Hans Maršálek-Preis: Auszeichnungen für besondere Verdienste um Gedenkkultur im Parlament überreicht

Preisverleihung zu Ehren einer herausragenden Persönlichkeit der österreichischen Geschichte

Wien (PK) – Für besondere Leistungen im Bereich der Gedenk-, Erinnerungs- und Bewusstseinsarbeit wurde heute zum dritten Mal der Hans Maršálek-Preis verliehen. Dazu luden Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures gemeinsam mit dem Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) und der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen (ÖLM) ins Parlament ein. Mit der Auszeichnung wird an den Zeitzeugen und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus Hans Maršálek erinnert, der sein Leben nach dem Zweiten Weltkrieg der Erforschung und Dokumentation der Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen und seiner Nebenlager gewidmet hat. Nach den einleitenden Worten von Parlamentsdirektor Harald Dossi und dem Vorsitzenden des MKÖ Willi Mernyi wurden drei Hauptpreise, vier Würdigungspreise sowie 20 Anerkennungsurkunden überreicht, um Projekte zu würdigen, die im Geiste Maršáleks stehen und im Sinne der Aufklärung über den Nationalsozialismus wirken.

Dossi: Maršálek blickte trotz erlittener Grausamkeit ohne Hass zurück

In seinen Eröffnungsworten ging Parlamentsdirektor Harald Dossi auf die prägende Persönlichkeit Hans Maršálek und seine Verdienste ein. Viele würden sich in Ehrfurcht an Maršálek erinnern, der vom NS-Regime verhaftet und nach Mauthausen deportiert wurde, wobei er unsagbare Gewalt, Grausamkeit und Unmenschlichkeit erlebt habe. Trotz all dem habe er es zustande gebracht, nach der Befreiung ohne Hass auf diese Zeit zurückzublicken, erklärte Dossi und erinnerte an die von Maršálek betriebene archivarische Tätigkeit. Auch an der Planung der Gedenkstätte Mauthausen sei er wesentlich beteiligt gewesen.

Ganze Generationen von Forschenden und Studierenden seien von Maršálek mit seinem umfangreichen Wissen versorgt worden und er habe regelmäßig Kontakt zu Jugendorganisationen und Kirchen gesucht, um gemeinsam mit diesen Erinnerungsarbeit zu leisten. Schließlich sei er auch ein bedeutender Impulsgeber für die Entwicklung des Mauthausen-Komitees gewesen, welches als Institution aus der österreichischen Erinnerungskultur nicht mehr wegzudenken sei und konsequent seine Arbeit im Dienste der Opfer und Überlebenden leiste.

Mernyi: Maršálek kombinierte haarscharfen Verstand mit herausragender Empathie

Der Vorsitzende des Mauthausen-Komitees Willi Mernyi drückte seine Freude darüber aus, dass die Preise nach der langen Pandemiezeit nun endlich persönlich überreicht werden könnten. Viele von den Bewerbungen seien bereits 2020 eingereicht worden. Zudem sei er stolz darauf, diese Preise zu Ehren von Hans Maršálek vergeben zu dürfen, der die „beeindruckendste politische Persönlichkeit“ darstelle, die er je kennenlernen durfte. Maršálek habe sowohl über einen „haarscharfen Verstand“ als auch über herausragende Empathie verfügt, was Mernyi mit persönlichen Anekdoten über ihn illustrierte. Obwohl er für die Rettung vieler Menschenleben während dem NS-Regime verantwortlich gewesen sei, habe er die Zeit nach dem Krieg nicht damit verbracht, seine Heldengeschichten zu erzählen. Maršálek habe stattdessen daran gearbeitet, dass derartiges Unheil nie wieder passieren könne, so Mernyi.

1. Preis: „Widerstandsmomente“

Der erste Preis wurde dem Verein zur Förderung kommunikativer Eingriffe für ihr Projekt „Widerstandsmomente“ verliehen. Im Zentrum des aus Website und Dokumentarfilm bestehenden Projektes steht der Wert der Zivilcourage, sowohl im Kontext der Zeit des Nationalsozialismus als auch in Bezug auf die Gegenwart. In zwei Workshops in Wien und Linz wurde erprobt, wie Lehrende die Website im Unterricht nutzen können. Den Schüler:innen wird es ermöglich, historische Zeugnisse zu entdecken und diese auf ihre eigene Lebenssituation zu beziehen.

Laudator Willi Mernyi berichtete von dem komplexen Prozess, aus all den für ihn geeigneten Projekten schließlich das Siegerprojekt zu küren. Die Jury habe sich schließlich für „Widerstandsmomente“ entschieden, da es am meisten dem Geiste Maršáleks entspreche. Laut Mernyi habe dieser die Position vertreten: „Kümmert euch um die Jungen, denn die alten Nazis sterben ohnehin.“ Zudem sei das Projekt nicht lediglich auf die Forschung beschränkt, sondern mache die Ergebnisse gleichzeitig anwendbar. Es handle sich um ein „Mutmacher-Projekt“. Zivilcourage beginne beim kleinen, beharrlichen Ungehorsam und zahlreiche mutige Menschen hätten in der NS-Zeit demonstriert, was Widerstand alles möglich mache. Auch heute noch gelte es für jeden Einzelnen, auch im Alltag für eine Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle einzutreten, so Mernyi.

2. Preis: „Vermessungsamt“

Mit dem zweiten Preis wurde die Ausstellung und Publikation „Vermessungsamt“ des Vereines für Industriekultur und Alltagsgeschichte (VIA) geehrt. Das Projekt beschäftigte sich mit den rassenkundlichen Forschungen des NS-Regimes in der damals vorwiegend slowenischsprachigen Gemeinde St. Jakob im Rosental (Kärnten). Im Zuge der Recherchen von Ideengeber Werner Koroschitz konnten am Department für Evolutionäre Anthropologie an der Universität Wien die originalen Unterlagen zu den 1938 durchgeführten Untersuchungen gefunden werden. Bis dahin waren derart umfassende anthropologische Vermessungsaktionen an Zivilist:innen in Österreich de facto unbekannt. Das Projekt schaffe ein Bewusstsein für den ideologischen Missbrauch von Wissenschaften, wodurch vermeintlich unumstößliche Begründungen für Deportation, Enteignung und Ermordung geliefert werden könnten, wie in der Laudatio ausgeführt wurde.

3. Preis für Beitrag der MS Gunskirchen zu Gedenkfeier

Den dritten Preis erhielt die Mittelschule Gunskirchen für den Beitrag, den sie seit 1981 für die Gedenkfeier zur Befreiung des KZ-Nebenlagers Gunskirchen leistet. Neben der Aufklärung über die Schrecken des Nationalsozialismus sehen es die Lehrer:innen als ihre Aufgabe, den Schülerinnen und Schülern Werte wie Demokratie, Toleranz und Nächstenliebe zu vermitteln, um sie anhand der Auseinandersetzung mit der Geschichte zu verantwortungsvollen Menschen zu erziehen. Den Preis nahmen zwei Lehrerinnen der Mittelschule entgegen. Zur Verleihung wurde eine Videobotschaft des KZ-Überlebenden Daniel Chanoch eingespielt, der von seinen Erlebnissen bei der Befreiung des Nebenlagers durch die US-Armee und von seiner Zusammenarbeit mit dem Mauthausen Komitee berichtete.

Die Würdigungs- und Anerkennungspreise für außerordentliches Engagement in der Erinnerungsarbeit

Neben den Hauptpreisen wurden auch vier Würdigungspreise verliehen -jeweils zwei vom MKÖ und zwei vom Comité International de Mauthausen (CIM). So ehrte das MKÖ die VHS Hietzing für ihr vielseitiges erinnerungspolitisches Engagement im Rahmen des Projekts „Juden in Hietzing“. In diesem Rahmen werde nicht nur unermüdlich geforscht, erklärte Willi Mernyi, sondern auch die Anwohner:innen eingeladen, sich mit der Geschichte ihrer Wohnorte auseinanderzusetzen. So werde in der wissenschaftlichen Literatur bereits vom „Hietzinger Modell“ der Erinnerungsarbeit geschrieben.

Der zweite Würdigungspreis des MKÖ ging an den Gedenkverein des KZ-Nebenlagers Guntramsdorf/Wiener Neudorf für den „unheimlich langen Zeitraum“ der erfolgreichen Bewusstseinsbildung. Das bisher größte Projekt des Vereins ist der „Park der Erinnerung“ in Wiener Neudorf, der unter der Leitung von Jürgen Gangoly mit einem internationalen Architekturwettbewerb umgesetzt und einstimmig im Gemeinderat beschlossen wurde.

Die Würdigungspreise des CIM verlieh dessen Präsident Guy Dockendorf. Geehrt wurde das Projekt „ART WORKS! European Culture of Resistance an Liberation“ des Vereins „Hasenherz“, bei welchem Jugendliche aus ganz Europa im künstlerischen Rahmen die Geschichte ihrer Länder aufarbeiten und die Publikation „Kind am Stacheldraht“, in dem Zeitzeuge Franz Trampusch seine persönliche Dokumentation über das KZ-Außenlager Aflenz darlegt.

Zudem wurden 20 Anerkennungsurkunden verliehen. Helmut Edelmayr, Gründungsmitglied des MKÖ berichtete bei der Laudation von der schwierigen Aufgabe, aus 64 „hervorragenden Projekten“ nur wenige Preisträger:innen auszuwählen. Daher habe man sich dazu entschieden, noch 20 weitere Projekte auf diese Weise für das herausragende Engagement zu ehren. (Schluss) wit

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments.

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