Bundesrat: FPÖ nutzt Dringliche Anfrage zu Rundumschlag gegen die Regierung
Nehammer verteidigt Russland-Sanktionen und Corona-Politik
Die FPÖ hat eine Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Karl Nehammer in der heutigen Sitzung des Bundesrats zu einem Rundumschlag gegen die Regierung genutzt. Bundesrat Josef Ofner und seine Fraktionskolleg:innen rechneten unter anderem mit der Russland-, der Energie-, der Corona-, der Asyl-, der Umwelt- und der Gesundheitspolitik der schwarz-grünen Koalition ab und forderten unter anderem eine Volksabstimmung zu den Russlandsanktionen, ein Aus für das Merit-Order-Prinzip im Stromhandel, Grenzschließungen für Flüchtlinge und eine Beobachtung von Klimaschützer:inen wie der „Letzten Generation“ durch den Verfassungsschutz. Österreichische Interessen und die Bedürfnisse der Bürger:innen müssten „endlich an die allererste Stelle der Politik gestellt werden“, heißt es in der Dringlichen Anfrage, die von FPÖ-Fraktionsführer Christoph Steiner erstunterzeichnet wurde. Mehrfach wurde auch der Rücktritt der Bundesregierung gefordert.
Bundeskanzler Karl Nehammer ließ sich durch die scharfe Tonalität der Anfrage allerdings nicht beirren und begründete ausführlich die Motive für das Handeln der Regierung, sowohl was die Corona-Politik als auch was die Russland-Sanktionen und die Energiepolitik betrifft. Seiner Meinung nach konnten durchaus einige so nicht zu erwartende Erfolge erzielt werden, etwa was die kurzfristige Reduzierung der Abhängigkeit von russischem Gas betrifft. Eine Gaspreisbremse sieht Nehammer nach wie vor skeptisch, er stellte aber weitere Unternehmenshilfen in Aussicht.
Bei der Abstimmung keine Mehrheit fanden mehrere Entschließungsanträge, die von der FPÖ im Zuge der Debatte eingebracht wurden. Unter anderem hatten die Freiheitlichen ihre Forderung erneuert, den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt sektoral auch für EU-Bürger:innen zu beschränken und Flüchtlinge zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Zudem drängten sie auf massive Steuersenkungen für Benzin und Diesel, die Abschaffung der CO2-Steuer, die Senkung von Lohnnebenkosten sowie andere Entlastungsmaßnahmen für die Bevölkerung und Unternehmen. Wer durch gesetzeswidrige Verordnungen oder verfassungswidrige Gesetze während der Corona-Pandemie einen psychischen, physischen oder finanziellen Schaden erlitten hat, sollte der FPÖ zufolge zudem Entschädigungszahlungen erhalten.
OFNER: BEVÖLKERUNG KOMMT DURCH REGIERUNGSPOLITIK UNTER DIE RÄDER
In der Dringlichen Anfrage selbst hinterfragte die FPÖ unter anderem die im Zuge der Corona-Krise getätigten Ausgaben. 46,5 Mrd. € seien bisher „zum Fenster hinausgeschmissen worden“, davon 850 Mio. € allein für Impfstoffbeschaffungen, empören sich Steiner und seine Parteikolleg:innen. Ihrer Meinung nach hätte man das Geld besser in anderen Bereichen wie Bildung oder Pflege anlegen sollen. Zudem werfen sie der Regierung vor, „weiter blind an den selbstzerstörerischen Russland-Sanktionen festzuhalten“ und das neutrale Österreich in einen „Wirtschaftskrieg“ geführt zu haben. Auch fehlende Maßnahmen gegen die „Völkerwanderung nach Österreich“ sowie Personalmangel im Gesundheits- und Pflegebereich werden von der FPÖ angeprangert.
Im Plenum legten dann unter anderem der Kärntner FPÖ-Bundesrat Josef Ofner und sein steirischer Parteikollege Markus Leinfellner nach. Das Land werde von einer Krise in die nächste manövriert, sagte Ofner und bezeichnete die Begriffe „Versagen“, „Inkompetenz“, „Unverlässlichkeit“ und „Chaos“ als gute Beschreibung für die Regierungspolitik. Die Lösungskompetenz des Bundeskanzlers und seiner Regierungsmitglieder seien „gleich null“. Das Land werde „tagtäglich an die Wand gefahren“, „stets gepaart mit einem ÖVP-Korruptionssumpf“.
Die ÖVP sei so mit sich selbst beschäftigt, dass sie keine Zeit habe, sich um die Bevölkerung zu kümmern, meinte Ofner. Unterdessen kämen die Bürger:innen „unter die Räder“. Das zeigt sich ihm zufolge nicht zuletzt an der aktuellen Teuerung, am Zustand des Gesundheitssystems und am Umstand, dass Österreich mittlerweile „Spitzenreiter“ bei der Zahl der Asylwerber:innen sei. Auch für die CO2-Steuer zeigte der Kärntner Bundesrat kein Verständnis. Noch einmal kritisierte er außerdem die Absage der Aktuellen Stunde zu Beginn der heutigen Bundesratssitzung. Leinfellner sprach unter anderem von einem „politischen Totalversagen“ der Regierung auf allen Ebenen und „hirnlosen Sanktionen“.
NEHAMMER: NEUTRALITÄT HEISST NICHT, ZU UNRECHT ZU SCHWEIGEN
Um den Vorhaltungen der FPÖ entgegenzutreten, holte Bundeskanzler Karl Nehammer weit aus. So erinnerte er etwa daran, dass die FPÖ eine der ersten gewesen sei, die 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, einen Lockdown und Grenzschließungen gefordert habe. Damals habe es weder ausreichend Schutzmasken noch Impfungen geben. Das Coronavirus habe weltweit hunderttausende Menschenleben gekostet. Die Wissenschaft habe dann aber etwas zustande gebracht, „was niemand geglaubt hat“, sagte Nehammer, nämlich in kürzester Zeit Impfstoffe zu entwickeln. Zudem habe sich die Omikron-Variante in eine andere Richtung bewegt, als von Fachleuten ursprünglich prognostiziert worden sei. Vergegenwärtige man sich die Lage vor einem Jahr und ziehe man den jeweiligen Wissensstand in Betracht, sei sowohl die Einführung der Impfpflicht als auch deren spätere Abschaffung richtig gewesen, meinte der Kanzler. Österreich und Europa hätten sich zudem schneller von der Corona-Krise erholt, als Wirtschaftsforscher:innen erwartet haben.
Auch für die Haltung der FPÖ zu den Russland-Sanktionen zeigte der Kanzler wenig Verständnis. Für das „Unheil“, das Österreich, Europa und die Welt derzeit erlebten, sei ganz allein der Krieg Russlands gegen die Ukraine verantwortlich, schließlich würde es ohne Krieg keine Sanktionen geben, meinte er. Zudem seien Sanktionen „das friedlichste Mittel, das zur Verfügung steht“, um gegen Krieg zu kämpfen. Man dürfe Grenzverschiebungen mit Waffengewalt in Europa nicht akzeptieren.
Nehammer hält es vielmehr für eine Pflicht Österreichs als demokratisches Land, gegen Krieg aufzutreten und sich „mit einem Land, das überfallen wird“ solidarisch zu zeigen. Neutralität heiße nicht, zu Unrecht zu schweigen, sagte er. Im Zuge der Beantwortung der einzelnen Fragen der Dringlichen Anfrage betonte der Kanzler aber auch, dass es keine direkte Finanzhilfe Österreichs für die Ausrüstung der ukrainischen Armee gegeben habe.
Der Krieg sei aber nicht die alleinige Ursache der gegenwärtigen Energie-Krise, räumte der Kanzler ein. Vielmehr habe Russland schon vor dem Angriff auf die Ukraine begonnen, die Gasspeicher in Europa nicht zu füllen. Er vermutet dahinter Spekulation, um die Preise nach oben zu treiben. Zudem sei Wladimir Putin der erste russische Präsident, der Gaslieferungen aus politischen Gründen reduziert habe. Österreich und Europa hätten sich aber als viel stärker erwiesen als erwartet, machte Nehammer geltend. So sei es Österreich etwa gelungen, die Abhängigkeit von russischem Gas im heurigen Jahr von 80 % auf 21 % zu reduzieren. Man habe es geschafft, mehr nichtrussisches Gas und Pipeline-Kapazitäten aufzutreiben, als Österreich zugetraut worden sei. Eine Volksbefragung, wie von der FPÖ gefordert, könne im Übrigen nur der Nationalrat beschließen.
Was die aktuelle Teuerung betrifft, gab Nehammer zu bedenken, dass die Hälfte der Inflation importiert und auf die hohen Energiekosten zurückzuführen sei. Eine nationale Regierung könne dagegen wenig tun, betonte er. Was man jedoch tun könne, sei, der Bevölkerung mit Entlastungsmaßnahmen zu helfen. Genau das habe die Regierung getan. Konkret verwies der Kanzler etwa auf verschiedene Einmalzahlungen, die Senkung der Steuertarifstufen, die Valorisierung von Familienleistungen, die Abschaffung der kalten Progression und die Stromkostenbremse. Allein das dritte Anti-Teuerungspaket habe einen Umfang von 28 Mrd. € gehabt. Auch Unternehmenshilfen und die Gemeindemilliarde hob Nehammer hervor.
Zur geforderten Gaspreisbremse merkte Nehammer an, dass man in dieser Frage keinen Vergleich zwischen Deutschland und Österreich ziehen könne. Es sei aber Ziel der Regierung, dass den österreichischen Unternehmen kein Nachteil entstehe. Vor diesem Hintergrund wird ihm zufolge derzeit etwa über eine Fortsetzung des Energiekostenzuschusses im nächsten Jahr verhandelt. In Bezug auf die Abschaffung des Merit-Order-Prinzips sieht er auf EU-Ebene keine einhellige Meinung.
Näher ging Nehammer schließlich noch auf das Thema Migration ein, das er als „tatsächlich große Herausforderung“ bezeichnete. Mit Überheblichkeit werde man aber nichts erreichen, hielt er in Richtung FPÖ fest. Vielmehr brauche man am Westbalkan Verbündete, um irreguläre Migration zu reduzieren. Hier habe er mit den Gesprächen mit Serbien und Ungarn schon wichtige Schritte gesetzt.
SCHREUDER: REGIERUNG HAT „UNFASSBAR VIEL GESCHAFFT“
Rückenstärkung erhielt Nehammer vom niederösterreichischen ÖVP-Bundesrat Karl Bader, der der FPÖ „Fundamentalopposition“ vorwarf und von „Show“ und „Hasstiraden“ sprach. Demgegenüber übernehme der Bundeskanzler Verantwortung und arbeite, um eine Krise nach der anderen zu bewältigen. Der Vergleich mache ihn sicher, erklärte Bader.
„Stolz“ auf die Regierungsarbeit zeigte sich auch der Wiener Bundesrat Marco Schreuder von den Grünen. Diese Regierung habe Herausforderungen zu bewältigen, die es in Österreich in dieser Form seit Beginn der Zweiten Republik nicht gegeben habe, machte er geltend. Trotz unterschiedlicher Zugänge und Meinungen zwischen den Koalitionspartnern habe man „unfassbar viel geschafft“. „Wir kümmern uns um die Menschen“, hielt Schreuder fest. Konkret verwies er etwa auf die ökosoziale Steuerreform, Entlastungsmaßnahmen „in ungeheurem Ausmaß“, die Schaffung von Anreizen für klimafreundliche Mobilität und viele weitere Schritte.
In Richtung FPÖ führte Schreuder aus, eine der größten aktuellen Krisen sei die Klimakrise. Wenn man nicht wolle, dass sich viele Menschen auf den Weg machen, müsse man Klimaschutzmaßnahmen setzen. Er verstehe außerdem nicht, warum sich die FPÖ so dagegen wehre, den Aggressor Russland beim Namen zu nennen.
SCHENNACH SIEHT REGIERUNG BEI ARMUTSBEKÄMPFUNG UND HILFE FÜR GEMEINDEN SÄUMIG
Weniger positiv fiel das Fazit von SPÖ und NEOS aus. So warf der Wiener SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach der Regierung vor, zu wenig gegen Kinderarmut zu tun. Die „explodierende Inflation“ bringe sowohl Menschen als auch Unternehmen an den Rand der Existenz, warnte er und forderte Gegenmaßnahmen wie einen Gaspreisdeckel, eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und eine Preisüberwachung. Auch bei der Gewinnabschöpfung und bei der Hilfe für Städte und Gemeinden sieht Schennach die Regierung säumig. Man müsse die Kommunen stärker bei der Daseinsvorsorge unterstützen, mahnte er. Weitere Forderungen betrafen die Verabschiedung eines neuen Klimaschutzgesetzes und die Weiterführung der Wiener Zeitung.
Kritik übte Schennach außerdem am seiner Meinung nach mangelnden Respekt der Regierung gegenüber dem Bundesrat, wobei er unter anderem die nur noch sporadische Abhaltung von Fragestunden ins Treffen führte. Der FPÖ wiederum warf der SPÖ-Bundesrat Vorschläge am Rande der Verhetzung vor.
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