TIROLER TAGESZEITUNG “Leitartikel” vom 8. Februar 2022 von Michael Domanig “Ein Kürzel sorgt für lange Gesichter”
Innsbruck (OTS) – Rein rechtlich konnte die Wahlbehörde beim Wahlausschluss der Mutterer Grünen kaum anders agieren. Auf der kommunikativen Ebene dürfte aber einiges schiefgelaufen sein. Und der Gesetzgeber hat klaren Handlungsbedarf.
Mit dem Wahlausschluss der Mutterer Grünen wegen eines Formalfehlers hat der laufende Tiroler Gemeinderatswahlkampf seinen ersten großen Aufreger. Rein rechtlich betrachtet ist die Sache eindeutig: Laut Gemeindewahlordnung (TGWO) muss ein Wahlvorschlag diesmal auch eine maximal acht Zeichen lange, in Großbuchstaben gehaltene Kurzbezeichnung umfassen. Gemeinde- und Landtagswahlordnung wurden in dieser Hinsicht übrigens bewusst an die Nationalratswahlordnung angepasst – um den Wahlbehörden einheitliches Arbeiten zu ermöglichen. In der TGWO steht auch klar, dass Wahlvorschläge zurückzuweisen sind, die keine entsprechende Kurzbezeichnung enthalten. Die Gemeindewahlbehörde hat hier kaum Spielraum.
Und gerade bei neuen Paragraphen gibt es für antretende Listen auch eine gewisse Informations-Holschuld – diesen Vorwurf müssen sich die Grünen gefallen lassen. Sie treten ja, auch in Mutters, nicht zum ersten Mal an. Von einer wahlwerbenden Gruppierung, die noch dazu von einer erfahrenen Landespartei unterstützt wird, sollte man schon erwarten können, dass sie einen Wahlvorschlag korrekt ausfüllt. Die Argumentation, ob nicht auch das im Kurzbezeichungs-Feld eingetragene Sonderzeichen „-“ ausreicht, mutet wirklich skurril an.
Neben der rein rechtlichen gibt es aber auch so etwas wie eine politisch-menschliche Ebene. Wie auch immer die zeitlichen und kommunikativen Abläufe im Fall Mutters genau gewesen sein mögen – in einem Dorf sollte man trotz aller politischen Gegensätze schon noch so weit miteinander reden können, dass ein solcher Fehler rechtzeitig bemerkt und behoben wird.
In den anderen Tiroler Gemeinden scheint es ja auch geklappt zu haben (so weit man bis jetzt weiß): Es ist kaum vorstellbar, dass nur in Mutters ein solcher Formalfehler passiert sein soll – anderswo hat man das Ganze aber wahrscheinlich noch zeitgerecht gemeinsam geklärt.
Klar ist aber auch eines: Der Landesgesetzgeber hat dringenden Handlungsbedarf. Dass das Fehlen einer Kurzbezeichnung gesetzlich ein „nicht behebbarer Mangel“ ist, erscheint schwer nachvollziehbar und gehört dringend geändert.
Hier – aber auch in anderen Bereichen der Gemeinde(wahl)ordnung – braucht es rechtliche Regelungen, die sowohl glasklar als auch praxisnah, logisch und nachvollziehbar sind. Sonst wird man immer schwerer Menschen finden, die überhaupt noch bereit sind, in Wahlbehörden mitzuarbeiten – und in der Tiroler Gemeindepolitik insgesamt.
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