WTO TRIPS-Waiver: Rückschlag für die Pharmaforschung

Aufweichung des Patentschutzes gefährdet Anreizsystem für die Entwicklung innovativer Arzneimittel

Wien (OTS) – Auf der Ministerkonferenz MC12 der Welthandelsorganisation (WTO) wurden diese Woche weitreichende Veränderungen im Bereich Patentschutz verhandelt. Der mit Zustimmung der EU beschlossene TRIPS-Waiver für Corona-Impfstoffe wird wahrscheinlich schwere Folgen für die pandemiebezogene Gesundheitsversorgung in Österreich und Europa haben. Der durch den Waiver erzwungene Wissenstransfer könnte nämlich das bisher sehr erfolgreiche Verwertungssystem der Pharmaforschung nachhaltig beschädigen. Gerade die Aussicht, ein innovatives Produkt eine gewisse Zeit lang vor Nachahmung schützen zu können, hat in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass hunderte Medikamente und Therapien für bis dahin schwer oder nicht behandelbare Krankheiten entwickelt wurden. Diese Entwicklung könnte nun ausgebremst werden, weil der Anreiz für die Unternehmen reduziert wird, sich dem milliardenschweren Risiko der Medikamentenforschung auszusetzen. Vordergründung geht es beim TRIPS-Waiver aktuell um die Impfstoffe gegen COVID-19. Eine Entscheidung über eine Ausweitung der Bestimmungen auf weitere Bereiche wie Therapeutika und Diagnostika ist aber bereits in 6 Monaten vorgesehen.

Zudem ist durch den WTO-Beschluss keine Verbesserung der Versorgung für Entwicklungsländer mit Impfdosen zu erwarten. Seit Monaten werden global mehr Vakzine produziert als nachgefragt. Bis Mai 2022 wurden weltweit 13,6 Milliarden Impfstoffdosen hergestellt, aber nur 11,6 Milliarden verimpft. Die Ursachen für die niedrige Impfquote in vielen Entwicklungsländern, vor allem in Afrika, liegen nicht, wie oft fälschlicherweise behauptet, im Bereich der Patente und der Herstellung, sondern bei Problemen in der lokalen Distribution und der mangelnden Impfbereitschaft der Bevölkerung. Mit der Aufweichung des Patentschutzes im Rahmen der WTO-Verhandlungen soll eine Lösung für ein Problem bereitgestellt werden, dass es so nicht gibt. Schlimmer noch: Anstatt die Gesundheitsversorgung weltweit zu verbessern, könnte sich der Lösungsansatz der WTO in Zukunft sogar negativ auf die Reaktionsfähigkeit der internationalen Gesundheitssysteme auswirken. „Die Aushöhlung des Patentschutzes durch die WTO könnte sich bei der nächsten Pandemie rächen. Unternehmen müssen Milliarden in die Entwicklung von Impfstoffen investieren. Wenn das wirtschaftliche Risiko künftig zu groß ist, werden wir nicht mehr so schnell wie bei Corona neue Impfstoffe zur Verfügung gestellt bekommen“, kommentiert Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des FCIO die Entscheidung der WTO-Gremien.

Über den FCIO:

Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) ist die gesetzliche Interessenvertretung der chemischen Industrie in Österreich. Derzeit vertritt der Verband mehr als 230 Unternehmen aus der chemischen Industrie, welche neben der Kunststoff- und Pharmaindustrie auch die Produktion von organischen und anorganischen Chemikalien, industriell hergestellte Fasern und Lacken umfassen. Etwa 47.000 Beschäftigte in der chemischen Industrie haben 2020 Waren im Wert von über 15 Milliarden Euro hergestellt. Der FCIO setzt sich für einen ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen und attraktiven Chemiestandort Österreich mit einem forschungs- und technologiefreundlichen Umfeld ein, in dem die chemische Industrie mit ihrer Innovationskraft Lösungen für die zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen entwickeln und liefern kann. [www.fcio.at] (http://www.fcio.at)

FCIO Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs
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