MAK zeigt „MISSING LINK. Strategien einer Architekt*innengruppe aus Wien (1970–1980)“
Wien (OTS) – Die 1970 von Angela Hareiter, Otto Kapfinger und Adolf Krischanitz gegründete Architekt*innengruppe Missing Link war eine der wichtigsten Erscheinungen der avantgardistischen Kunst- und Architekturszene Österreichs der 1970er Jahre. Mit grenzüberschreitenden und interdisziplinären Projekten suchte Missing Link nach fehlenden Gliedern zwischen Mensch, Architektur, Urbanität, Kunst und sozialem Gefüge und erweiterte das Repertoire der Architektur um experimentelle Konzepte. 2014 wurde der Vorlass der legendären Gruppe vom MAK angekauft. Mit der Ausstellung „MISSING LINK. Strategien einer Architekt*innengruppe aus Wien (1970–1980)“ (11. Mai – 2. Oktober 2022) und dem begleitenden Katalog wird das umfangreiche Werk der Architekt*innengruppe erstmals vollständig aufgearbeitet.
Hareiter, Kapfinger und Krischanitz lernten einander an der Technischen Hochschule (heute Technische Universität) Wien kennen und formierten sich zu Missing Link mit dem Ziel, das Spektrum der Architektur losgelöst von konkreten Aufträgen und akademischen Dogmen neu zu denken. Während des zehnjährigen Bestehens der Gruppe entstand ein äußerst vielschichtiges und seinerzeit viel beachtetes Werk, das neben künstlerischen Installationen, Objekten, Malereien, Zeichnungen und Plakaten auch stadtsoziologische Studien, Aktionen und experimentelle Fernsehfilme umfasst. Thematisch aufbereitet behandelt die MAK-Ausstellung das gesamte Œuvre der Gruppierung:
Den Auftakt macht das noch zu Studienzeiten entstandene Frühwerk. Es umfasst utopische Projekte im Umfeld des sogenannten Austrian Phenomenon – der österreichischen Architektur-Avantgarde der Jahre 1958 bis 1973. Gezeigt werden etwa Angela Hareiters zeittypische Wohnmodule für flexibles und partizipatives Wohnen in der Zukunft:
„Plastik explodiert“ (1965), „Future House“ (1966/67) und „Kinderwolken“ (1966/67). Von Adolf Krischanitz ist unter anderem „Swimtainer“ (1969) zu sehen, ein Modell für schwimmende Wohnmodule.
Ein weiterer Schwerpunkt der Schau liegt auf künstlerischen Aktionen und Objekten aus den frühen 1970er Jahren. Im „Treffen auf dem Feld“ (1972) wurden mit einfachsten Geräten und Requisiten soziologische Verhaltensweisen untersucht. Daraus resultierte im selben Jahr noch der für den ORF produzierte Film „16. November: Eine Utopie in 9 wirklichen Bildern“. In diese Schaffensphase fallen auch einfache, mitunter möbelhafte Objekte wie „Betonbrecher oder Tonne“ (beide 1971), die sich als Denkmodelle mit brutalistischer Architektur und der beginnenden Ölkrise beschäftigten.
Medienanalysen und Forschungsprojekte sind ein wesentlicher Aspekt des von Missing Link geschaffenen Werks. Projekte wie „Via Trivialis“ (1973) und „Via Nostalgia“ (1973) untersuchten spezifische urbane Situationen in Wien, etwa die verkehrstechnische Anbindung von Westeinfahrt und Gürtel. Auch weitere von Missing Link verfasste, aber unveröffentlichte stadtsoziologische und medienkritische Essays werden in der MAK-Ausstellung anhand der originalen Typoskripte einsehbar sein.
Die umfassende Zeichen- und Malereipraxis der Gruppe charakterisieren oft geheimnisvolle Motive (Fragmente von Flugzeugen, U-Booten und Zeppelinen), die sich teils als Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg oder dem Vietnamkrieg lesen lassen: Sie werden Beispielen aus der Populärkultur – Buch- und Plattencovern sowie Filmplakaten – gegenübergestellt.
Bereits in der Zeit nach dem Ausstieg von Angela Hareiter Mitte der 1970er Jahre entstanden die sogenannten Wiener Studien, in denen sich Kapfingers und Krischanitz’ wachsendes Interesse an gebauter Architektur abzeichnete. Mit großformatigen, systematischen Zeichnungen widmeten sie sich architektonischen Besonderheiten Wiens, wie der baulichen Typologie des Roten Wien oder den Interieurs der Wiener Kaffeehäuser. Auf Basis ihrer Untersuchungen schlugen sie unter anderem einen eigenen Wohnhof in der Tradition der Wiener Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit vor: eine idealtypische postmoderne Antwort auf das Rote Wien, die aber nicht ausgeführt wurde.
Den Abschluss der Ausstellung bildet das Spätwerk der Gruppe, darunter die Ausstellung „Austrian New Wave“ (Institute for Architecture and Urban Studies, New York, 1980). Die von Kapfinger und Krischanitz federführend betreute Schau tourte durch mehrere amerikanische Städte und gab anhand von Plakaten einen Überblick über die österreichische Architektur-Avantgarde der 1970er Jahre. Neben Missing Link waren etwa auch Hermann Czech, Heinz Tesar, Rob Krier und die Gruppe IGIRIEN mit Plakaten vertreten.
Formale und inhaltliche Kontextualisierungen erweitern sämtliche Bereiche der Ausstellung. Zu sehen sind zeitgenössische Positionen, etwa von Archizoom, Haus-Rucker-Co, Coop Himmelb(l)au, Zünd-up, Walter Pichler, Hans Hollein, VALIE EXPORT, Günther Domenig, Joseph Beuys, Günter Brus, Ettore Sottsass, Birgit Jürgenssen und Heinz Frank, sowie historische Positionen, u. a. von Otto Wagner, Josef Frank, der Architektur des Roten Wien und der Kultur der Wiener Kaffeehäuser.
Die Mitglieder der Gruppe zählten auch nach der Auflösung von Missing Link zu den wichtigen Protagonist*innen des Kulturbetriebs: Otto Kapfinger erwarb sich als Wissenschaftler und langjähriger Mitarbeiter der Tageszeitung „Die Presse“ internationales Renommee und gilt heute als der Doyen der österreichischen Architekturkritik. Adolf Krischanitz machte sich als Architekt selbstständig und ist u. a. für den Bau der Kunsthalle Wien – Project Space (2001/02) sowie viele bedeutende Bauten im In- und Ausland bekannt; von 1991 bis 1995 war er Präsident der Wiener Secession. Angela Hareiter fungierte erfolgreich als Art-Direktorin bei internationalen Film- und Fernsehprojekten.
Zur Ausstellung erscheint die Publikation „MISSING LINK. Strategien einer Architekt*innengruppe aus Wien (1970–1980)“, MAK Studies 29, herausgegeben von Lilli Hollein und Sebastian Hackenschmidt, mit Beiträgen von Anna Dabernig, Sebastian Hackenschmidt und Lilli Hollein. Deutsch/Englisch, 348 Seiten mit einem umfangreichen Werkverzeichnis und zahlreichen, größtenteils unveröffentlichten Abbildungen. MAK, Wien/Birkhäuser Verlag, Basel 2022. Erhältlich im MAK Design Shop und unter MAKdesignshop.at um € 42.
Bildmaterial zur Ausstellung steht unter MAK.at/presse zum Download bereit.
PRESSEDATEN:
Pressekonferenz: Dienstag, 10. Mai 2022, 10:00 Uhr
Teilnahme gegen Anmeldung unter presse@MAK.at
Es gelten die aktuellen COVID-19-Sicherheitsbestimmungen für Veranstaltungen, siehe MAK.at/schutzmassnahmen
Eröffnung: Dienstag, 10. Mai 2022, 19:00 Uhr, Eintritt frei ab 18:00 Uhr
Ausstellungsort: MAK-Ausstellungshalle, MAK, Stubenring 5, 1010 Wien Ausstellungsdauer: 11. Mai – 2. Oktober 2022
Öffnungszeiten: Di 10:00–21:00 Uhr, Mi–So 10:00–18:00 Uhr
Kurator: Sebastian Hackenschmidt, Kustode MAK-Sammlung Möbel und Holzarbeiten
Ausstellungsgestaltung: Claudia Cavallar, Lukas Lederer
Grafische Gestaltung: Willi Schmid
Publikation: „MISSING LINK. Strategien einer Architekt*innen-gruppe aus Wien (1970–1980)“, MAK Studies 29, herausgegeben von Lilli Hollein und Sebastian Hackenschmidt, mit Beiträgen von Anna Dabernig, Sebastian Hackenschmidt und Lilli Hollein. Deutsch/Englisch, 348 Seiten mit einem umfangreichen Werkverzeichnis und zahlreichen, größtenteils unveröffentlichten Abbildungen. MAK, Wien/Birkhäuser Verlag, Basel 2022. Erhältlich im MAK Design Shop und unter MAKdesignshop.at um € 42.
Rahmenprogramm: Details siehe MAK.at/missinglink
MAK-Eintritt: € 15/ermäßigt € 12
Jeden Dienstag 18:00–21:00 Uhr: Eintritt € 7
Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 19
MAK-Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Judith Anna Schwarz-Jungmann (Leitung)
Sandra Hell-Ghignone, Ulrike Sedlmayr
T: +43 1 711 36-233, -212, -229
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