Nationalrat: Kontroversen von Asylpolitik bis hin zu ausländischen Direktinvestitionen

FPÖ bleibt mit Misstrauensantrag in der Minderheit

Kontrovers fielen heute im Nationalrat Debatten über unterschiedliche Bereiche – von Asylpolitik bis hin zu ausländischen Direktinvestitionen – aus. Ein Antrag von ÖVP und Grünen zu Genehmigungspflichten für Direktinvestitionen wurde mehrheitlich beschlossen. Die NEOS kritisierten dazu, dass die entsprechenden Regelungen für den Wirtschaftsstandort kontraproduktiv seien. Demgegenüber argumentierte etwa die ÖVP, in sensiblen Bereichen brauche es den Schutz gegen einen „Ausverkauf“.

Einstimmigkeit gab es im Plenum zu Unterstützungsmöglichkeiten für Unternehmen bei der Beantragung des Energiekostenzuschusses. Mit mehrheitlicher Zustimmung werden bestimmte coronabedingte Sonderregelungen im Verwaltungs- und Vergaberecht sowie im Fremdenrecht neuerlich verlängert. Letzteres nahm die FPÖ zum Anlass für Kritik an der Asylpolitik der Bundesregierung und sprach sich unter anderem für einen vollständigen Asylstopp aus. Ein von der FPÖ eingebrachter Misstrauensantrag gegen die Bundesregierung blieb allerdings in der Minderheit.

Abgelehnt wurde auch ein zu Beginn der Sitzung eingebrachter Antrag der NEOS auf Absetzung einiger Punkte von der Tagesordnung, etwa betreffend die Erneuerbaren-Förderpauschale oder den ÖBB-Rahmenplan. Konkret kritisierte Nikolaus Scherak (NEOS), dass trotz entsprechender Bemühungen seit der Präsidiale die für diese Punkte zuständige Ministerin Leonore Gewessler abwesend sei. Gewessler entziehe sich „dauerhaft“ dem Parlament und sei von den letzten 29 Plenarsitzungen bei 15 abwesend gewesen. Problematisch sehe er das insbesondere für die Kontrollfunktion des Parlaments. Jörg Leichtfried schloss sich seitens der SPÖ an. Die häufige Abwesenheit der Ministerin zeige aus seiner Sicht mangelnden Respekt vor der parlamentarischen Demokratie und den Wähler:innen. Er schlug vor, die entsprechenden Punkte zu vertagen und in der drauffolgenden Woche eine Sondersitzung dafür abzuhalten. Zudem stellte er den Antrag, die Ministerin „herbeizuschaffen“, der allerdings in der Minderheit blieb. Ähnlich sprach sich Christian Hafenecker (FPÖ) für eine Vertagung und eine Sondersitzung zu den Punkten aus.

Lukas Hammer (Grüne) warf demgegenüber Scherak vor, es sei populistisch, so zu tun, als wäre Ministerin Gewessler das Parlament nicht wichtig. Er wies auf einen Sonderministerrat auf EU-Ebene und auf eine Konferenz zum Thema Biodiversität in Kanada hin. In der größten Energiekrise der Zweiten Republik sei es die Aufgabe der Ministerin, alles zu tun, um auf europäischer Ebene Lösungen zu finden. Zudem finde parlamentarische Arbeit auch in den Ausschüssen statt, wo Gewessler durchwegs anwesend gewesen sei. Umgekehrt könnten wichtige Punkte wie etwa die Streichung der Erneuerbaren-Förderpauschale heute nicht beschlossen werden, wenn man sie von der Tagesordnung nehme. August Wöginger (ÖVP) wies darauf hin, dass es im Parlament immer wieder verfassungsmäßige Vertretungen der Regierungsmitglieder gebe. Dass Gewessler nicht da sein kann, sei den aktuell herausfordernden Situationen geschuldet. Er bezeichnete es gerade in Zeiten wie diesen als wichtig, dass Minister:innen europäische und internationale Termine wahrnehmen. Den Zitationsantrag der SPÖ bezeichnete er als „demokratiepolitisch gefährlich“, zumal man wisse, dass sich die Ministerin in Kanada befinde und mit dem Beschluss eines solchen Antrags heute wichtige Punkte für die Bevölkerung „in den Mistkübel“ wandern würden.

VERLÄNGERUNG CORONABEDINGTER SONDERREGELUNGEN SAMT DEBATTE ÜBER ASYLPOLITIK

Für die von den Koalitionsparteien beantragte Verlängerung coronabedingter Sonderregelungen im Verwaltungs- und Vergaberecht bis Mitte 2023 sprach sich neben ÖVP und Grünen „noch ein Mal“ auch die SPÖ aus, womit es die notwendige Zweidrittelmehrheit dafür gab.

Die Sonderregelungen erlauben etwa den Einsatz von Videotechnologie in Verwaltungsverfahren und bei Verwaltungsgerichten sowie Einschränkungen beim Parteienverkehr, sollte es die Situation erfordern. Zudem werden die Mitglieder der Bundesregierung für Ministerratsbeschlüsse weiterhin nicht zwingend vor Ort anwesend sein müssen. Im Fall von außergewöhnlichen Umständen bleiben auch Gemeinderatsbeschlüsse per Videokonferenz bzw. im Umlaufweg möglich. Zudem sieht der Gesetzentwurf eine Verlängerung vergaberechtlicher Sonderbestimmungen vor.

Verlängert werden überdies Corona-Sonderregelungen im Fremdenrecht. Dabei geht es um schriftliche Gelöbnisse bei Staatsbürgerschaftsverleihungen, Verlängerungs- und Zweckänderungsanträge im Rahmen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, die Vermeidung des Verlusts eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ und die Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge im Falle pandemiebedingter Schließungen von Erstaufnahmestellen. Die aktuellen Regelungen sollen noch bis Mitte 2023 bzw. zum Teil bis 30. September 2023 gelten.

Hannes Amesbauer (FPÖ) kritisierte in diesem Zusammenhang die Asylsituation und sprach sich für einen vollständigen Asylstopp aus. Es gelte, die Bevölkerung „vor den Gefahren der Masseneinwanderung“ zu schützen. Ein dazu von ihm eingebrachter Entschließungsantrag, mit dem die FPÖ einen monatlichen Transparenzbericht betreffend „Kosten der illegalen Einwanderung“ mit Ausgabenaufstellung aller Bundesministerien fordert, blieb in der Minderheit. Amesbauer brachte auch den – letztlich ebenfalls abgelehnten – Misstrauensantrag gegen die Regierung ein. Diese mache nichts, um die „Masseneinwanderung“ zu bremsen. Darüber hinaus warf er der Regierung insgesamt ein „Totalversagen“ vor, von den Corona-Maßnahmen über die Korruptionsvorwürfe bis hin zu einer fehlenden demokratischen Legitimation. Andreas Minnich (ÖVP) entgegnete der Asyl-Kritik Amesbauers, dass sich die Bundesregierung zuletzt etwa aktiv um eine Lösung der Visa-Thematik in Serbien bemüht habe und damit ein großer Schritt gegen illegale Migration gelungen sei. Reinhold Einwallner (SPÖ) sieht hingegen durch aktuelle Aufdeckungen in den Medien bei der ÖVP „parteipolitisches Kalkül“ als bewiesen. Georg Bürstmayr (Grüne) mahnte, die Diskussion um Asyl nicht durch „Kampfbegriffe“ zu vergiften. Die Grünen würden weiterhin dafür stehen, Menschen, die nicht in die Heimat zurückkönnen, Asyl zu geben und sie nicht erfrieren zu lassen oder zu verjagen.

Susanne Fürst (FPÖ) meinte unter anderem zur Verlängerung der Sonderregelungen, anstelle neuerlicher Provisorien sollte man sich endlich ansehen, was sinnvoll sei und diese Regelungen in Dauerrecht übernehmen. Die Übernahme bestimmter Punkte in Dauerrecht thematisierten neben Fürst auch Redner:innen der anderen Fraktionen. Johannes Margreiter (NEOS) kritisierte, dass zum nunmehr vierten Mal einschneidende Regelungen, ohne je einer Evaluierung unterzogen worden zu sein, „auf Verdacht“ verlängert werden. Einzelne Bestimmungen in Dauerrecht zu übernehmen gehöre jedenfalls genau geprüft. Jörg Leichtfried (SPÖ) erklärte, der Verlängerung noch ein Mal zuzustimmen. Es gelte aber, jetzt in eine Phase zu kommen, in der jene Aspekte, die sich bewährt haben, in Dauerrecht übernommen werden.

Johann Singer (ÖVP) räumte ein, er nehme die Kritik an den Verlängerungen der Sonderregelungen wahr, es könne aber nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass die Maßnahmen noch gebraucht werden. Auch aus seiner Sicht stelle sich die Frage, ob manche Bestimmungen – nach sorgfältiger Abwägung – in Dauerrecht übernommen werden könnten, daran werde auch gearbeitet. Auch Bürstmayr räumte ein, dass Provisorien nicht ewig verlängert werden sollten.

GENEHMIGUNGSPFLICHTEN FÜR DIREKTINVESTITIONEN

Mit dem neuen Investitionskontrollgesetz wurde heuer im Frühjahr unter anderem bei ausländischen Direktinvestitionen in besonders sensiblen Bereichen eine Absenkung der Prüfeintrittsschwelle von 25 % auf 10 % der Stimmrechtsanteile vorgesehen. Für Direktinvestitionen in Forschung und Entwicklung im Bereich Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung war die Schwelle mit 10 % allerdings nur bis 31. Dezember 2022 befristet worden. Der Antrag von ÖVP und Grünen zielt nunmehr darauf ab, diese Regelung bis 31. Dezember 2023 zu verlängern.

Elisabeth Götze (Grüne) bekräftigte ähnlich wie Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP), es gehe bei der Investitionskontrolle um die Sicherung kritischer Infrastruktur. Der Staat müsse hinschauen, wenn etwa im Bereich Daseinsvorsorge ausländische Unternehmen Anteile an Unternehmen kaufen.

„Absurd und protektionistisch“ ist es demgegenüber Gerald Loacker (NEOS) zufolge, wenn mit strengen Kontrollen Investitionen aus dem Land abgehalten werden. Speziell junge Unternehmen in der Wachstumsphase würden diese benötigen. Das Problem für den Standort liege aus seiner Sicht vielmehr genau darin, wenn jemand nicht in Unternehmen in Österreich investiere. Anders als Loacker wies Christoph Matznetter (SPÖ) darauf hin, dass es kein Problem gebe, wenn jemand mit Investitionen Unternehmen stärke. Wenn allerdings versucht werde, entscheidende Unternehmen aufzukaufen oder mit dem erworbenen Know-how anderswo zu produzieren, sei die Investitionskontrolle sehr vernünftig. Petra Oberrauner (SPÖ) kann sich sogar vorstellen, die Investitionskontrolle flächendeckender auszurollen. Auch aus Sicht von Erwin Angerer (FPÖ) habe sich gezeigt, dass in einen drohenden Ausverkauf notfalls eingegriffen werden muss.

UNTERSTÜTZUNG VON UNTERNEHMEN BEI BEANTRAGUNG DES ENERGIEKOSTENZUSCHUSSES

Die von ÖVP und Grünen beantragte Novelle zum Bilanzbuchhaltungsgesetz und zum Wirtschaftstreuhandberufsgesetz steht in Zusammenhang mit dem Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz sowie den dazu erlassenen Förderrichtlinien. Konkret sollen damit die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Bilanzbuchhalter:innen, Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen berechtigt sind, die Unternehmer:innen diesbezüglich zu beraten und zu vertreten sowie Bestätigungen und Feststellungen auszustellen, wie etwa Peter Haubner (ÖVP) erläuterte.

Was den Energiekostenzuschuss betrifft, sei Österreich Vorreiter, zumal das deutsche Modell sich noch in Ausarbeitung befinde, meinte er. Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) wies auch darauf hin, dass die Situation in Deutschland eine andere sei als in Österreich. Man werde aber Sorge für die Unternehmen tragen und noch vor Weihnachten ein ergänzendes Modell vorlegen, um Planbarkeit zu ermöglichen.

Ähnlich wie Erwin Angerer (FPÖ) kritisierte seitens der SPÖ Christoph Matznetter, dass es aufgrund der Zuschussmodalitäten jetzt auch noch Beratungsunterstützung brauche. Außerdem brauche es im Hinblick auf die Gaspreismaßnahmen in Deutschland endlich auch in Österreich eine Lösung, forderte Matznetter ebenso wie etwa Petra Oberrauner (SPÖ). (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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