ÖGARI zum Tag der Intensivmedizin am 20. Juni

„Wir werden immer wieder an die Grenzen der Leistungsfähigkeit stoßen“ – Neue Spitzenbelastungen durch den Klimawandel – Bedeutung der „Ressource Mensch“

Wien/Zams (OTS) – Den Tag der Intensivmedizin am 20. Juni, eine grenzüberschreitende Aufklärungsinitiative, nutzt auch die Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), um auf die wichtigen Aufgaben dieses Spezialgebietes aufmerksam zu machen und zu zeigen, was Intensivteams in den Spitälern Tag für Tag für kritisch kranke Menschen leisten – mit und ohne Pandemie. „Jede und jeder kann einmal in die Lage kommen, eine intensivmedizinische Behandlung zu benötigen, zum Beispiel nach einem Unfall oder Unglück, nach einer großen Operation oder aufgrund einer schweren bakteriellen oder viralen Infektion“, sagt ÖGARI-Präsident Prim. Univ.-Prof. Dr. Walter Hasibeder (Zams). „Die SARS-CoV-2-Pandemie hat deutlich gemacht, dass wir hierzulande im internationalen Vergleich sehr gut mit intensivmedizinischen Ressourcen ausgestattet sind. Und dennoch sind auch wir im Laufe einzelner Erkrankungswellen durch massive Zusatzbelastungen durchaus an die Grenzen unserer Möglichkeit gestoßen, jeder und jedem die Therapie zukommen zu lassen, die sie oder er benötigte.“

Die „Ressource Mensch“ im Fokus

Besonders eindrücklich habe die Pandemie gezeigt, dass es bei der häufig geforderten Ausweitung der Intensivressourcen nicht mit einem Mehr an Betten oder Geräten getan ist, sondern dass diese „bespielt“ werden müssen – von speziell ausgebildeten Fachkräften aus Pflege und Medizin, betont die Stellvertreterin für den Bereich Intensivmedizin in der ÖGARI Assoc.-Prof. PD Dr. Eva Schaden (Wien). „Damit wir Intensivmedizin weiterhin auf dem gewohnt hohen Niveau in dem geforderten Umfang anbieten können, müssen wir sicherstellen, dass es ausreichend viel und besonders für diese Aufgabe trainierten Nachwuchs gibt. Das betrifft nicht nur die Pflege, sondern auch Medizinerinnen und Mediziner. Auf die Ressource Mensch muss hier noch viel mehr Wert und Augenmerk gelegt werden, denn hier haben wir Engpässe zu erwarten.“ So sei es unter anderem wichtig, Ärztinnen und Ärzten, die bereits in diesem anspruchsvollen und belastenden Beruf tätig sind, Stärkung und Stütze in Sachen Resilienz und hohe Belastung anzubieten oder auch sogenannte Social Skills wie zum Beispiel Kommunikation zu trainieren. „Um das arbeitsintensive Fachgebiet für den medizinischen Nachwuchs attraktiv zu machen brauchen wir unter anderem angemessene finanzielle Rahmenbedingungen und Arbeitszeitmodelle, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern“, so Prof. Schaden.

Klimawandel fordert auch die Intensivmedizin

„Trotz bester Ausstattung, Planung und Vorbereitung werden wir auch in Zukunft immer wieder vor dem Problem stehen, dass wir bei den intensivmedizinischen Ressourcen an die Grenzen des Machbaren oder darüber hinaus kommen“, sagt Prof. Hasibeder. „Vieles spricht dafür, dass Situationen, in denen besonders viele Menschen gleichzeitig intensivmedizinische Hilfe benötigen, häufiger auftreten werden.“

Verantwortlich dafür ist auch der Klimawandel, mit deutlich mehr Hitzewellen, extremen Wetterereignissen, Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Waldbränden oder Murenabgängen, und neuen Epidemien bzw. einer Verlagerung von Infektionskrankheiten in neue Regionen. Epidemiologische Studien zeigen etwa bei Hitzewellen eine Zunahme von Krankenhauseinweisungen, unter anderem aufgrund von Herzinfarkten und Schlaganfällen, schweren respiratorischen Störungen oder Nierenfunktionsstörungen und Dehydratation. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC weist explizit auf das zunehmende Gesundheitsrisiko durch Hitze hin. Extremwetterereignisse konfrontieren Intensivstationen in der betroffenen Region mit zahlreichen gleichzeitig eingelieferten Hitzeerkrankten oder Verletzten. Das Vorkommen sowie die Übertragbarkeit und Gefährlichkeit vieler Bakterien, Viren und Pilze hängt stark von Umgebungsbedingungen ab und kann sich bei Erwärmung massiv verändern. Es gibt sogar Hinweise auf Zusammenhänge zwischen postoperativen Wundinfektionen und Klimafaktoren.

Bei knappen Ressourcen gerechten Zugang zur Versorgung
sicherstellen

„Wir müssen also noch mehr als in der Vergangenheit gerüstet sein für Situationen, in denen wir sehr viele schwer kranke oder schwer verletzte Menschen gleichzeitig versorgen müssen“, sagt Prof. Hasibeder. „Das wiederum wird auch bei optimaler Vorbereitung und bei bestmöglicher Ressourcenplanung zu Situationen führen, in denen nicht allen Menschen, die intensivmedizinische Betreuung benötigen, eine solche bekommen können.“ Unter den Begriffen „Ressourcenallokation“ oder „Triage“ wurden schon ab dem Beginn der Corona-Pandemie Kriterien für solche Entscheidungssituationen diskutiert und von der ÖGARI zur Verfügung gestellt.

„Auch Pandemie-unabhängig müssen wir uns über solche Situationen Gedanken machen“, sagt der ÖGARI-Präsident. „Aus unserer Sicht ist dabei klar, dass Entscheidungen über die Zuteilung knapper Ressourcen immer im Team, unter Sicherstellung maximaler Gerechtigkeit zu treffen sind, und dass alle im umfassenden biopsychosozialen Gesundheitsmodell beinhalteten Kriterien dabei eine Rolle spielen müssen.“ Diese betreffen die Einschätzung der Prognose und des Rehabilitationspotenzials und auch die Berücksichtigung des – leider zu selten vorformulierten – Willens der Patientinnen und Patienten. So können knappe Ressourcen bei den Patientinnen und Patienten eingesetzt werden, die den größten Nutzen davon haben und in der Lage, aber auch bereit sind, die Belastungen einer intensivmedizinischen Behandlung zu tragen.

Bettschart&Kofler GmbH
Dr. Birgit Kofler
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