Justizausschuss nimmt Verhandlungen zu Antikorruptionsvolksbegehren auf
Kreutner spricht sich für breites Expert:innenhearing aus
Der Justizausschuss hat heute die Verhandlungen zum „Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehren“ aufgenommen und einstimmig vertagt. Martin Kreutner als einer der Proponent:innen sprach sich im Ausschuss für ein breites Expert:innenhearing dazu aus. Etwa zum Konzept einer Generalstaatsanwaltschaft seien die nächsten Schritte politisch abzustimmen, hielt Justizministerin Alma Zadić fest. Die SPÖ schlug vor, zwei Expert:innenhearings zu den 72 Forderungen der Initiative abzuhalten.
Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt wurden ebenso wie zwei Anträge der NEOS zu den Themen Korruption und Untreue auch zwei Anträge der FPÖ, die sich gegen das Verfolgen per GPS-Tracker ausspricht und „Deepfakes“ im Strafrecht verankern will.
Einhellig segneten die Abgeordneten drei Berichte der letzten drei Jahre zum Einsatz von Lauschangriff, Videofalle und Rasterfahndung ab, in denen ein maßvoller Umgang mit diesen Ansätzen attestiert wird.
DANK FÜR RECHTSSTAAT & ANTIKORRUPTIONSVOLKSBEGEHREN
In Sorge um grassierende Korruption, fragwürdige politische Kultur und Angriffe auf den Rechtsstaat zeigen sich die Initiator:innen des „Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehrens“, das mit 307.629 Eintragungen dem Nationalrat vorliegt (1626 d.B.). Mit 72 Vorschlägen sprechen sich Bürger:innen für Reformen zu Anstand und Integrität in der Politik, zur Stärkung des Rechtsstaats und der Unabhängigkeit der Justiz bzw. der Ermittlungs- und Kontrollbehörden, für eine umfassende Antikorruptions- und Transparenz-Gesetzgebung sowie für Pressefreiheit, Medienförderung und gegen Inseratenkorruption aus. Österreich habe seit Jahrzehnten ein unübersehbares und strukturelles Problem mit Korruption, so die Stoßrichtung. Das Land laufe damit zunehmend Gefahr, zu einem rechtsstaatlichen Außenseiter Europas zu werden.
Antikorruptions-Experte Kreutner als einer der Proponent:innen sprach sich dafür aus, das Expert:innenhearing zu den Forderungen möglichst breit auszugestalten und erachtet es als „Chance des Jahrhunderts“, sich diesen Problemen zu stellen. Bei der jüngsten Bundespräsident:innenwahl hätten 85% der Österreicher:innen ihren Politikfrust ausgedrückt. „Die Verantwortung liegt jetzt in Ihren Händen“, wandte Kreutner sich an die Abgeordneten. Österreich würde mit dem bestehenden System heute eine Aufnahme in die EU nicht mehr schaffen, warnte er.
Ähnlich wie die Abgeordneten im Ausschuss drückte auch Justizministerin Zadić den Initiator:innen ihren Dank aus, das Thema in die Schlagzeilen zu bringen. Korruption zerstöre das Vertrauen in die Politik und letztlich in die Demokratie. Die Politik sei gefordert, Gesetze auf den Weg zu bringen, die die Rechtsstaatlichkeit stärken, sowie alles zu unternehmen, dass Korruption nicht vorkommen kann. Wichtig sei ihr dabei, die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken und für Transparenz zu sorgen, die als solche auch präventiv gegen Korruption wirke.
Zum Konzept einer Generalstaatsanwaltschaft seien die nächsten Schritte politisch abzustimmen. Zu achten gelte es auf ein unabhängiges System, das gewisse „Checks and Balances“ vorsieht. Auch daran, die Lücken im Korruptionsstrafrecht zu schließen, werde unablässig gearbeitet.
Selma Yildirim sprach sich seitens der SPÖ für ein zweiteiliges Expert:innenhearing aus. Es brauche sowohl aus der Justiz, die es zu stärken gelte, Expertise, als auch verfassungsrechtliche und parlamentarische Expert:innen. Österreich habe einen schwachen Parlamentarismus, so Yildirim. Das könne eine Demokratie zu Fall bringen, warnte sie. Johannes Margreiter (NEOS) schloss sich der Warnung weitgehend an. Die Forderungen des Volksbegehrens seien fast wie ein Arztbrief zu lesen, samt Diagnosen und Therapievorschlägen, wie die österreichische Gesellschaft vom Befall mit dem gefährlichen Virus der Korruption befreit werden könne.
Agnes Sirkka Prammer (Grüne) nannte einige Schritte, die bereits gesetzt worden seien, wie etwa das Parteiengesetz. Der Arbeitsauftrag des Volksbegehrens sei noch ein großer, man werde sich weiter intensiv damit auseinandersetzen und an Maßnahmen arbeiten. Ausschussvorsitzende Michaela Steinacker (ÖVP) betonte dazu, man sei sich der Notwendigkeiten der Absicherung des Rechtsstaats gegen Korruption bereits im Regierungsprogramm bewusst gewesen und sei es auch heute. „Checks und Balances“ bezeichnete sie als wesentliche Elemente des Rechtsstaats, daher sei mit Ausgewogenheit zu versuchen, Lösungen zu finden. Zur Diskussion zum Thema Bundesstaatsanwalt gehöre außerdem auch, auf das Thema Beschuldigtenrechte hinzuschauen.
Harald Stefan ortet seitens der FPÖ, dass in dem Themengebiet der politischen Einflussnahme in den letzten 40 Jahren vieles deutlich besser geworden sei. Das bedeute aber nicht, dass es nicht auch jetzt Verbesserungen brauche, zeigte sich Stefan an einer Diskussion über die seines Erachtens sinnvollen Punkte bereit. Kontrolle sei in der Demokratie jedenfalls wichtig, betonte er.
NEOS WOLLEN KORRUPTIONSTATBESTÄNDE DES STGB IN BEZUG AUF ZUKÜNFTIGE AMTSTRÄGEREIGENSCHAFTEN ERWEITERN
Vertagt wurden auch zwei Anträge der NEOS zu den Themen Korruption und Untreue. Das Ibiza-Video legt nach Ansicht der NEOS eine Gesetzeslücke bei Vorteilsannahme und verbotener Intervention offen. So hätte der damalige Abgeordnete Strache im Falle einer zukünftigen Regierungsbeteiligung als Gegenleistung für verdeckte Parteispenden Vorteile bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge in Aussicht gestellt. Für das zu beeinflussende Amtsgeschäft sei er aber nicht zuständig gewesen, sodass eine Strafbarkeit nicht gegeben sei, erinnert Nikolaus Scherak. In einem Entschließungsantrag (66/A(E)) plädiert der Verfassungssprecher der NEOS dafür, die Strafbarkeit nach den Korruptionstatbeständen des StGB auch auf jene Fälle zu erweitern, in denen die Annahme, die Forderung oder das Sich-Versprechenlassen unrechtmäßiger Vorteile in Hinblick auf eine zukünftige Amtsträgereigenschaft geschieht. Der Antrag liege schon lange vor, so Scherak, diese Lücke müsse zu schließen sein. Seitens der Koalitionsparteien verwies etwa Agnes Sirkka Prammer (Grüne) auf Gespräche betreffend das Korruptionsstrafrecht. Es sei aus ihrer Sicht nicht sinnvoll, im Vorfeld jetzt eine Regelung „herauszupicken“.
Die derzeitige krisenhafte Situation im Bereich der Energieversorgung nahmen die NEOS außerdem zum Anlass, um an die im Regierungsprogramm vorgesehene Prüfung des Untreuetatbestands im Strafgesetzbuchs zu erinnern (2770/A(E)). Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Eigentum der öffentlichen Hand seien dem Druck ausgesetzt, die Endverbraucherpreise nicht oder nur moderat zu erhöhen, was Probleme für die Machthaber:innen derartiger Unternehmen eröffne. Eine Evaluierung, Prüfung und allfällige Novellierung des entsprechenden § 153 StGB sieht NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter daher geboten. Astrid Rössler (Grüne) meinte ähnlich wie etwa Christian Ragger (FPÖ), dass man auch damit verbundene Gesetze bzw. das Gesellschaftsrecht ansehen müsse, wenn man hier ansetze. Eine Evaluierung stehe in den Startlöchern, so Rössler.
MASSVOLLER UMGANG MIT BESONDEREN ERMITTLUNGSMASSNAHMEN
Zur Debatte standen zudem die Bericht des Justizministeriums über den Einsatz von Lauschangriff, Videofalle und Rasterfahndung aus den Jahren 2019 (III-187 d.B.), 2020 (III-427 d.B.) und 2021 (III-737 d.B.), die einhellig zur Kenntnis genommen wurden. Auch 2021, im vierzehnten Berichtsjahr nach Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes, habe sich am maßvollen Umgang mit den besonderen Ermittlungsmaßnahmen nichts geändert, wird im Bericht für das Jahr 2021 festgehalten. Die Anzahl der „großen Späh- und Lauschangriffe“ sei auf einem vergleichbar niedrigen Niveau zu den Vorjahren geblieben (2021: vier, 2020: zwei, 2019: vier, 2018: ein Fall). Den übrigen Fällen von insgesamt 22 Anordnungen im Jahr 2021 lagen ein Rechtshilfeersuchen einer ausländischen Behörde (zwei Anordnungen) oder eine Europäische Ermittlungsanordnung (16 Anordnungen) zu Grunde, wie Justizministerin Zadić ausführte. Die Anzahl der Fälle des gerichtlich angeordneten „kleinen Späh- und Lauschangriffs“ betrugen 2021 vier Fälle, im Vergleich dazu 2020 sechs und 2019 fünf Fälle. Im Berichtsjahr waren 147 optische Überwachungen („Videofalle“) zu verzeichnen (2020: 178 Fälle). Auch im Jahr 2021 überwiegt laut Bericht die Anzahl der erfolgreichen Überwachungen bzw. bleibt diese beinahe doppelt so hoch wie jene der erfolglosen. Die Durchführung eines automationsunterstützten Datenabgleichs, also eine „Rasterfahndung“, wurde im Berichtsjahr 2021 im Bundesgebiet von den Staatsanwaltschaften in keinem Fall angeordnet.
Als positiv hoben Nikolaus Scherak (NEOS) und Harald Stefan (FPÖ) jedenfalls hervor, dass solche Ermittlungsmaßnahmen im grundrechtlichen Sinn nicht über Gebühr angewendet werden. Einer der Hauptgründe für die Anordnungen habe Straftaten zu „fremdem Vermögen“ betroffen, erläuterte Justizministerin Zadić gegenüber Astrid Rössler (Grüne). Der Grund, dass diese Arten von Ermittlungsmaßnahmen in Relation von der Oberstaatsanwaltschaft Wien mehr als in anderen Bundesländern angeordnet würden, wie Johanna Jachs (ÖVP) hinterfragte, liege zum einen darin, dass in Wien die größte staatsanwaltliche Behörde des Landes sei, so die Ministerin. Zum anderen gebe es auch eine Auffangzuständigkeit für Fälle, die örtlich nicht zuordenbar seien. Selma Yildirim (SPÖ) erkundigte sich, ob es etwaigen Handlungsbedarf für Verbesserungen in der Umsetzung gebe. Eine Expertin des Ministeriums, die auf die Frage einging, sieht dazu aktuell keine Änderungsvorschläge.
AUSFORSCHUNG MIT GPS-TRACKERN UNTERBINDEN
FPÖ-Mandatar Harald Stefan legt einen Gesetzesentwurf vor, um das Ausforschen von Bewegungsprofilen bzw. das Orten und Verfolgen von Personen durch GPS-Tracker unter Strafe zu stellen (2894/A). Diese Form der beharrlichen Verfolgung sei ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre, so die beantragte Ergänzung des §107a Abs. 2 im Strafgesetzbuch (StGB). Gegenwärtig erschwere die DSGVO die Ausforschung von Personen mit derartigen Ortungsgeräten. Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) meinte, dem Antrag viel abgewinnen zu können. Es gebe aber noch weiteren Gesprächsbedarf bzw. brauche es eine tiefergehende Analyse.
EIGENE STRAFBESTIMMUNGEN FÜR „IDENTITÄTSDIEBSTAHL“ UND „DEEPFAKES“
Ebenfalls vertagt wurde ein Antrag, mit dem die FPÖ auf die vielfältigen Formen von Identitätsmissbrauch im Netz aufmerksam macht. Die Freiheitlichen beantragen bei der Justizministerin konkrete Vorschriften, um „Identitätsdiebstahl“ und „Deepfakes“ im Strafrecht zu verankern (2860/A(E)). Persönliche Daten könnten unter anderem über Phishing-E-Mails oder Datenlecks in die Hände von Kriminellen gelangen. Von „Deepfakes“ spricht man bei der Fälschung oder Veränderung von medialen Inhalten mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Dies erfordere aus FPÖ-Sicht einen personellen und technischen Ausbau der Cyber-Spezialist:innen bei Polizei und Justiz. Die Regierung beschäftige sich im Rahmen des „Aktionsplans Deepfake“ bereits intensiv mit dem Thema und prüfe allfällige Regelungslücken, argumentierte Agnes Sirkka Prammer (Grüne) die Vertagung. (Schluss Justizausschuss) mbu
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