TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“ vom 28. Februar 2022 von Alois Vahrner „Wechselbad für die Tiroler Parteien“

Innsbruck (OTS) – Bei den gestrigen Gemeinderatswahlen gab es für praktisch alle Parteien Licht und Schatten – sofern eine Zurechnung der Ergebnisse überhaupt möglich ist, weil sich so viele Listen wie noch nie zu keiner Partei bekennen wollten.

Keine andere Wahl spielt sich näher bei den Bürgerinnen und Bürgern ab und auch nirgends sonst sind die Themen greifbarer, weil es um Fragen im unmittelbaren Umfeld geht, als bei einer Gemeinderatswahl. Das erklärt auch, neben vielen Bekanntschafts- und Verwandtschaftsbeziehungen mit Listenmitgliedern, die gestern mit über 66 Prozent höhere Wahlbeteiligung als bei etlichen anderen Landes-, Bundes- oder EU-Urnengängen.
Nach der gestrigen Wahl (31 Bürgermeister-Stichwahlen folgen dann in zwei Wochen) feierten sich alle Parteien als Sieger. Und das, obwohl sich diesmal noch mehr Listen als unabhängige Bürger- und Personenlisten ausgegeben haben. Das mag sich zum Teil ändern, wenn die Gemeindechefinnen und -chefs dann mit Anliegen etwa beim Land vorstellig werden.
So schwer Zurechnungen auch sind, klar ist aber: Die ÖVP bleibt auch die nächsten sechs Jahre die klar dominierende Kraft in vielen Gemeinden, das Gros der Bürgermeis­terinnen und Bürgermeister ist zumindest VP-nahe. Im Gegensatz zu 2016, als es etliche klare Siege gab, müssen etliche Bürgermeis­ter gerade in den großen Städten (etwa Kufstein, Schwaz, Hall und Imst) in Stichwahlen. Wörgl könnte schwarz werden, dafür gab es etwa in Wattens oder der Platter-Gemeinde Zams schmerzliche Niederlagen.
Die SPÖ hatte Glanzpunkte etwa in Lienz, Rum, Zirl, Sellrain und Zams und Achtungserfolge wie in Landeck, neben dem Dämpfer in Wörgl und dem Verlust in Schönwies gibt es weiter auch schwache Ergebnisse in Imst oder Reutte.
Sehr schwer auf Gemeindeebene tun sich die anderen Parteien, zumindest wenn es sich um deklarierte Listen handelt. So spielt die FPÖ hier weiter eine sehr schwache Rolle, und kaum eine Liste wollte die Partei zudem im Namen tragen. Die NEOS büßten ihren einzigen Bürgermeistersessel in Mils ein, landeten aber gleichzeitig auch Achtungserfolge in Kufstein oder Telfs. Ebenso kleine Lichtblicke wie in Kufstein wie auch Dämpfer (etwa Axams) gab es für die Grünen. Mit großer Spannung wurde das Abschneiden der impfskeptischen MFG (Menschen – Freiheit – Grundrechte) erwartet, die in immerhin 50 Gemeinden auch so benannte Listen zustande gebracht hat. In 47 Gemeinden holte man Sitze, in 16 Gemeinden wurde ein zweistelliges Prozent-Ergebnis erzielt. Die Bäume wuchsen aber auch hier nicht in den Himmel. Ob die MFG dauerhaft (Umfragen würden ja momentan einen sicheren Landtags-Einzug signalisieren) ein Faktor werden wird, hängt vor allem von der Pandemie-Entwicklung ab. Und davon, ob auch andere Themen als Widerstand gegen Corona-Vorschriften inhaltlich besetzt werden können.

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