TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“, vom 27. April 2022, von Peter Nindler:“Wollen Grüne auch Wahlen gewinnen?“

Innsbruck (OTS) – Dass sich Soziallandesrätin Gabriele Fischer und Klubchef Gebi Mair um die grüne Spitzenkandidatur für die Landtagswahl duellieren, dürfte die Basis mobilisieren. Aber zugleich die Grünen an die Grenzen der politischen Belastbarkeit führen.

Für die Tiroler Grünen geht es bis zur Landtagswahl um alles. Das möchte man eigentlich meinen. In der Regierungsbeteiligung mit der ÖVP haben sie sich extrem abgenützt, jetzt schaffen sie es nicht einmal, sich auf eine gemeinsame Spitzenkandidatur zu einigen. Natürlich ist das – positiv interpretiert – innerparteilicher Wettbewerb. Zum anderen aber Ausdruck von Hilflosigkeit nach zehn Jahren in der Landesregierung. Denn zu Recht erwartet sich die Bevölkerung von einer bestimmenden Kraft in Tirol – und das sind die Grünen mittlerweile – Stabilität und keinen Richtungsstreit wenige Monate vor der Wahl.
Soziallandesrätin Gabriele Fischer und Klubchef Gebi Mair sind nämlich völlig unterschiedliche politische Charaktere. Sie mögen sich schlichtweg nicht. Ein gemeinsames Antreten hätte sicher „Fire and Ice“ auf dünnem Eis bedeutet, doch die gesamte grüne Breite von Sozial- bzw. Menschenrechtspolitik bis zum zentralen Umweltengagement abgebildet. Das wird jetzt filetiert und wie es häufig bei (internen) Wahlkämpfen so ist, werden dabei nicht nur die Vorzüge der eigenen Kandidatur hervorgekramt, sondern die Schwächen der Mitbewerber ebenfalls thematisiert. Allerdings meist hinterrücks.
Ob nun Fischer oder Mair: Die Grünen haben vor allem ihre strukturellen Probleme nicht in den Griff bekommen und es verabsäumt, mit den Herausforderungen in den vergangenen Jahren zu wachsen. Bei den Gemeinderatswahlen schnitten sie enttäuschend ab, statt Breite hat sich die Ökopartei zusehends verengt. Die Landespartei war nicht in der Lage, die Umweltinitiativen und NGOs einzubinden, deshalb gibt es immer wieder Konflikte mit Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe und Gabriele Fischer. Zugleich entstand dadurch das Bild von den handzahmen Grünen in der schwarz-grünen Koalition. Statt die Ärmel hochzukrempeln und Fehlentwicklungen zu korrigieren, hat sich zuletzt vielmehr ein grüner Wahlrat damit beschäftigt, ob die Bewerber wohl ins grüne Wertekorsett passen. Weltfremder und realitätsferner geht es wohl nicht.
Haben sich die Grünen vielleicht ganz nebenbei gefragt, wie sie auch Wahlen gewinnen können? Offensichtlich nicht. Der Machtkampf in Grün ist eröffnet, den können die vermeintlichen Parteistrategen keinesfalls schönreden. 2017 haben die Bundesgrünen Peter Pilz hinausgewählt, jetzt wird’s in weiterer Folge entweder Gabriele Fischer oder Gebi Mair treffen. Das Schicksal der österreichischen Grünen ist bekannt, sie flogen aus dem Parlament. Das wird den Tiroler Grünen nicht passieren. Aber geschwächt haben sie sich bereits. Und das mutwillig.

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