen.
Und mit Kitzbühel werden natürlich der Tourismus und das Skifahren zum Reibebaum. Unabhängig davon, dass die touristischen Auswüchse mit Overtourism und die über das verträgliche Maß hinausgehenden Erschließungen in Tirol seit Jahren intensiver diskutiert, angeprangert und zum Teil verhindert werden. Nur das Bild und das Image des Landes nach außen vermitteln etwas anderes. Aber das hängt vor allem mit den „Tourismus-Botschaftern“ zusammen, die in Zeiten einer zu Recht sensibilisierten Öffentlichkeit nichts dazugelernt haben.
Um auf Kitz zurückzukommen: Es gibt viele argumentierbare Wahrheiten, doch die Hahnenkammrennen ohne Zuschauer wären heuer das Klügste. Und eine wichtige Botschaft aus Tirol.
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