„Traumhaft schön“: Erster Tag der offenen Tür lockt tausende Besucher:innen ins sanierte Parlamentsgebäude
Öffnungszeiten wurden aufgrund des großen Andrangs um zwei Stunden verlängert
Um 16.00 Uhr hätte am ersten Tag eigentlich Schluss sein sollen. Aber schon am Vormittag war klar, dass sich das nicht ganz ausgehen wird. Bis zu drei Stunden Wartezeit nahmen Besucher:innen in Kauf, um sich selbst ein Bild vom sanierten Parlamentsgebäude zu machen. Nach dem feierlichen Eröffnungsakt am Donnerstag wurde das Hohe Haus heute quasi an die Bevölkerung „übergeben“. An zwei Tagen der offenen Tür haben interessierte Bürger:innen und Tourist:innen heute und morgen Gelegenheit, die rundum erneuerten Sitzungssäle des Nationalrats und des Bundesrats und andere Räumlichkeiten des Hohen Hauses in Augenschein zu nehmen. Aufgrund des großen Andrangs entschied man sich, die Öffnungszeiten am Samstag um zwei Stunden zu verlängern.
Schon bei der Eröffnung um 10.00 Uhr reicht die Warteschlange bis zum Palais Epstein zurück. Mehr als tausend Besucher:innen, von jung bis alt, warten darauf, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Bundesratspräsident Günter Kovacs, Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures und Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer das dunkelblaue Band beim Zentralportikus durchschneiden, wie die Einsatzkräfte schätzen. Später wird die Schlange noch deutlich länger werden.
Zu den ersten Gästen, die hinter die Kulissen des Hohen Hauses blicken wollen, gehören eine Mutter mit ihrem Sohn. Sie sei extra aus Salzburg angereist und warte schon seit eineinhalb Stunden auf den Einlass, erzählt sie. Das Parlament kennt sie noch nicht, daher ist sie umso neugieriger. Auch ein ehemaliger Kriminalbeamter aus Kärnten ist eigens nach Wien gekommen. Der Tag der offenen Tür sei eine einmalige Chance, das sanierte Gebäude selbst in Augenschein zu nehmen, sagt er. Nun hofft er, alle Highlights auch tatsächlich sehen zu können. Auch der Besuch einer Nationalratssitzung mit der Familie ist ihm zufolge schon geplant.
„Sehr“ für Politik interessiert sich ein älteres Ehepaar aus Niederösterreich, das ebenfalls schon seit 08.30 Uhr in der Schlange auf der Rampe steht. Vor allem die neue Glaskuppel über dem Nationalratssaal und der historische Sitzungssaal erwecken ihr Interesse. Es ist schon ihr dritter Besuch im Parlament, auch den Festakt zur Eröffnung haben sie sich im Fernsehen angeschaut, berichtet die Dame. Ein Tiroler wiederum nutzt einen beruflichen Aufenthalt in Wien, um das Parlament zu besuchen. Neben ihm wartet eine Familie aus der Steiermark, die gekommen ist, weil die Schwester bzw. Tochter im Hohen Haus arbeitet.
Aber nicht nur Österreicher:innen nutzen die Gelegenheit, das sanierte Gebäude in Augenschein zu nehmen, auch etliche Tourist:innen haben sich in die wartende Menge gemischt. Er sei kanadischer Staatsbürger, aber zweisprachig aufgewachsen, schildert ein in der ersten Reihe stehender Mann in perfektem Deutsch, der gerade auf Wien-Reise ist. Ihn hat vor allem die „faszinierende Architektur“ ins Parlament gelockt. Das sei schon alles sehr prächtig, sagt er und deutet auf die Säulen im Eingangsbereich. Auch ein Paar aus der Ukraine, das vorübergehend in Wien lebt, ist unter den ersten Besucher:innen, die von den drei Nationalratspräsident:innen und Bundesratspräsident Kovacs persönlich begrüßt werden.
„COOLER VOGEL“, GEWALTIGE KUPPEL
Besonders beeindruckt zeigen sich die Besucher:innen von der neuen Glaskuppel über dem Nationalratssaal und dem Plenarium. Durch einen verglasten Rundgang kann man von hier oben in den nunmehr barrierefrei gestalteten Saal blicken. Die Kuppel sei „schon gewaltig“, sagt etwa eine Besucherin. Das findet auch eine junge Familie mit Kleinkind aus Wien. „Und der neue Vogel schaut ebenfalls cool aus“, deutet der Familienvater auf dem über dem Präsidium thronenden Wappenadler. Einigen fällt auch auf, dass das Redner:innenpult nunmehr zwischen der geteilten Regierungsbank steht.
SPEZIALWORKSHOP DER DEMOKRATIEWERKSTATT
Im Plenarium untergebracht ist auch die Demokratiewerkstatt, und heute haben Schüler:innen des Bundesgymnasiums 8 in Wien Josefstadt Gelegenheit, einem besonderen Gast Fragen zu stellen. Wozu braucht die Demokratie ein Parlament und was hat das Parlament mit uns zu tun, wollen die 11- bis 15-Jährigen, die aus unterschiedlichen Klassen kommen, unter anderem von Nationalratspräsident Sobotka wissen. Laura und Franzi interessiert besonders, was der Präsident an der Politik mag, nachdem er schon so lange politisch tätig ist.
Die Fragen waren von den Schüler:innen zuvor in kleinen Gruppen mit Unterstützung von Werkstatt-Mitarbeiter:innen ausgearbeitet worden. Es sei echt schön hier, sind sich Henri, Kathi, Emil, Helena, Leopold und Niki, die jüngsten der Gruppe, einig. Später wird aus den Fragen und Antworten ein Podcast entstehen.
SONDERMÜNZE UND ERSTTAGSSTEMPEL
Gleich ums Eck können die Besucher:innen bei der Münze Österreich eine besondere Fünf-Euro-Münze erwerben, die sich nicht nur wegen ihrer neuneckigen Form von den üblichen Kupfermünzen abhebt, sondern auch aufgrund ihres Materials. Sie wurde nämlich aus dem alten Kupferdach des historischen Parlamentsgebäudes gefertigt. Dargestellt werden auf der „Demokratiemünze“, die es auch als Silbermünze gibt, unter anderem die Wappen der neun Bundeslände. Außerdem sind die ersten beiden Sätze der Bundesverfassung eingraviert.
Auch am eigens eingerichteten Sonderpostamt hat sich eine kleine Schlange gebildet. Die Österreichische Post bietet hier unter dem Namen „Parlament Österreich“ ein speziell angefertigtes Philatelie-Set an, das aus vier Postkarten und vier Briefmarken mit Motiven des Parlamentsgebäudes besteht. Rund 500 Sets habe man bereits verkauft, sagt eine Mitarbeiterin am Nachmittag. Karten und Briefe, die vor Ort aufgegeben werden, werden mit einem exklusiven Sonderstempel versehen. Das Angebot nimmt auch ein älterer Briefmarkensammler aus Niederösterreich in Anspruch, wiewohl das Sonderpostamt für ihn nicht der Hauptgrund war, das Hohe Haus zu besuchen.
REGES INTERESSE AN DEN ARBEITSRÄUMEN DER NATIONALRATSPRÄSIDENT:INNEN
In allen wichtigen Räumen stehen Demokratievermittler:innen, die über das Gebäude, die Geschichte des Parlamentarismus und die Arbeit des Parlaments informieren und Fragen beantworten. Auch Details zur Sanierung und zu den modernen Kunstobjekten des Hauses kann man bei ihnen erfahren.
Eine besondere Anziehungskraft bei den Besucher:innen üben die Büros der Nationalratspräsident:innen und des Bundesratspräsident aus, selbst wenn diese gerade nicht anwesend sind, weil sie sich unter die Menge gemischt haben. Die seltene Gelegenheit, selbst einen Blick in die künftigen Arbeitsstätten des zweithöchsten Repräsentanten der Republik und seiner Amtskolleg:innen zu werfen, wollen sich viele nicht entgehen lassen.
Im neuen Bundesratssaal greift der Präsident der Länderkammer unterdessen auch schon selbst mal zum Mikrofon, um die Besucher:innen über die Arbeit des Bundesrats zu informieren. Er sei stolz auf die neuen Räumlichkeiten, unterstreicht Kovacs. Für ihn ist der frühere Budgetsaal – abgesehen vom historischen Sitzungssaal – der schönste Raum des Gebäudes. Auch die drei Nationalratspräsident:innen werden auf ihrem Weg durch das Haus und in ihren Amtsräumen immer wieder angesprochen und um ein Foto gebeten.
In der Säulenhalle stehen Vertreter:innen der Parlamentsfraktionen für Fragen und Gespräche zur Verfügung. Dort werden auch Informationsmaterial, Kugelschreiber und Schokolade verteilt. Das Interesse sei „überwältigend“, bestätigen etwa die ÖVP-Abgeordneten Friedrich Ofenauer und Rudolf Taschner sowie NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker. Vor allem, wenn bekanntere Politiker:innen wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner oder Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer auftauchen, herrscht einiges Gedränge. Es sei schön zu sehen, wie sehr sich die Menschen für das Parlament interessieren, nicht nur für das Gebäude, sondern auch für die Politik, so der einhellige Tenor der Mandatar:innen. Alle, mit denen er gesprochen habe, hätten gesagt, dass sich die lange Wartezeit auf den Einlass gelohnt habe, hält Loacker fest. Morgen wird auch die FPÖ mit einem Stand in der Säulenhalle vertreten sein – heute musste sie wegen des Neujahrstreffens passen.
UNTERSCHIEDLICHE MEINUNGEN ÜBER DAS KLAVIER
Viele Besucher:innen wollen auch einen Blick auf das viel diskutierte Klavier mit dem vergoldeten Flügel werfen, wobei die Meinungen dazu recht unterschiedlich ausfallen. Von „ganz toll“, „sehr schön, da gibt es nichts“ bis „viel zu teuer“ und „eine Frechheit“ reichen die Kommentare. Er verstehe die Diskussion darüber nicht, sagt etwa ein Besucher aus Deutschland, der sich wegen einer Sportverletzung in Wien aufhält. Das Klavier sei sehr schön und die Aufregung in keiner Relation zum Anlass. Ein Ehepaar aus Innsbruck meint hingegen, sie hätten sich gerade in Zeiten wie diesen mehr Zurückhaltung von der Politik gewünscht, bürgernah sei das nicht gerade. Man müsse schon die Frage stellen, ob es nicht eine billigere Lösung gegeben hätte, ergänzt ein anderer.
Vielfach wird bedauert, dass der Flügel nicht geöffnet ist. Trotzdem ist das Instrument ein beliebtes Fotomotiv. Mehr Glück könnten die Besucher:innen morgen haben, wenn das Klavier von Preisträger:innen von „prima la musica“, dem größten Jugendmusikwettbewerb Österreichs, bespielt wird.
BREITES LOB FÜR DEN UMBAU
An den Wänden des Empfangssalons, das Klavier sozusagen umrahmend, hängen großformatige Bildtafeln des Künstlers Heimo Zobernig in den Farben blau, indigo, türkis und violett. Geht man an ihnen vorbei, verändert sich durch in die Farben eingemischte Kristallplättchen die Farbwirkung. Wie zum Flügel und den anderen modernen Kunstobjekten gibt es auch dazu geteilte Ansichten. Man könne nicht in diesen Saal so etwas hineinhängen, das sei ein Stilbruch, meint etwa eine ältere Dame aus Wien, Jahrgang 1939.
Ansonsten ist sie vom sanierten Parlament wie die meisten anderen Befragten jedoch begeistert. Es sei „traumhaft schön“, sagt sie, der Umbau habe sich gelohnt: „Endlich haben sie mit unserem Geld etwas Gescheites gemacht“, so ihre Conclusio. Gut findet sie auch, „dass alle zusammengearbeitet haben und alles so gut koordiniert wurde“ – anders als bei vielen Baustellen üblich. Ein Bundesheerangehöriger aus Aspern am Wechsel ist vom Ergebnis ebenfalls mehr als beeindruckt.
Viel Lob gibt es auch von vier jungen Salzburger:innen. Sie sei begeistert, wie freundlich alle Mitarbeiter:innen hier sind, sagt eine von ihnen. Man fühle sich richtig willkommen, ergänzt ein anderer. Er arbeitet in der IT des Landes Salzburg und nutzt schon seit längerem das Angebot des Parlaments auf Instagram.
INTERAKTIVE MEDIENSTATIONEN IM BESUCHERZENTRUM
Im neuen Besucher:innenzentrum Demokratikum erweckt vor allem die Station „Begegnung“ im Forum großes Interesse. Interessierte Besucher:innen können hier verschiedene Fragen persönlicher und beruflicher Art an die drei Nationalratspräsident:innen und die fünf Klubobleute stellen, die von diesen dann – vorab aufgezeichnet – auf Augenhöhe beantwortet werden. Aber auch die anderen interaktiven Stationen werden vielfach genutzt. So kann man etwa über ein Verbot von Öl-Heizkesseln in Neubauten oder die Einführung eines zusätzlichen Feiertags am Karfreitag abstimmen und dann schauen, wie sich die Abgeordneten entschieden haben.
Gleich nebenan erhalten Besucher:innen Informationen über das neue Webportal des Parlaments. Hier erklären Parlamentsmitarbeiter:innen unter anderem, wie man Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen abgeben oder Petitionen unterstützen kann, und helfen bei der Einrichtung eines persönlichen Profils, mit dem verschiedene Zusatzfeatures genutzt werden können. Auch Tipps fürs Recherchieren im umfangreichen digitalen Informationsangebot werden gerne angenommen.
GROSSER ANDRANG IN DER PARLAMENTSBIBLIOTHEK
Hinter dem Besucherzentrum geht es in die Parlamentsbibliothek, wo Bibliotheksleiter Holger Böck ein gefragter Ansprechpartner ist. Die größte Spezialbibliothek Österreichs zu den Themen Demokratie und Parlamentarismus hat im Jahr 2019 ihr 150-jähriges Bestehen gefeiert und präsentiert sich nach der Generalsanierung des Parlamentsgebäudes ebenfalls in neuem Gewand. Viele sind überrascht, dass das Parlament über eine eigene Bibliothek mit einem derart großen Bestand verfügt. Mit der offiziellen Wiedereröffnung ab Montag werden nun auch externe Nutzer:innen mit einer – kostenlosen – Bibliothekskarte die Möglichkeit haben, entlehnte Bücher mit nach Hause zu nehmen. Weiterhin steht aber auch ein Lesesaal mit 15 Plätzen zur Verfügung. Auch das neue U-Ausschuss-Lokal kann im Erdgeschoß besichtigt werden.
Inzwischen ist auch der kanadische Tourist mit seiner Begleitung bei der letzten Station des Rundgangs angekommen und zeigt sich vom geschichtsträchtigen Ambiente des Hauses beeindruckt. Er hätte nicht gedacht, dass es hier noch so viele historische Räumlichkeiten gibt, sagt er. Vor allem der Bundesversammlungssaal hat es ihm angetan. Er kenne die anderen europäischen Parlamente nicht, er könne sich aber nicht vorstellen, dass das österreichische Parlamentsgebäude von einem anderen übertroffen wird, meint er mit sichtbarer Begeisterung.
ZWEITER TAG DER OFFENEN TÜR AM SONNTAG
Auch morgen, Sonntag, gibt es für interessierte Besucherinnen und Besucher die Gelegenheit, sich vor Ort selbst ein Bild über das Ergebnis der Parlamentssanierung zu machen. Letzter Einlass ist 16.00 Uhr. Ab Montag werden wieder regelmäßige Führungen durch das Parlamentsgebäude und durch das zum Parlament gehörende Palais Epstein zu fixen Terminen angeboten. Die Anmeldung dafür ist über das Webportal des Parlaments (www.parlament.gv.at) möglich.
Ebenfalls am 16. Jänner öffnet das neue Parlamentsrestaurant „Kelsen“, benannt nach dem „Architekten“ der österreichischen Verfassung, seine Tore für Gäste. (Schluss Tag der offenen Tür) gs
HINWEIS: Fotos von den Tagen der offenen Tür werden laufend auf einer Plattform veröffentlicht.
Ausgewählte Fotos von beiden Eröffnungstagen finden Sie zudem im Webportal des Parlaments. Weitere Informationen, Fotos und Videos zum Parlament und seiner Sanierung gibt es in einer multimedialen Pressemappe sowie unter www.oeparl2023.at.
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