TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ Ausgabe vom Freitag, 21. Jänner 2022, von Manfred Mitterwachauer: „Nachhaltig verärgert“
Innsbruck (OTS) – Die Pandemie hat am Image von Landeshauptmann Günther Platter als „oberstem Touristiker“ im Land stark genagt. Mit der vorliegenden Novelle zum Tourismusgesetz zieht sich der ÖVP-Chef branchenintern einen weiteren Schiefer ein.
In Zeiten von Nächtigungsrekorden und fern jeglicher Virusmutationen hatte Günther Platter (VP) unter den Touristikern leichtes Spiel. Der Tourismusreferent konnte sich von Sölden bis Kitzbühel sonnen, wie es ihm beliebte. Die ein oder andere dunkle Wolke, die der umweltaffine Koalitionspartner namens Grüne da oder dort gegen touristische Großprojekte aufziehen ließ, trübte die Stimmung in der Regel nicht allzu lange. Diese Zeiten sind vorbei. Das Coronavirus und die wirtschaftliche Folgen kann Platter nicht wie gewohnt teflonartig von sich abprallen lassen. Der Ausfall nicht nur einer, sondern – zu befürchten – beinahe zweier Wintersaisonen hat in der Tiroler Tourismuswirtschaft Zweifel geschürt, ob Platter noch der richtige Mann für dieses Ressort ist. Dass der „Chef“ nun mit einer Novelle des Tourismusgesetzes branchenintern erneut viele vor den Kopf stößt, nährt diese – ein Jahr vor der Landtagswahl – nur noch mehr.
Es war Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser (VP), der im März 2021 das bis dato Unaussprechliche wagte und Platter medienöffentlich die Abgabe der Tourismusagenden ans Herz legte. Zumindest für die Dauer der Pandemie. Oberster Krisenmanager und oberster Touristiker – beides gehe sich nicht aus. Der Ausgang ist bekannt: Walser wurde zurückgepfiffen.
Doch Platter wird die Image-Delle nicht los. Seine Überarbeitung des „Tiroler Wegs“, der Tourismustrategie des Landes, war zwar überfällig. Schon lange bevor Ischgl zum Corona-Ballermann mutierte, sorgte der „Overtourism“ dafür, dass die Branche an Rückhalt in der Bevölkerung verlor. Ohne den Fokus auf Nachhaltigkeit ist Tourismus nicht mehr zukunftsfähig. Diesen auch gesetzlich festzuschreiben, ist nicht verkehrt. Die vorliegende Novelle wirkt aber überhastet und nicht zu Ende gedacht. Nachhaltigkeitskonzepte ohne verbindlichen Umsetzungscharakter für alle (!) TVB-Mitglieder sind nutz-, weil wirkungslos. Wieso Verbände, unabhängig von ihrer Struktur und Größe, allesamt mit eigenen Nachhaltigkeitskoordinatoren zwangsbeglücken, wenn regionale Kooperationen Personal und Geld sparen helfen könnten? Und: Wie tief soll Nachhaltigkeit im Tourismus ihre Wirkung entfalten? Sind denn Hotelbetriebe, die nicht ganzjährig geöffnet haben, nachhaltig? Was fehlt, sind bereits festgelegte, übergeordnete inhaltliche Leitplanken.
Die Verantwortung für eine allseits gedeihliche Entwicklung im Land wollen viele Touristiker übernehmen. Die Novelle kommt aber zur Unzeit. Die Pandemie stellt viele aktuell nicht vor die Nachhaltigkeits-, sondern primär vor die Überlebensfrage. Platters Antwort lässt daher viele in der Branche ratlos und verärgert zurück.
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