Nationalrat beschließt Schutzzonen rund um Krankenhäuser

Auch Gedenkveranstaltungen wie in Bleiburg können künftig untersagt werden

Wien (PK) – Um Behinderungen der Gesundheitsversorgung durch COVID-19-MaßnahmengegnerInnen zu verhindern, gab der Nationalrat heute mehrheitlich grünes Licht für die Möglichkeit, Schutzzonen im Umfeld kritischer Gesundheitsinfrastruktur einzurichten, wie etwa vor Krankenhäusern.

Einstimmig zur Kenntnis genommen wurde der Bericht der Expertengruppe „Bleiburg“, die auf Basis einer Entschließung des Nationalrats und vor dem Hintergrund einer jährlich am Loibacher Feld bei Bleiburg stattfindenden Gedenkveranstaltung eingerichtet wurde. Die Expertinnen kommen darin zu dem Schluss, dass unter anderem aufgrund des vorhandenen Ustascha-Bezuges der Veranstaltung eindeutige Verbotsgründe vorliegen.

Schutzzonen für wesentliche Gesundheitseinrichtungen im Sicherheitspolizeigesetz verankert

COVID-19-MaßnahmengegnerInnen hätten in den vergangenen Monaten den Betrieb von Gesundheitseinrichtungen und letztlich die Gesundheit von PatientInnen gefährdet, wie aus einem Antrag der Koalitionsfraktionen hervorgeht. Damit dies künftig verhindert werden kann, soll es den Sicherheitsbehörden möglich sein, einen bestimmten Ort, an dem eine Störung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes zu befürchten ist, per Verordnung zur Schutzzone zu erklären. Die Schutzzone gilt dann für das Schutzobjekt sowie in einem Umkreis von bis zu 150 Metern. Die Sicherheitsorgane erhalten mit der Einrichtung von Schutzzonen zudem die Möglichkeit, Betretungsverbote und Wegweisungen gegen bestimmte Personen auszusprechen. Die Regelungen sollen vorerst bis Ende 2022 eingeführt werden.

Der Antrag gehe am Ziel der den Anstoß liefernden Entschließung vom Dezember 2021 vorbei, zeigten sich die Sozialdemokraten Reinhold Einwallner und Maximilian Köllner enttäuscht. Es habe Einigkeit darüber geherrscht, das Gesundheitspersonal vor einer Bedrohung durch COVID-19-MaßnahmengegnerInnen möglichst schützen zu wollen. Schutzzonen, die in weitere Folge auch Demonstrationen des Gesundheitspersonals selbst verhindern könnten, seien eindeutig nicht erwünscht gewesen. Es hätte genügend andere rechtliche Möglichkeiten – etwa im Versammlungsrecht – gegeben, das Gesundheitspersonal zu schützen, ohne eine derart „überschießende Regelung auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen“ einzuführen, so Einwallner.

Um die Versammlungsfreiheit als hohes Gut für jeden Staat, der sich als Demokratie begreift, sorgte sich Christian Ries (FPÖ). Natürlich gebe es auch Einschränkungen, wenn eine Versammlung ein höheres Rechtsgut gefährdet, wie etwa die öffentliche Sicherheit. Diese Einschränkungen könnten aber bereits mittels bestehenden Rechtes vollzogen werden, zeigte auch Ries sich überzeugt. Ein funktionierender Rechtsstaat zeichne sich dadurch aus, dass geltendes Recht angewandt und nicht willkürlich verändert wird. Man brauche keine „Show-Beschlüsse mit dem Charakter von Ermächtigungsgesetzen“.

Andreas Minnich (ÖVP) zeichnete das „bizarre Bild“ von Krankenhäusern, in denen innen der Überlebenskampf gegen das Virus und draußen der Kampf gegen die Impfung herrsche. Um dieses Bild in der Realität künftig zu verhindern, seien Schutzzonen um kritische Gesundheitseinrichtungen notwendig. Er bezeichnete es als traurig, dass derartige Maßnahmen als Reaktion auf die massive Radikalisierung gegen die COVID-19-Maßnahmen erforderlich geworden seien. Christian Stocker (ÖVP) zeigte kein Verständnis für die ablehnende Haltung der Opposition dem Antrag gegenüber. Die gemeinsame Entschließung ziele auf den Schutz des Gesundheitspersonals ab, was dieser Antrag auch leiste. Eine überschießende Regelung sehe er darin nicht.

Der vorliegende Antrag habe nichts mit Versammlungen zu tun, stellte Georg Bürstmayr von den Grünen klar. Diese würden sich, wie von SPÖ und FPÖ aufgezeigt, nach dem Versammlungsgesetz richten. Hier gehe es vielmehr um den Schutz kritischer Gesundheitsinfrastruktur vor Einzelpersonen oder kleinen Gruppen, die etwa behaupten nur „spazieren zu gehen“ und dabei Gesundheitspersonal oder PatientInnen gefährden. Es handle sich um einen kleinen, rechtlich notwendigen Schritt, um in bestimmten Situationen Leben und Gesundheit von Menschen zu schützen und die Arbeit in wesentlichen Gesundheitseinrichtungen zu ermöglichen.

Expertengruppe „Bleiburg“: Gesetzeslage erlaubt Untersagung von umstrittener Gedenkveranstaltung

Aufgrund einer Entschließung des Nationalrats hat das Innenministerium eine multidisziplinäre Expertengruppe zu einer jährlich im Mai bei Bleiburg in Kärnten abgehaltenen Gedenkveranstaltung eingerichtet. In ihrem Bericht halten die ExpertInnen fest, dass es bei der Veranstaltung wiederholt zu nationalsozialistischer Wiederbetätigung gekommen sei und das faschistische Ustascha-Regime gewürdigt werde. Deshalb sei es geboten, diese nach den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes künftig zu untersagen.

Bezüglich der ebenfalls evaluierten Symbole-Bezeichnungs-Verordnung wird auf ein Begutachtungsverfahren und die Neufassung der Verordnung verwiesen, wonach das mit Weiß beginnende kroatische Wappenschild den verbotenen Abzeichen zuzurechnen sei, da es von der 13. SS-Division „Handschar“ verwendet wurde und somit einen Bezug zum Nationalsozialismus aufweise. Die Expertengruppe betont ausdrücklich, dass sie sich nicht gegen ein Totengedenken oder eine katholische Messe ausspreche, und verweist auf im Bericht angeführte Beispiele für „neutrale Totengedenken“, die mit den demokratischen Grundwerten vereinbar seien.

ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl zeigte sich erfreut über die Zustimmung aller fünf Parteien zu dem Bericht und betonte den aus seiner Sicht dafür notwendigen jahrzehntelangen Aufarbeitungsprozess. Er illustrierte anhand von Zitaten aus dem Bericht den komplexen historischen Hintergrund der Gedenkveranstaltung. Hier hätte ein totalitäres Regime versucht die Verbrechen eines anderen totalitären Regimes zu rächen. Wenn im Rahmen der Gedenkveranstaltung die Verbrechen einer Seite geleugnet würden, bedeute dies einen politischen Missbrauch des Gedenkens und könne nicht toleriert werden.

Der Bericht komme nun auf 110 Seiten zu einem Schluss, den die SPÖ schon seit Jahren im Rahmen von Forderungen gezogen habe, merkte Sabine Schatz (SPÖ) an. Bei dem Treffen handle es sich um „das größte Neonazi- und Faschistentreffen Europas“ und es gebe keine Ausrede mehr, dieses ein für alle Mal zu verbieten. Auch die Kärntner Landesregierung sei dieser Auffassung. Es fehle jedoch noch eine klare Positionierung des Innenministers, die Schatz und ihr Fraktionskollege Reinhold Einwallner einforderten.

Als eine „grundsätzlich legitime Gedenkveranstaltung für mindestens 60.000 ermordete Menschen“ bewertete Hannes Amesbauer (FPÖ) die Veranstaltung, räumte jedoch ein, dass diese seit einigen Jahren von neonazistischen und faschistischen Gruppierungen missbraucht werde, um ihre Botschaften zu transportieren. Die Freiheitlichen hätten dem ursprünglichen Ansinnen nicht zugestimmt, da aus ihrer Sicht weder der Innenminister, noch das Parlament für diese Frage verantwortlich sei, sondern die zuständige Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt. Der Evaluierung des Treffens sowie dem vorliegenden Bericht sprach er jedoch seine Zustimmung aus. Amesbauer wehrte sich gegen die von Sabine Schatz getätigte Pauschalierung aller TeilnehmerInnen als FaschistInnen, die nach Amesbauer großteils „ehrenhafte Absichten“ hätten. Deshalb müsse die Möglichkeit eines Totengedenken im Rahmen einer kirchlichen Feier aufrecht bleiben, wie auch im Bericht festgehalten wurde.

Dieser Rahmen sei nie gegeben gewesen, widersprach Olga Voglauer von den Grünen und bezeichnete die Veranstaltung als ein „Manifest des Faschismus“, bei dem die Kärntner Behörden seit Jahrzehnten weggesehen hätten. Letztere seien nun auch am Zug, die Conclusio des Berichtes – dass das Treffen bei Bleiburg künftig nicht mehr stattfinden dürfe – in die Tat umzusetzen. Dabei müsse auch darauf geachtet werden, dass die VeranstalterInnen keine Umgehungsmöglichkeiten finden, wie Eva Blimlinger (Grüne) ergänzte. Ein „neutrales Gedenken“, wie im Bericht beschrieben, könne es im Zusammenhang mit dem Faschismus niemals geben, hielt sie fest.

Dem stimmte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper zu und ging auf die Rolle der Ustascha-Bewegung während des Zweiten Weltkriegs ein. Sie drückte ihre Freude darüber aus, dass diesem „für die Zweite Republik unwürdigen Schauspiel“ nun ein Ende gesetzt werde und erinnerte an die sich aus dem Staatsvertrag ergebenden Verpflichtungen Österreichs, denen man durch das Verbot der Veranstaltung einen Schritt mehr gerecht werden könne.

FPÖ bringt Verlangen auf Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof ein

In der heutigen Nationalratssitzung hat die FPÖ zudem ein Verlangen auf Durchführung einer Gebarungsüberprüfung durch den Rechnungshof eingebracht. Demnach soll das Kontrollorgan die Aufgabenerfüllung und Einsatzbereitschaft der 4. Panzergrenadierbrigade des Bundesheeres prüfen. Geht es nach den Freiheitlichen, soll die Gebarungsüberprüfung insbesondere alle Maßnahmen rechtlicher, organisatorischer, finanzieller und personeller Natur durch die VerteidigungsministerInnen zwischen 2013 und 2022 umfassen. (Schluss Nationalrat) wit

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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