„Wer liebt, tötet nicht. Gewalt gegen Frauen“: Neue „Menschen & Mächte“-Dokumentation am 18. Mai um 22.30 Uhr in ORF 2
Danach: „WELTjournal +: Ex-Freund als Stalker – Chronik eines angekündigten Todes“
Wien (OTS) – Wer liebt, tötet nicht, wer liebt, prügelt nicht, sollte man meinen. Doch die Medien berichten in regelmäßigen Abständen über das Gegenteil. Gewalt ist ein mehrheitlich männliches Phänomen. Diese traurige Wahrheit belegt die jährliche Kriminalstatistik. Auch Frauen morden, doch meist nach langjährigen Misshandlungen, selten aus rein kriminellen Motiven. Vergangenes Jahr wurden in Österreich 31 Frauen getötet, die Täter stammten zum überwiegenden Teil aus dem Familienkreis. Gewalt im Zuhause, in privaten Räumen: meist Ausdruck der Verweigerung, Lebensveränderungen wie Trennungen zu akzeptieren. Das kann schmerzhaft sein, noch schmerzhafter oft: die gekränkte Ehre. Wenn Männer ihr Beziehungsglück zu großen Teilen über das „Funktionieren und Wohlverhalten“ der Partnerin definieren, daraus auch Männlichkeit und Status schöpfen, kann eine Meinungsverschiedenheit rasch eskalieren. In Österreich ist jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens von männlicher Gewalt betroffen, ausgeübt auch von Fremden, in den allermeisten Fällen aber von (Ehe-)Partnern oder Ex-Partnern.
Lisa, eine junge Frau aus Wien, verliebt sich mit 15 Jahren in einen Gleichaltrigen. Schon bald zeigt sich seine Eifersucht. Damit beginnt eine Spirale von verbaler und steigender körperlicher Gewalt. Lisas Mutter alarmierte die Polizei, eine Anzeige folgte. Was danach geschah, welchem Martyrium sie anschließend ausgesetzt war, erzählt sie in der neuen „Menschen & Mächte“-Dokumentation „Wer liebt, tötet nicht. Gewalt gegen Frauen“ von Gregor Stuhlpfarrer und Viktoria Tatschl am Mittwoch, dem 18. Mai 2022, um 22.30 Uhr in ORF 2. Um 23.25 Uhr folgt „WELTjournal +: Ex-Freund als Stalker – Chronik eines angekündigten Todes“.
Wohin nach einem Gewalterlebnis, das die gemeinsame Wohnung zum Schreckensraum macht? Wohin, wenn Haus oder Wohnung dem Täter gehören? Was tun, wenn man sich vor der Nachbarschaft schämt, wenn die Betroffene kein eigenes Einkommen besitzt, Hausfrau ist, den Beruf für den Mann aufgegeben hat? Da helfen unter anderem die Frauenhäuser. 29 gibt es in Österreich. In eines in Tirol ist Frau Margarethe im Frühjahr 2021 geflüchtet. 46 Jahre lebte sie in einer von Gewalt dominierten Beziehung. „Er hat alles getan, um mir mein Leben so schwer wie möglich zu machen.“ Mit Psychoterror und Gewalt. „Das Schwierigste war, zu begreifen, dass man den Menschen nach 46 Jahren eigentlich gar nicht kennt“, sagt die 67-Jährige im ORF-Interview. Für Frauenhaus-Leiterin Gabriele Plattner wird noch immer zu wenig getan, um häusliche Gewalt zu bekämpfen: „Es braucht deutlich mehr Finanzierung im Bereich der Gewaltprävention, aber auch in Richtung Geschlechtergerechtigkeit. Zum Beispiel flächendeckende und kostenlose Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Denn auch das ist ein Schlüssel, um Frauen unabhängiger zu machen.“ Anlaufstellen und Telefonhotlines für misshandelte Frauen gibt es mittlerweile viele und in allen Bundesländern. Was die Institutionen verbindet, ist die mangelnde Dotierung.
Expertinnen wie die Rechtshistorikerin Ilse Reiter-Zatloukal sehen eine Reihe gesetzlich-juristischer Verbesserungen für Frauen, wie etwa das Gewaltschutzgesetz aus 1997, das erstmals Betretungsverbote und Wegweisungen vorsah, auch langfristiger Art. Doch das hat der jungen Lisa, die mit ihrem eifersüchtigen Freund Schreckliches erlebte, leider nicht geholfen, da die Polizei keine Wegweisung anordnete. Daher brachte ihre Anwältin eine Amtshaftungsklage gegen die Republik ein. „Meine Mandantin hat durch das pflichtwidrige Unterlassen der Polizei körperliche und seelische Schmerzen erlitten, unter denen sie bis heute leidet. Dafür hat der Staat geradezustehen.“ Eine Entscheidung über die Amtshaftungsklage steht noch aus. Ein Fall, der Defizite in den Strukturen offenlegt. Warum wurde Lisas gewalttätiger Freund nicht sofort weggewiesen und ebenso rasch einvernommen? Fragen, die der Polizei von den Gestaltern der Doku gestellt wurden.
Wird die Exekutive alarmiert, folgen in der Regel Anzeigen. Falls der Gewalttäter wegen der Schwere des Übergriffs nicht ohnehin gleich verhaftet wird, ordnet die Polizei die Wegweisung an. Das jedoch geschehe zu selten, meinen Kritiker/innen. Kommt es zu Anklagen und Gerichtsverfahren, müssen die nicht unbedingt mit Verurteilungen enden. „Mehr als die Hälfte der Verfahren wird eingestellt“, sagt Anwältin Sonja Aziz. Ein Staatsanwalt erklärt in der Doku die Gründe aus strafrechtlicher Sicht.
Seit 2006 gibt es für die „beharrliche Verfolgung“ einer Person, die auch telefonisch oder per Mail erfolgen kann, eine gesetzliche Handhabe zur Strafverfolgung, den sogenannten Anti-Stalking-Paragrafen. Seit September 2021 ist jeder, der von der Polizei weggewiesen wird, verpflichtet, einen sechsstündigen Kurs über Gewaltprävention zu absolvieren. Welche therapeutische Wirkung können sechs Stunden haben? „Sechs Gesprächsstunden sind besser als nichts. Aber sicher zu wenig“, sagt Sigrun Roßmanith, Psychiaterin und Gerichtsgutachterin, die mit Hunderten männlichen Gewalttätern gesprochen hat.
Auch Gerhard hat die sechs Beratungsstunden im Rahmen der Gewaltprävention absolviert. Zu Beginn des Jahres wurde gegen ihn ein Betretungsverbot ausgesprochen. Während der Dreharbeiten schilderte er seine Sicht des Konfliktes mit seiner Ex-Partnerin. Gerhard hat noch nie in so einem Setting über seine Gefühle und die Aggressionen gesprochen. „Am Anfang ist es mir schwergefallen, darüber zu reden. Ich wollte wieder gehen, weil da kommen viele Sorgen und Ängste in einem hoch. Existenzängste, Verlust der gesamten Familie, das Ansehen in der Gemeinde“, erzählt der 45-jährige Steirer. Auch seine Interviewbereitschaft erforderte Mut.
Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, bleiben oft lange Jahre weiter Opfer: Opfer der Angst, die zum traumatischen Lebensbegleiter werden kann. Was tun, wenn er aus dem Gefängnis kommt? Was tun, wenn er trotz Wegweisung vor dem Haus oder der Wohnungstüre lauert? Diese Angst führte auch dazu, dass Gregor Stuhlpfarrer und Viktoria Tatschl Frauen trafen, die über ihr Schicksal zwar in privaten Gesprächen berichteten, dann jedoch nicht wagten, ein TV-Interview zu geben, weil sie fürchteten, der Ex-Partner könnte sie und ihre Leidensgeschichte erkennen und Rache üben. Daher wurden die Namen jener Frauen, die in der Doku vorkommen, zu ihrem persönlichen Schutz von der Redaktion abgeändert.
In monatelangen Recherchen haben Stuhlpfarrer und Tatschl mit Frauen vertrauensbildende Gespräche geführt. Jene, die sich bereit erklärten, Interviews zu geben, taten das auch, um Leidensgenossinnen Mut zu machen, sich zu wehren, Selbstbewusstsein zu entwickeln und verlorene Würde zurückzugewinnen. So gelang eine feinfühlige Dokumentation mit vielen Zwischentönen, zu der Kameramann Walter Reichl eine ebenso sensible Bildsprache entwickelte.
WELTjournal +: „Ex-Freund als Stalker – Chronik eines angekündigten Todes“
Gewalt von Männern ist ein weltweites Problem, das nicht nur in patriarchal geprägten Ländern auftritt, sondern auch quer durch Europa in Ländern, die sich in Sachen Gleichberechtigung als gut aufgestellt begreifen. Körperliche, sexuelle und psychische Gewalt, sexuelle Belästigung, Stalking und Gewaltformen in Zusammenhang mit den sogenannten sozialen Medien sind für viele Frauen ein alltägliches Problem. Die größte Gefahr für sie geht meist vom Ehemann, Ex-Mann oder Ex-Freund aus.
„WELTjournal +“ zeigt die Geschichte der jungen Britin Molly McLaren, die von ihrem Ex-Freund mit 75 Messerstichen getötet wurde – am helllichten Tag, auf einem Parkplatz vor dem Fitnessstudio, in dem sie arbeitete. Die beiden hatten sich Monate zuvor über Tinder kennengelernt und verliebt, doch schon bald begann der 26-jährige Joshua Stimpson seine Freundin zu kontrollieren und zu überwachen. Molly, 23, beendete die Beziehung, worauf Joshua anfing, sie zu stalken, zu verfolgen und zu bedrohen. Obwohl sie ihn auf all ihren Social-Media-Kanälen blockierte, fand er Möglichkeiten, sie über die Accounts von gemeinsamen Bekannten auszuspionieren. Mollys tragisches Schicksal steht für das unzähliger Frauen und Mädchen, denen Ex-Partner und Lebensgefährten das Leben zur Hölle machen – oft bis zum Tod.
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