TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Ratlos in Innsbruck“, von Peter Nindler

Ausgabe vom Peter Nindler

Innsbruck (OTS) – Was sie jahrelang verabsäumt hat, kann die Tiroler Volkspartei vor der Landtagswahl wohl schwer aus dem Hut zaubern: ein attraktives Angebot an städtische Wählerschichten – vor allem in der Landeshauptstadt Innsbruck.

Die Innsbrucker ÖVP ist das Spiegelbild für den Zustand der Volkspartei im urbanen Raum. Lienz, Kufstein, Schwaz, Hall, Völs, Rum oder Zirl: Lokal­politisch hat die ÖVP dort abgewirtschaftet, einzig in Wörgl konnte sie mit dem jungen, aber anfangs in der Partei ungeliebten Bürgermeisterkandidaten Michael Riedhart den Stadtsessel zurückerobern. Das spricht Bände für das leichtsinnige Vernachlässigen der städtischen Wählerschichten. Vor allem in der Inntalfurche mit und ab dem Großraum Innsbruck.
Die Schwäche der ÖVP in den Städten zieht sich zwar quer durch Österreich, doch speziell in Tirol fand Günther Platter als langjähriger Chef der Tiroler Volkspartei selten einen emotionalen Zugang zu den städtischen Milieus. Schließlich sollte Platter traditionell am Land funktionieren. Damit ließ er die Urbanität einfach links liegen. Zwar hat der Landeshauptmann seine Politik in der Koalition mit den Grünen deutlich offener und moderner ausgerichtet, doch in den Ballungszentren ist das (bisher) nicht angekommen. Weil es dort kaum schwarze Verstärker gibt, um die weniger religiös, nicht im agrarischen Sektor tätigen, tendenziell eher liberal und politisch mobileren Wählerschichten anzusprechen, wie es der Politikwissenschafter Laurenz Ennser-Jedenastik ausdrückt.

In der Landeshauptstadt wird dieses politische Versagen schonungslos entlarvt. Die ÖVP „schnorrt“ politisch in der Stadtregierung mit und präsentiert sich nach außen als jämmerliches Anhängsel der vereinigten Mitte-rechts-Opposition gegen Bürgermeis­ter Georg Willi (Grüne). Und beinahe im Jahrestakt liefern sich die Stadt-Schwarzen interne Scharmützel. Deshalb steht der neue ÖVP-Chef Toni Mattle vor dem Dilemma, dass plötzlich vor der Landtagswahl in Innsbruck etwas möglich sein soll, was seit Jahren nicht gelingt: eine personelle Erneuerung der ÖVP als Basis für eine Entwicklung hin zu einer weltoffenen großstädtischen Partei.
Die Landtagswahl am 25. September wird wie immer in den Bezirken Kufstein, Innsbruck-Land und in der Landeshauptstadt entschieden. Angesichts der für Mattle „alarmierenden Umfragewerte“ zwischen 30 und 32 Prozent benötigt er gerade in diesen „Battleground states“ (umkämpfte Wahlkreise) attraktive Angebote an die WählerInnen und Mobilisierungskraft. In den ländlichen Regionen kann die ÖVP naturgemäß auf den Bauernbund-Turbo vertrauen, in den Ballungsräumen sind urbane Zugpferde vonnöten. Bisher überwiegt jedoch die selbst verschuldete Not. Nicht nur für die Landtagswahl, sondern auch für die Innsbruck-Wahl 2024.

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